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Schalke 04: Stevens folgt auf Baum - Krise ist Folge jahrelangen Missmanagements

Gegen den SC Freiburg setzte es am Mittwoch ein 0:2. Trainer Manuel Baum wurde am Freitag beurlaubt.
Gegen den SC Freiburg setzte es am Mittwoch ein 0:2. Trainer Manuel Baum wurde am Freitag beurlaubt.Bild: SVEN SIMON / imago images
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Kurz vorm Negativrekord: Schalke 04 hat keine fußballerische Identität

constantin eckner
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Der FC Schalke 04 hat sich zum Sorgenkind der Bundesliga entwickelt. Wenn die Königsblauen in den nächsten Wochen nicht endlich gewinnen, dann werden sie sogar einen historischen Negativrekord aufstellen. Beim Revierklub passt es weder auf noch neben dem Rasen. Jetzt musste auch noch Trainer Manuel Baum gehen.
18.12.2020, 13:3818.12.2020, 15:53

Der FC Schalke 04 hat sich nach nur zehn Spielen von Trainer Manuel Baum getrennt. Jahrhundert-Coach Huub Stevens kehrt nun für zwei Spiele auf die Bank zurück und soll die Wende beim Tabellenletzten einleiten.

Die Krise bei den Gelsenkirchenern verschärfte sich nach der 0:2-Niederlage gegen den SC Freiburg am Mittwoch, sie brachte das Fass zum überlaufen und kostete Baum am Freitag den Job. Die Gründe für die missliche Lage beim traditionsreichen Ruhrpottklub liegen tief.

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Der Knurrer von Kerkrade soll den Karren aus dem Dreck ziehen: Huub Stevens übernimmt den FC Schalke 04.Bild: dpa / Rolf Vennenbernd

Baum konnte einem während seiner Amtszeit auf Schalke schon leidtun. Anfang der Saison durfte der 41-Jährige den FC Schalke 04 übernehmen, es sah aus wie der nächste Schritt auf der Karriereleiter des ehemaligen Augsburg-Trainers. Doch er kam mit den Königsblauen nicht voran.

Beim jüngsten 0:2 gegen den SC Freiburg war eine Szene in der zweiten Halbzeit zu beobachten: Seine Schalker hatten gerade das zweite Gegentor nach einem Konterangriff kassiert. Da wusste Baum wohl innerlich bereits, dass es wieder nicht zu einem Sieg und wahrscheinlich nicht einmal zu einem Punktgewinn reichen würde. Er ging für einen Moment nach vorn, griff sich an die Knie, als wolle er im nächsten Moment zu Boden sinken. Baum hielt sich auf den Beinen – ja keine Schwäche zeigen. Aber so richtig konnte der Schalker Cheftrainer seine Contenance nur noch schwerlich bewahren.

Krise auf Schalke: Die Konsequenz jahrelangen Missmanagements

Nunmehr 28 Spiele in Folge – saisonübergreifend gesehen – ist Schalke ohne Sieg. In dieser Saison gab es lediglich vier Remis in zwölf Partien. Das bedeutet zwangsläufig den letzten Tabellenplatz in der Bundesliga. Selbst der Rekord von Tasmania Berlin mit 31 sieglosen Partien ist mittlerweile in Gefahr. Während der Rest der Fußballrepublik in Schadenfreude schwelgt, ist auf Schalke niemandem mehr zum Lachen zumute.

Die Schalke-Bilanz in dieser Saison bisher: Vier Unentschieden, 7:24 Tore, letzter Tabellenplatz, allerhöchste Abstiegsgefahr.
Die Schalke-Bilanz in dieser Saison bisher: Vier Unentschieden, 7:24 Tore, letzter Tabellenplatz, allerhöchste Abstiegsgefahr. Bild: Maik Hölter/TEAM2sportphoto/Pool / imago images

Die Schalker haben mehr oder weniger verlernt, wie man offensiven Fußball spielt. In den vergangenen Wochen waren sie teils derart harmlos, dass die Gegner bedenkenlos Risiken eingehen konnten. Sie mussten von den Königsblauen nichts befürchten. Diese offensive Harmlosigkeit ist die Konsequenz jahrelangen Missmanagements.

Von der Trainerbank kam lange Zeit gar nicht der Impuls, den Schalkern ein effektives Angriffsspiel beizubringen. Unter den zwei Vorgängern Baums, Domenico Tedesco und David Wagner, stand vor allem die Defensive im Fokus. Schalke sollte intensiv verteidigen und dann mit langen Bällen von hinten heraus die gegnerische Abwehr überrumpeln. Das ging sogar eine Zeitlang gut: Tedesco wurde in seiner ersten Saison Zweiter, Wagner stand in der vergangenen Saison zur Winterpause auf Rang fünf.

Wieder verloren. Schalke 04 jagt den Negativrekord von Tasmania Berlin.
Wieder verloren. Schalke 04 jagt den Negativrekord von Tasmania Berlin. Bild: Tim Rehbein/RHR-FOTO/Pool / imago images

Doch jedes Mal erkannten die anderen Teams der Liga, wie sie Schalke beikommen konnten. Der königsblaue Konterfußball wurde ausanalysiert und anschließend neutralisiert. Die Sieglosserie begann Anfang dieses Jahres unter Wagner. Sie entwickelte sich über die Monate hinweg zu einem traurigen Schauspiel. Die Spieler am Ball wussten nicht wohin damit, und die Spieler ganz vorn rannten vergeblich durch die Offensivzonen.

S04-Kader hat Lücken, hinten wie vorn

Der nun entlassene Trainer Baum ist kein ausgewiesener Offensivspezialist, sondern seit seiner Augsburger Zeit eigentlich eher als Defensivexperte bekannt. Beim FCA erklärte er seinen Spielern oft minutiös, wie sie zu verteidigen hätten – teilweise derart komplex, dass nicht immer jeder folgen konnte. Auf Schalke musste er aber die offensiven PS wieder auf die Straße bringen.

Enttäuschung pur: Mark Uth weiß auch nicht weiter.
Enttäuschung pur: Mark Uth weiß auch nicht weiter.Bild: firo Sportphoto / imago images

Zu allem Überfluss waren diese PS der Schalker in den vergangenen Monaten aber noch einmal um einiges zurückgegangen. Der Klub konnte aufgrund der finanziellen Engpässe angesichts eines Schuldenbergs von über 200 Millionen Euro sehr wenig investieren. Für die Sturmspitze wurden vor Saisonbeginn Vedad Ibišević und Gonçalo Paciência verpflichtet. Ersterer wurde kürzlich freigestellt, letzterer ist schwer verletzt. So steht Schalke mehr oder weniger ohne Mittelstürmer da. Lediglich Fanliebling Ahmed Kutucu und Nachwuchstalent Matthew Hoppe verdienen das Label des Mittelstürmers, während Allzweckwaffe Mark Uth besser im offensiven Mittelfeld aufgehoben ist.

Am Mittwoch gegen Freiburg zeigten die Schalker im letzten Spiel unter Baum in der Spielgestaltung sogar einige Lebenszeichen. Der Ball lief recht flüssig durch die eigenen Reihen, die Innenverteidiger trauten sich mehr in der eigenen Spielhälfte, Sechser Omar Mascarell verteilte die Bälle. Doch immer wenn Schalke dann auf den Flügeln oder auch gelegentlich im Zentrum ersten Raumgewinn verzeichnete, erhöhte Freiburg den Druck.

Die Schalker zogen deshalb das Tempo an und spielten den Ball in letzter Instanz in die Spitze, wo aber mit Nassim Boujellab ein etatmäßiger zentraler Mittelfeldspieler stand. Der 21-Jährige tat sein Bestes, doch ein richtiger Zielspieler war er nur selten, was niemand ihm ankreiden kann.

FC Schalke 04 braucht eine spielerische Identität

Es klemmt in einigen Mannschaftsteilen, nicht nur im Sturmzentrum. Als Rechtsverteidiger musste Benjamin Stambouli zuletzt aushelfen, im Mittelfeld war der eigentlich schon aussortierte Nabil Bentaleb noch zeitweilig eine Option, und auf der Torwartposition spielten bereits verschiedene Spieler. Diese Probleme sind in gewisser Weise das Resultat der finanziellen Engpässe, aber auch einer inkohärenten sportlichen Planung.

Ozan Kabak (l.) und Benjamin Stambouli können nicht für defensive Stabilität sorgen.
Ozan Kabak (l.) und Benjamin Stambouli können nicht für defensive Stabilität sorgen.Bild: Maik Hölter/TEAM2sportphoto/Pool / imago images

Die vielen Umbrüche und ständigen personellen Wechsel im Management haben dafür gesorgt, dass Schalke nie eine langfristige Strategie entwickeln konnte. Einzig der Weg nach oben, zumeist durch Investitionen, die nicht wieder eingespielt werden konnten, wurde als langfristige Vision ausgegeben. Das genügt aber nicht. Schalke mag als Verein mit seinen über 100.000 Mitgliedern den Ruhrpott trotz aller Kommerzialisierung und Profivermarktung weiterhin verkörpern. Aber wofür steht Schalke als Fußballmannschaft?

Das kann wahrscheinlich nicht einmal jemand in Gelsenkirchen aus voller Überzeugung genau sagen.

Nun also wieder ein personeller Umbruch. Huub Stevens, der Knurrer von Kerkrade, soll es wieder richten. Der Niederländer, der schon dreimal Schalke-Trainer war. Einer, der den Klub und seine Identität kennt.

Alleine dadurch, und selbst wenn Stevens kurzfristigen Erfolg brächte, werden die tieferliegenden Probleme beim FC Schalke 04 aber nicht gelöst. Ein Vakuum an spielerischer Identität hat neben all den anderen Fehlentscheidungen und Unruhen im Verein zu jenem Schlamassel geführt, in dem sich Schalke aktuell befindet.

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