Der "Neustart" des FC Bayern ist eine Reise zurück in die ruhmreiche Vergangenheit des Klubs. Uli Hoeneß war die ganze Zeit da. Jan-Christian Dreesen konnte zum Bleiben überredet werden und nun noch die für Lothar Matthäus "großartige Nachricht": Nicht etwa der Sky-Experte bekommt einen Job beim Deutschen Rekordmeister, sondern Karl-Heinz Rummenigge ist zurück.
Auf der Aufsichtsratssitzung am Dienstag wurde er in das Gremium berufen. Eigentlich sollte dort erst über die Zukunft von Vorstandsboss Kahn und Sportvorstand Salihamidžić beraten werden, doch diese Frage klärten die Münchner und ihre Ex-Bosse auf wenig charmante Art bereits am Samstagabend und Sonntagvormittag.
Die vergangene Saison beim FC Bayern war chaotisch. Der kommende Transfersommer könnte dem in nichts nachstehen. Die Hoffnungen ruhen jedoch auf Rückkehrer Rummenigge und ausgerechnet Trainer Thomas Tuchel, der vor einigen Tagen selbst noch nicht einmal wusste, wo seine Zukunft liegt.
Dass die Münchner in die wichtigste Transferphase seit Jahren ohne einen Sportvorstand oder Sportdirektor gehen, ist für den neuen CEO Dreesen kein Problem. Bereits 2016 hatten die Münchner nach dem Rücktritt von Matthias Sammer keinen Sportvorstand. "In der Zeit habe ich sehr intensiv mit Karl-Heinz Rummenigge das Transfergeschäft betrieben", sagte Dreesen bei seiner Vorstellung.
Bei der Suche nach einem Nachfolger wolle man sich Zeit lassen, laut Hoeneß notfalls sogar bis Weihnachten. Klar ist: Das wird nicht ohne Hoeneß' Segen passieren.
In Sachen Kaderplanung für die kommende Saison können sich die neuen, alten Bayern-Bosse jedoch keine Zeit lassen.
Wobei jedoch fraglich ist, wessen Handschrift die Mannschaft nach dem Sommer tragen wird und wie schnell sie ein möglicher Sportvorstand wieder korrigieren muss.
Mit der Entscheidung, dass Konrad Laimer von RB Leipzig nach München wechseln wird, hat Rummenigge noch nichts zu tun. Der österreichische Nationalspieler wurde vom Trio Kahn, Salihamidžić und Nagelsmann von einem Wechsel überzeugt. Alle drei sind mittlerweile entlassen.
Ob Tuchel viel mit einem weiteren ähnlichen Spielertypen wie Leon Goretzka und Ryan Gravenberch im zentralen Mittelfeld anfangen kann, ist fraglich.
Zudem drängt die Frage nach einem neuen Angreifer und einem weiteren Mittelfeldspieler wie dem englischen Nationalspieler Declan Rice, der den Münchnern mehr defensive Stabilität verleihen soll. Mit ihm und dessen Vater, der auch sein Berater ist, traf sich Salihamidžić laut "tz" bereits vor einigen Tagen. Ein Zeichen, dass der 46-Jährige seinen Abgang nicht kommen sah.
Fraglich, ob Rummenigge vom ehemaligen Sportchef noch eine Liste mit Spielern und Beratern bekommt, mit denen er sich in den vergangenen Wochen getroffen und verhandelt hat.
Und was passiert eigentlich mit den vier Torhütern Neuer, Sommer, Ulreich und Nübel?
Neben diesen offenen Fragen gilt es, den richtigen Umgang mit den unzufriedenen und abwanderungswilligen Stars hinzubekommen. Benjamin Pavard soll dem Klub laut diverser Medienberichte mitgeteilt haben, dass er gehen möchte. Auch der ausgeliehene João Cancelo wird die Münchner wieder verlassen. Der Vertrag von Daily Blind läuft aus und schnell ist auch die Abwehr dünn besetzt.
In der Offensive steht das größte Fragezeichen weiterhin hinter Sadio Mané. Mit seinen schwachen Leistungen und dem Schlag gegen Leroy Sané nach dem CL-Spiel gegen Manchester City gilt er eigentlich als Verkaufskandidat Nummer 1. Rummenigge, der ihn selbst einmal nach München holen wollte, könnte eine andere Meinung haben.
Und selbst sicher geglaubte Vertragsverlängerungen stehen nun auf extrem wackligen Beinen. Dort ist einmal Salihamidžićs Rekordeinkauf Lucas Hernández, den Tuchel als absoluten Führungsspieler in seinem Team sieht. Doch der verletzungsanfällige Verteidiger liebäugelt seit Tagen intensiv mit einem Wechsel zu Paris Saint-Germain.
Dann ist da noch Alphonso Davies, dessen Verlängerung über 2025 hinaus nun alles andere als sicher ist. Sein Berater Nedal Huoseh sagte zur "Bild"-Zeitung: "Es ist eine chaotische Zeit aktuell beim FC Bayern. Ich bin mir nicht sicher, was los ist und mit wem wir es zu tun haben werden. Es scheint zu viel Instabilität und Unsicherheit hinsichtlich der Richtung des Vereins zu geben."
Bei seinem Abschied 2021 freute sich Rummenigge auf den ersten Sommer-Urlaub ohne Transfer-Telefonate. Das wird sich nun ändern.
Wichtig wird, wie gut er mit Tuchel harmoniert, den er schon zu seiner Vorstandszeit gerne als Trainer nach München geholt hätte. Tuchel, der sich seine ersten Bayern-Monate nach dem Blitzeinstieg Ende März auch ganz anders ausgemalt hatte, will in der kommenden Spielzeit wieder Fußball und Siege liefern, denen das Gütesiegel "Bayern-like" anhaftet. "Wir werden versuchen, uns bestmöglich vorzubereiten in der Transferphase", kündigte er an.
Klar, Rummenigge ist weiterhin gut vernetzt, war jedoch mehr als zwei Jahre nicht mehr im aktiven Transfergeschäft involviert. Nun muss er innerhalb kürzester Zeit eine zukunftsfähige Mannschaft zusammenbauen. Um auch international wieder konkurrenzfähig zu sein, müssen die Transfers im Sommer sitzen. Dass dabei nicht immer nur namhafte Spieler helfen, dürfte die größte Lehre der vergangenen Saison sein.
Daher ist es umso wichtiger, dass Tuchel und Rummenigge schnellstmöglich herausfinden, warum diese von großen Namen gespickte Mannschaft nie zu einer Einheit wurde.
(mit Material der dpa)