Der Formel-1-Bolide wartete schon, aber ein bisschen Zeit hatte Mick Schumacher noch vor dem Start – also fasste er die Bedeutung dieses Tages in aller Kürze selbst zusammen. "Für mich wird jetzt ein lebenslanger Traum wahr", sagte der 22-Jährige in Bahrain, sprang wenig später ins Cockpit, trat aufs Gas – und ist nun offiziell Teil der Königsklasse. Eine Hauptrolle spielte er in seinem ersten Rennen wie erwartet nicht. Im unterlegenen Haas sammelte er am Ende des Feldes Kilometer und Erfahrungen, erste Überrundungen und ein Dreher in der Anfangsphase gehörten dazu. Am Ende belegte Schumacher den 16. und letzten Rang.
Damit hat er sein erstes Ziel erreicht: Er wollte das Rennen zu Ende fahren. "Es wird nicht so sein, dass ich versuche, extrem aggressiv reinzugehen", hatte er zuvor betont. "Ich würde keine Dummheiten machen." Sein Vater Michael Schumacher war bei seinem Debüt 1991 in Bahrain nach einem technischen Defekt nicht mal einen Kilometer weit gekommen.
Mick Schumacher wollte sich auf die einfachen Dinge fokussieren und sich auf seine Stärken besinnen. Keine einfache Aufgabe, bei dem unglaublichen Druck, der laut Experten auf ihm lastet. Er ist eben nicht nur ein normaler Neuling in der Königsklasse des Motorsports, sondern der Sohn des Rekordweltmeisters. Sportpsychologe Thorsten Loch sagt:
Dabei ist es laut dem sportpsychologischen Berater besonders von Mick persönlich abhängig, wie viel Druck er tatsächlich vor einem Rennen verspürt. "Da ist die Frage, wie er die Situation selbst erlebt: 'Muss ich jetzt meinem Vater nachahmen oder sage ich, ich bin einfach der Mick und mache mein eigenes Ding?'", verrät er gegenüber watson. Dabei komme es nun für Schumacher darauf an, den Fokus auf das Wichtige nicht zu verlieren.
"Das Vertrauen und das Wissen um seine Stärken führen dazu, dass er loslassen kann und diese Fähigkeiten optimal im Hier und Jetzt ausspielen kann", erklärt Loch. "Wenn er aber anfängt nachzudenken, ist er in einem Konsequenzdenken und beschäftigt sich mich mit Dingen in der Zukunft, die er aber nur im Hier und Jetzt beeinflussen kann. Dann hat er schon verloren."
Immer wieder äußerten sich Experten, ehemalige Fahrer und Funktionäre zu ihren Erwartungen und verglichen Mick Schumacher mit seinem Vater. "Leute von außen wollen ihm dann etwas andichten, was zu dem Zeitpunkt aber unrealistisch für ihn ist", so Loch. Viel wichtiger sei es, dass sich Anspruch und Zielsetzung die Waage halten und er sich selbst reflektiert. Um das zu unterstützen, suchen sich Sportler auch häufig Personen aus ihrem engeren Umfeld, denen sie Kompetenz zuschreiben und auf deren Meinung sie vertrauen. Und weiter:
"Ich muss nicht alles jetzt sofort lernen", betonte auch Mick Schumacher auf der Pressekonferenz am Donnerstag. Er könne sich überlegen, welches die wichtigsten Sachen seien, sich diese vornehmen und nach und nach abhaken.
Und in seiner Entwicklung als junger Formel-1-Fahrer wird Mick Schumacher auch in den kommenden Rennen einige Fehler machen. "Aber Fehler bieten Entwicklungschancen und Entwicklung tut einfach weh", sagt Loch und zeigt zwei Handlungswege auf. "Entweder ich zweifle zu sehr an mir selbst oder ich zweifle gesund, frage mich, was ich verbessern muss und wie ich meine Stärken noch mehr einbringen kann."
Helfen kann dabei auch der konstruktive Austausch mit anderen, erfahrenen Sportlern. Daher könne Schumacher von einem Mentor wie Sebastian Vettel, der bereits alle Höhen und Tiefen in der Formel 1 erlebt hat, nur profitieren. "Da muss man das Rad nicht neu erfinden, sondern bei ähnlichen Fähigkeiten einfach schauen, wie man sie selbst einsetzen, verbessern oder sogar übertrumpfen kann."
Doch noch geht es darum, überhaupt ein erstes Rennen und eine ganze Saison zu fahren. Haas-Teamchef Günther Steiner gab seinem Team vor dem Grand Prix in Bahrain in einem Interview mit der "Süddeutschen Zeitung" bereits vor: "Sie sollen die Autos nach Hause bringen: so viel fahren wie nur möglich, inklusive das Rennen zu Ende." Das werde hart genug.
Auch Loch rät Schumacher, von Platzierungen oder bestimmten Ergebniszielen wegzukommen und sich auf gewisse Handlungsziele zu konzentrieren. "Wie beherrsche ich mein Auto? Wie läuft der Boxenstopp? Wie agiere ich beim Überholen?" Und sollte es dem 22-Jährigen gelingen, in diesen Bereichen dauerhaft gut zu performen, dann "ist die persönliche Bestleistung nur die logische Konsequenz".