Quarterback Joe Burrow führte die Cincinnati Bengals in den Super Bowl. Bild: www.imago-images.de / Ian Johnson/Icon Sportswire
Analyse
Für Mortiz Böhringer ist ziemlich klar, wem er beim Super Bowl die Daumen drückt. Wenn die Cincinnati Bengals in der Nacht von Sonntag auf Montag auf die Los Angeles Rams treffen, wird Böhringer die Bengals anfeuern.
"Auf jeden Fall drücke ich den Bengals die Daumen, weil ich noch viele Leute kenne und es ist die bessere Geschichte." Schließlich sind sie das erste Mal seit den 1980er Jahren wieder im Endspiel um den NFL-Titel. Beide Super Bowls (1981 und 1988) verloren sie jedoch gegen die San Francisco 49ers.
"Wenn man noch nicht so viele schlechte Erfahrungen gemacht hat, fängt man nicht an darüber nachzudenken, was alles schieflaufen könnte."
Ex-NFL-Spieler Moritz Böhringer über die Vorteile für die Cincinnati Bengals
Böhringer selbst spielte von 2018 bis 2020 für das Team aus Ohio, schaffte jedoch nie den Sprung vom Trainingsteam in den 53-Mann-Spieltagskader. Als der 28-jährige Schwabe noch das Trikot der Bengals trug, haftete der Franchise ein Verliererimage an.
Doch das änderte sich schlagartig mit der Ankunft von Quarterback Joe Burrow. Cincinnati wählte den 25-Jährigen vor zwei Jahren an Position 1 im Talentedraft und macht damit alles richtig. Burrow macht nicht nur sein Team besser, sondern verbessert die Stimmung in der ganzen Stadt.
Ganze Stadt Cincinnati ist im
Bengals-Fieber
Böhringers Freundin lebt immer noch in der 300.000-Einwohner-Stadt im Norden der USA und berichtet von einem wahren Bengals-Hype, der in der Stadt ausgebrochen sei.
"Für so eine kleine Stadt ist es cool, komplett in den landesweiten Medien zu sein und Aufmerksamkeit zu bekommen." Ansonsten werde in den USA vor allem über die Teams in den großen Städten berichtet.
In Cincinnati sorgten die jüngsten Siege sogar dafür, dass sich immer mehr Einwohner mit dem Team identifizieren. "Viele, die davor nicht wirklich Fans waren, jubeln plötzlich für die Bengals", erzählt Böhringer.
Und auch beim Endspiel um den NFL-Titel werden, zahlreiche Fans im SoFi-Stadium in Los Angeles erwartet.
Aktuell spielt Moritz Böhringer wieder in Deutschland bei den Schwäbisch Hall Unicorns.Bild: www.imago-images.de / eu-images
Mangelnde Playoffs-Erfahrung als großer Pluspunkt
Mit ihrer starken Offensive, bestehend aus zahlreichen Jungstars, sorgen die Bengals auf dem Spielfeld für jede Menge Unterhaltung. "Es sind viele junge Spieler, die mit viel Spaß und locker an die Sache gehen. Nach dem Motto: 'Spielen wir einfach noch ein Spiel und gewinnen wieder'. Ich denke, dass das auf jeden Fall hilft."
Allein im Halbfinale gegen die Kansas City Chiefs lagen sie zur Halbzeit noch mit 10:28 zurück, holten den Rückstand bis zum Ende der regulären Spielzeit auf und gewannen schlussendlich in der Verlängerung.
Dass noch keiner der Akteure große Playoff-Erfahrung hat, könne laut Böhringer sogar ein Vorteil sein. "Wenn man noch nicht so viele schlechte Erfahrungen gemacht hat, fängt man nicht an darüber nachzudenken, was alles schieflaufen könnte."
Dabei lässt sich vor allem Quarterback Joe Burrow nur selten aus der Ruhe bringen. Selbst in Drucksituationen verfällt er selten in Panik und wirft den Ball unkontrolliert weg. In der US-Sportwelt bekam er deswegen bereits den Spitznamen "Joe Cool" verpasst.
Cincinnati mit guter Ausgangssituation für die kommenden Jahre
Doch Burrow ist nicht der einzige Jungstar in seinem Team, der aktuell überzeugt. Passempfänger Ja'Marr Chase spielt gerade einmal seine erste Saison in der NFL und liefert bereits atemberaubende Zahlen ab.
Der Vorteil: Er gewann mit Burrow bereits an der Louisana State University den nationalen College-Titel. Beide kennen sich seit Jahren und verstehen sich auf dem Feld blind. In der abgelaufenen regulären Saison fing Chase Pässe von Burrow für insgesamt 1455 Yards Raumgewinn. Damit landete der Passempfänger ligaweit auf Rang vier.
Ja'Marr Chase feiert mit den mitgereisten Bengals-Fans nach dem Super-Bowl-Einzug in Kansas. Bild: www.imago-images.de / Scott Winters/Icon Sportswire
Mit dem Duo aus Burrow (25 Jahre) und Chase (21) und weiteren Offensivstars wie Joe Mixon (25), der in der regulären Saison 16 Touchdowns erzielte und Tee Higgins (23), sowieso starken Defensivspielern wie Eli Apple (26), Tre Flowers (26) und Trey Hendrickson (27) haben sie einen erfolgversprechenden, jungen Kern zusammen.
"Die Ausgangssituation ist in den nächsten Jahren auf alle Fälle sehr gut", resümiert auch Moritz Böhringer. Doch er macht auch deutlich, dass ein Einzug in die Playoffs jedes Jahr schwer genug sei.
"Kommen während der Saison noch ein oder zwei Verletzte hinzu, rücken andere Spieler ins Rampenlicht und es kann es relativ schnell wieder vorbei sein", sagt der 28-Jährige.
Schutz für Quarterback Burrow fehlt häufig
Das entscheidende im Super Bowl wird laut Böhringer vor allem sein, wie gut die Teams ihren Quarterback vor der gegnerischen Defensive beschützen können.
Besonders bei den LA Rams gibts es mit Aaron Donald und Von Miller zwei Defensivspieler, die den Bengals wehtun können. Allein in der laufenden Saison wurde Quarterback Burrow 51-mal von der gegnerischen Defensive gesackt, also noch vor dem Passversuch zu Boden gebracht – so häufig wie kein anderer Quarterback in der NFL. Donald liegt in der regulären Saison mit 12,5 Sacks ligaweit auf Rang 7.
Joe Burrow wurde in dieser Situation von Tennessees Harold Landry gesackt.Bild: www.imago-images.de / DAVID TULIS
Doch genau in solchen Situationen lässt sich Burrow nicht aus der Ruhe bringen. Auch in der zweiten Playoff-Runde gegen Tennessee wurde der Quarterback in einer Partie neunmal zu Boden gebracht. "Negative Erlebnisse werfen ihn nicht zurück. Sei es sein Kreuzbandriss im vergangenen Jahr oder eben ein Rückstand und das zeigt, wie professionell er ist", sagt Böhringer.
Und so werden der 28-Jährige und die Fans der Cincinnati Bengals hoffen, dass Joe Burrow auch im Super Bowl wieder die Ruhe behält und sie zu ihrem ersten NFL-Titel führt.
Im Umfeld der meisten Vereine wird ein Donnerstag genutzt, um auf das anstehende Spiel am Wochenende vorauszuschauen, gegnerische Schwächen auszumachen und sich einzustimmen. Der FC Schalke 04 aber ist kein Verein wie die meisten anderen.