Zurück blieben ratlose, teils verzweifelte Vereine, die nicht wissen, wie sie den Winter überstehen sollen.
In den vergangenen Tagen und Wochen kamen die Ministerpräsident:innen der Länder – sowohl mit als auch ohne Bundeskanzler Olaf Scholz – zu mehreren Treffen zusammen. Es sollte über konkrete Hilfen in der Energiekrise gesprochen werden. Vor allem die Verantwortlichen und Mitglieder von Deutschlands Sportvereinen und -verbänden blickten angespannt auf die Treffen. Denn es ging um Geld. Bei einigen Vereinen sogar um die Existenz.
Beim dritten Entlastungspaket der Bundesregierung wurden Sportvereine nicht berücksichtigt. Das sollte sich nicht wiederholen. Doch ein Fortschritt in den Verhandlungen oder gar konkrete Hilfen für die Vereine wurde weiterhin nicht erzielt. Die Treffen waren dahingehend ergebnislos. Das nächste Bund-Länder-Treffen soll am 2. November stattfinden. Für die Vereine heißt es dann wieder: hoffen.
"In der Geschäftsstelle achten wir sehr darauf, jeglichen Strom einzusparen", sagt Marc-Philipp Quandt, Verantwortlicher für Spieltage und Training des Breitensports bei Viktoria Berlin, im Gespräch mit watson.
Viktoria Berlin ist der größte Fußballklub Deutschlands. "In keinem Verein Deutschlands spielen mehr Menschen Fußball. Wir haben 68 Mannschaften am Start", sagt Gesellschafter Zeljko Karajica in einer zweiteiligen Dokumentation der ARD "Sportschau".
Bei den Mitgliedern des Vereins gebe es mit Blick auf das Energiesparen ein erhöhtes Bewusstsein, erklärt Quandt: "Unsere Spieler achten beispielsweise stark darauf, immer das Licht beim Verlassen des Raums auszumachen." Dazu würde der Verein sie auch verstärkt motivieren.
Bundesweit haben sich die Kosten für Strom und Gas für Vereine vervierfacht, teils sogar bis zu verzehnfacht. Das Problem: Einige Sportvereine erhalten keine Strom-Verträge mehr, da die Anbieter keine festen Preise mehr garantieren wollen. Deshalb müssen immer mehr Vereine den Strom zum Tagespreis vom Terminmarkt kaufen. Vor allem bei energieintensiven Sportarten, wie beispielsweise Eishockey, kann das die Existenz des Vereins bedrohen.
Deshalb heize beispielsweise Viktoria Berlin in den Räumlichkeiten auch nicht mehr über Nacht. Allerdings fällt bei vielen Vereinen ein im Winter essenzieller Bestandteil des Trainings und der Spiele bei der Stromrechnung stärker ins Gewicht: das Flutlicht. Von Einsparungen in diesem Bereich weiß Quandt bisher nichts. Der Verein hat darauf in diesem und auch vielen anderen Fällen wenig Einfluss, denn die Flächen werden häufig von den Kommunen oder wie in Berlin vom Senat verwaltet. Das zuständige Sportamt Steglitz-Zehlendorf betont auf watson-Anfrage, dass die erarbeiteten Einsparmaßnahmen nicht zu Einschränkungen im Trainingsbetrieb führen würden.
Auch im Fall der Gemeinde Kirchdorf an der Amper in Bayern werden die Sportplätze von der Kommune verwaltet, der SC Kirchdorf hat sie gepachtet. Der Verein nimmt in Deutschland beim Thema Energiesparen eine Vorreiter-Rolle ein. Doch im Extremfall könnte der SCK trotzdem auf die Beiträge der Mitglieder angewiesen sein. "Die Mitgliedsbeiträge anzupassen, wäre der nächste Schritt", sagt Stefan Lohmeier, Fußball-Abteilungsleiter des SCK, im Gespräch mit watson.
Allerdings rechnet der 31-Jährige vorerst mit keinen erhöhten finanziellen Belastungen für den Verein. "Wir haben bereits Ende letztes Jahres auf LED-Flutlicht umgestellt", erklärt Lohmeier. Das kann laut DFB-Angaben 30 bis 50 Prozent Strom sparen. Zusätzlich könne es gedimmt werden, um noch mehr Strom zu sparen, sagt Lohmeier. Außerdem seien die Öl-Tanks des Vereins gefüllt – ein Problem gebe es erst, wenn diese zu erheblich höheren Preisen wieder aufgefüllt werden müssten.
Der SCK beschäftigt sich sogar mit der Anschaffung einer Photovoltaik-Anlage. "Platz genug wäre auf dem Dach", sagt Lohmeier. Allerdings müsste dazu das Vereinsdach erst saniert werden und sowohl das als auch die Photovoltaik-Anlage koste immens Geld.
"Im Hallensport sind die Einspar-Potenziale gering", sagt Uwe Gerlsbeck, Bürgermeister der Gemeinde Kirchdorf an der Amper, gegenüber watson. Trotzdem spare die Kommune, wo es möglich ist. Auch in der Sporthalle, in der unter anderem Handball-Trainings stattfinden, habe Kirchdorf im vergangenen Jahr LED-Licht installiert und es werde nur auf einem Minimum geheizt. Beim Thema Duschen sieht Gerlsbeck allerdings wenig Möglichkeiten für Einschränkungen. "Hier würde ich es halten, wie zu Hause: kürzer und das Wasser nicht durchgehend laufen lassen", sagt er.
Würden die Sportämter und Gemeinden beschließen, die Flutlicht-Zeiten zu verkürzen, würde das den Trainingsbetrieb erheblich einschränken. Nach dem Lockdown für Sport in der Corona-Pandemie wäre das der nächste Rückschlag im Training der Mannschaften und die nächste potenzielle Krise für die Vereine. Marc-Philipp Quandt habe die Befürchtung, dass die Regierung sie auch hier mit den Worten "Wir haben keinen Strom mehr, lasst euch was einfallen", im Regen stehen lassen werde.
Dabei gehe es vor allem unter der Woche um die Trainingsmöglichkeiten. In den meisten Amateursportvereinen beginnen die Trainings-Einheiten erst gegen 16 Uhr, da die Mitglieder tagsüber auf der Arbeit, in der Schule oder der Uni sind. Zu dieser Uhrzeit wird im Herbst bereits Flutlicht benötigt. Wird das dann beispielsweise gegen 21 Uhr statt 21.30 Uhr abgeschaltet, fehlt den Teams wertvolle Trainingszeit. Quandt betont deshalb: "Bei Flutlicht-Training innerhalb der Woche kann man keine Einsparungen machen – bei den Spielen am Wochenende allerdings schon." Denn hier könnten die Spielzeiten vorverlegt werden.
Weiteres Sparpotenzial gebe es bei der viel diskutierten Rasenheizung der Profi-Sportvereine. Im September veröffentlichte der Viertligist SV Babelsberg 03 zu diesem Thema einen offenen Brief an DFL und DFB sowie an die regionalen Fußballverbände. "Der Betrieb von Rasenheizungen ist eine Verschwendung von Ressourcen, die wir uns nicht mehr leisten können", heißt es darin. Der Verein fordert ein Aussetzen des Betriebs von Rasenheizungen und eine Streichung der Auflage zur Installation von Rasenheizungen für Vereine, die in die dritte Liga aufsteigen.
Doch zahlreiche Vereine, denen solche Probleme fern sind, schlagen jetzt schon Alarm: Sie können die steigenden Kosten für Energie nicht mehr tragen. Das Resultat: Bei einigen gibt es nur noch kaltes Wasser, andere ziehen ihre Trainings vor, um die Flutlicht-Zeiten zu verkürzen.
Der DOSB hat hierfür einen Maßnahmen-Katalog erarbeitet, um die Vereine zum Energie-Sparen aufzurufen. Doch die Realität zeigt: Viele Vereine sind schon am Limit und sparen bereits ein, wo es geht. Benötigt wird jetzt die Hilfe der Regierung. "Bei den Energiespar-Maßnahmen darf der Breitensport nicht vergessen werden", betont Stefan Lohmeier.