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Formel 1: Mick Schumacher und dann? Das Nachwuchsproblem des deutschen Motorsport

Mick Schumacher geht in seine zweite Formel-1-Saison. Er und Sebastian Vettel sind aktuell die zwei einzigen deutschen Fahrer.
Mick Schumacher geht in seine zweite Formel-1-Saison. Er und Sebastian Vettel sind aktuell die zwei einzigen deutschen Fahrer.Bild: www.imago-images.de / imago images
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Mick Schumacher und dann? Warum Deutschland ein Nachwuchsproblem im Motorsport hat

21.03.2022, 15:09
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Für Andreas Richter war die Entwicklung absehbar. Wenn die Formel 1 am Sonntag mit dem Auftaktrennen in Bahrain in die neue Saison startet, werden lediglich zwei deutsche Fahrer in der Startaufstellung stehen. Zwar fällt Sebastian Vettel mit einer Corona-Infektion aus, doch durch Ersatzfahrer Niko Hülkenberg bleibt die Anzahl gleich.

Wirklich Chancen auf den WM-Titel haben Mick Schumacher im Team Haas und vierfach Weltmeister Sebastian Vettel im Aston Martin aber nicht. Vorbei sind die Zeiten, in denen ein deutscher Fahrer zur Weltspitze in der Königsklasse des Motorsports gehörten. Die Erinnerungen an 2010, als gleich sieben deutsche Fahrer in der Formel 1 fuhren, haben viele Fans auch nur noch verblasst vor ihrem Auge.

"Es war eher ungewöhnlich und ein schöner Erfolg für unsere Nachwuchsarbeit. Aber eben kein Garant dafür, dass das so weitergeht", sagt Andreas Richter im Gespräch mit watson.

Der 59-Jährige arbeitete 42 Jahre intensiv in verschiedenen Bereichen in und mit der Formel 1. 1997 und 1998 war er zudem Sprecher und Marketingberater des damaligen Formel-1-Vize-Weltmeisters Heinz-Harald Frentzen.

Und der Formel-1-Insider stellt ernüchtert fest: "Im deutschen Motorsport gibt es ein gewisses Nachwuchsproblem, besonders was die Formel 1 betrifft." Und die Gründe dafür sind offensichtlich.

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Andreas Richter arbeitete über 40 Jahre in und mit der Formel 1. null / Eva Speith

Schumacher in der DTM, Zendeli und Beckmann mit Geldproblemen

Lirem Zendeli, David Beckmann und David Schumacher, der Sohn von Ralf Schumacher, sind die einzigen Namen, die in den vergangenen fünf Jahren auf den vorderen Rängen der Formel 2 und Formel 3 aufgetaucht sind. "Wenn wir den Fokus auf deutsche Rennfahrer in der Formel 1 legen, sieht es aber leider düster aus", sagt Andreas Richter.

Denn Zendeli musste die Formel-2-Saison 2021 kurz vor Saisonende abbrechen. Für David Beckmann ging es in derselben Klasse sechs Rennen vor Ende nicht mehr weiter. Beide teilen das gleiche Schicksal: Geldprobleme.

"Im Motorsport spielen viele Faktoren – zum Beispiel finanzielle und politische – eine Rolle, vor allem im Nachwuchsbereich."
Formel-E-Fahrer Maximilian Günther

"Es frustriert natürlich schon, wenn Leute, die absolut keine Ahnung haben, wo Gaspedal und Bremse sind, dann Formel-1-Tests fahren dürfen", sagte Zendeli in einem Interview mit Auto Motor Sport.

In Sachen Geld dürfte David Schumacher mit Vater Ralf im Rücken kein Problem haben. Er fuhr vergangenes Jahr noch in der Formel 3 und geht nun in der DTM für Mercedes AMG an den Start. Zudem wird er laut "Bild"_Zeitung auch in den Mercedes-AMG-Förderkader aufgenommen. Für ihn ist der Einstieg in die Formel 1 immer noch möglich – sollte er gute Leistungen in der DTM zeigen.

Vettel-Teamkollege Lance Stroll spannendes Beispiel

Ex-Formel-1-Fahrer Timo Glock kritisierte bereits 2019 in einem Gespräch mit der "Rheinischen Post", dass der Motorsport zu teuer geworden ist. Eine Entwicklung, die auch heute noch aktuell ist. Dabei gibt es aktuell zwei Typen junger Fahrer, die in die Formel 1 kommen.

Einerseits Fahrer wie den Kanadier Lance Stroll, der in dieser Saison Teamkollege von Sebastian Vettel bei Aston Martin ist. Formel-1-Experte Richter lobt den 24-Jährigen als einen starken Fahrer, "der auch in den Nachwuchsklassen dominant war und Erfolge verzeichnen konnte". So gewann er unter anderem die Formel 4 und die Formel 3 Meisterschaft. "Aber für andere Beobachter ist er nur der 'Sohn eines Multimilliardärs'", erzählt Richter.

Denn Strolls Vater ist ein kanadischer Mode-Tycoon, der seinen Sohn mit einem Förderprogramm in zweistelliger Millionenhöhe in die Formel 1 hievte. Aber auch dort stellt der Kanadier unter Beweis, dass er ein gewisses Talent besitzt.

Mick Schumachers Ex-Kollege Mazepin als Warnung

"Es gibt auch andere Fahrer, die sind tatsächlich nur wegen des Geldes in der Formel 1 oder in höheren Rennsport-Kategorien, ohne dass sie eine ähnliche Erfolgsbilanz vorweisen können", sagt Andreas Richter.

Einem, dem das immer vorgeworfen wurde, ist Mick Schumachers Ex-Teamkollege Nikita Mazepin, der trotz aller Kritik ein guter Rennfahrer sei. Der Vater des 23-Jährigen gehörte mit seinem russischen Bergbauunternehmen Uralkali zu den Hauptsponsoren des US-Rennstalls. Nach dem russischen Angriff auf die Ukraine trennte sich Haas von Mazepin und dem Sponsor noch vor Saisonbeginn.

Zwar sei er auch in den Nachwuchsklassen ein guter Rennfahrer gewesen, aber "Stroll hat Geld und Erfolg vor der Formel 1 gehabt, Mazepin nicht", bewertet der 59-Jährige.

Da es jedoch nur zehn Teams und 20 Fahrerplätze in der Formel 1 gibt, gibt es auch nicht genügend Platz für mögliche Talente, die aus den Nachwuchsklassen aufrücken. Zumal fast jedes Team sein eigenes Nachwuchsprogramm hat. So ist Mick Schumacher beispielsweise Teil der Ferrari Drivers Academy.

Maximilian Günther als Vorbild in der Formel E

Auch Maximilian Günther hatte den Traum von der Formel 1, doch musste schnell feststellen, dass Talent in der Formel 2 und Formel 3 allein nicht reichen.

"Im Motorsport spielen viele Faktoren – zum Beispiel finanzielle und politische – eine Rolle, vor allem im Nachwuchsbereich", sagte er Anfang Januar gegenüber speedweek.com.

Deshalb versuchte er gar nicht, in die Formel 1 zu kommen, sondern hatte schnell die Formel E als Ziel. "Weil es die Serie ist, die du durch deine Qualitäten erreichen kannst." Seit der Saison 2018/19 ist er in der Rennserie unterwegs.

Einen ähnlichen Weg geht nun auch David Beckmann. Er ist seit kurzem als Ersatz- und Testfahrer in der Formel E für das renommierte Team Andretti unterwegs und hofft, sich so für höhere Aufgaben zu empfehlen.

Regeländerungen sorgen für Hoffnung

Formel-1-Insider Richter setzt seine Hoffnung vor allem auf eine Regeländerung des Weltverbands FIA, die sich auch auf die Nachwuchsklassen Formel 2, 3 und 4 auswirkt. "Damit durch geringere Budgets auch wieder Talenten mit weniger Geld die Hoffnung gegeben wird aufzusteigen."

Laut Maximilian Günther würden sich aktuell vor allem die Teams in den Nachwuchsklassen über die Fahrer finanzieren, "und je größer die Serie, desto größer ist auch das Budget. Ein Traum wäre es, wenn sich die Teams über Sponsoren selbst finanzieren könnten. Das ist aber im Nachwuchs leider sehr unrealistisch."

Einen ersten Schritt in diese Richtung hat die Formel 1 bereits mit ihrer Budgetobergrenze in dieser Saison unternommen. "Dadurch gibt es wieder eine größere Chancengleichheit und es ist auch im Sinne der Fans, dass mal jemand anderes Weltmeister wird, sowohl bei den Teams als auch bei den Fahrern."

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