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Nachwuchs-Fußball: Die Suche nach den Stars von morgen – internationale Turniere

Die U17 von Olympique Marseille gewann den Youngster Cup in Berlin.
Die U17 von Olympique Marseille gewann den Youngster Cup in Berlin.Bild: IMAGO / Matthias Koch / IMAGO / Matthias Koch
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Auf der Suche nach den Stars von morgen: Die Rolle von internationalen Jugendturnieren im Fußball

01.08.2022, 16:2801.08.2022, 18:42
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Ziel: Fußball-Profi. Für viele junge Kinder ist das der Lebenstraum.

Wahr wird er allerdings am Ende nur für die wenigsten. 2019 gab die Deutsche Fußball Liga (DFL) eine Statistik heraus, die verdeutlicht, wie gering die Wahrscheinlichkeit ist. Von 5588 Spielern in den Nachwuchsleistungszentren (NLZ) schaffen es letztlich 70 in eine Profimannschaft – das sind gerade mal zwischen 1,2 Prozent und 1,3 Prozent.

Trotzdem betreiben europaweit Fußball-Vereine ihre Nachwuchsakademien in der Hoffnung, den nächsten großen Superstar zu finden. Die möglichen Superstars von morgen zeigen sich in den heimischen Ligen oder bei internationalen Turnieren. Am vergangenen Wochenende fand eines dieser Turniere in Berlin statt: der Youngster Cup in Berlin der Euroyouth Series organisiert von der Deutschen Fußball Agentur.

"Es läuft hier alles viel schneller ab, auch vom physischen ist das eine ganz andere Nummer."
Mario Cantaluppi, U17-Trainer vom FC Basel

Insgesamt neun europäische U17-Top-Teams wie der FC Bayern, Olympique Marseille, oder Borussia Dortmund waren am Start. Die Teams zeigten ihr Können und lockten Familie, Trainer, Scouts und Nationaltrainer in die Alte Försterei, dem Stadion von Union Berlin.

Watson war vor Ort dabei und hat mit den verschiedenen Akteuren darüber gesprochen, welche Perspektiven und Interessen es im Nachwuchsfußball gibt.

Großer Aufwand für die Eltern

Beim Turnier im Stadion von Union-Berlin stach besonders eine Gruppe hervor: die Eltern vom FC Basel. Der Großteil saß im Basel-Trikot zusammengehäuft auf der Haupttribüne und feuerte die eigenen Kinder lautstark an.

Eines der Elternteile ist Frasher Bashaj. Sein Sohn Sami spielt seit fünf Jahren für Basel. Er ist Kapitän der U17 und spielt auch in der Schweizer Nationalmannschaft. Frasher begleitet seinen Nachwuchs ständig und erklärt gegenüber watson: "Ich fahre immer hinterher. Seit fünf Jahren bin ich immer dabei – egal, ob er mit der Nationalmannschaft unterwegs ist oder mit dem FC Basel."

Frasher Bashaj ist der Vater vom Baseler U17-Kapitän Sami Bashaj.
Frasher Bashaj ist der Vater vom Baseler U17-Kapitän Sami Bashaj.Bild: nikolai stübner / watson

Das koste nicht nur Geld, sondern raube auch enorm viel Zeit. Ungefähr alle zwei Monate sei ein größeres Turnier im Ausland, zuletzt war er in Schweden und Dänemark. Der Klempner und Heizungsmonteur kann diese Flexibilität nur gewähren, weil er einen verständnisvollen Chef hat: "Ich arbeite seit 25 Jahren im gleichen Unternehmen und habe ein gutes Verhältnis zu meinem Vorgesetzten. Bei großen Turnieren nehme ich mir frei und hole den Arbeitstag an einem Samstag nach, wenn kein Spiel ist."

Bashaj sagt über den Vergleich mit internationalen U17-Mannschaften: "Es ist ein riesiger Unterschied, die Gegner sind dort viel stärker als bei uns." In der Schweiz gewinne die Baseler Jugendabteilung, für gewöhnlich die Spiele souverän. Ähnlich wie die Profimannschaft des FC Basel. Daher seien die internationalen Spiele sehr wichtig, um sich zu messen.

Gleichzeitig schätzt Bashaj auch, dass es schwer für seinen Sohn wird, sein Profi-Debüt beim FC Basel zu feiern. Viel mehr hoffe der Vater, dass sein Sohn den Schritt ins Ausland schafft. Bashaj hofft darauf, dass sein Sohn den Schritt in die Bundesliga eines Tages schafft. Wie seine Landsmänner Yann Sommer, Manuel Akanji, Nico Elvedi oder Denis Zakaria.

Andererseits weiß der Vater aber auch um die Schnelllebigkeit im Fußballgeschäft. Eine schlimme Verletzung und der Traum einer Profi-Karriere könnte vorbei sei: "Das weiß auch Sami. Fußball ist schön und es wäre super, wenn es klappt. Es kann aber auch schnell nach hinten losgehen, deshalb steht die schulische Ausbildung im Vordergrund."

Die Scouts als Entdecker

Spieler, die bei internationalen Turnieren wie dem Youngster Cup teilnehmen, haben es schon in die Nachwuchsakademie von Profi-Klubs geschafft – das ist auf dem Weg zu einer Profi-Karriere aber nicht mehr als der erste Schritt. Denn: Auch am Wochenende waren zahlreiche Scouts in Berlin. Der Großteil der Bundesliga-Klubs schickte jeweils mindestens einen Beobachter, aber auch internationale Top-Vereine wie PSV-Eindhoven schauten sich die Spiele an.

"Wir stellen in den vergangenen Jahren fest, dass unsere Jungs in der Entwicklung etwas Zeit brauchen."
U19-Nationaltrainer Guido Streichsbier

Dabei geht es in erster Linie darum, die Spieler für die Zukunft zu scouten. Ein Transfer noch im aktuellen Sommer ist quasi ausgeschlossen. Bereits jetzt werden mögliche Wechsel für den Sommer 2023 vorbereitet. Spieler werden tiefergehend beobachtet, aber auch eine erste Sichtung findet statt. Interessant für die Scouts ist auch, wie sich Spieler in einem neuen Team oder im neuen Jahrgang einfinden.

Die Trainer als Förderer

Eine andere wichtige Rolle kommt den Trainern der Jugendmannschaften zu. Sie entscheiden, auf welche Spieler sie setzen und geben ihren Schützlingen dadurch die Chance, sich zu zeigen.

Besonders die Vergleiche mit internationalen Top-Teams sind wichtig, um sich europaweit zu präsentieren. Gleichzeitig lernen auch die Trainer von den Teams aus anderen Ländern. Mario Cantaluppi ist einer dieser Coaches. Er leitet die U17 des FC Basel und erklärt die Unterschiede zu Partien gegen Schweizer Gegner: "Es läuft hier alles viel schneller ab, auch vom physischen ist das eine ganz andere Nummer. Wir sind an unsere Grenzen gestoßen und merken, dass wir noch viel arbeiten müssen."

Mario Cantaluppi ist der aktuelle U17-Trainer vom FC Basel.
Mario Cantaluppi ist der aktuelle U17-Trainer vom FC Basel.Bild: IMAGO / Pius Koller / IMAGO / Pius Koller

Allerdings stellt er auch fest, dass sich Eigenschaften, durch die sich einige Länder jahrelang ausgezeichnet haben, angepasst haben. "Früher hätte ich gesagt, dass die Deutschen kräftemäßig und von der Physis stärker sind und die Portugiesen, Franzosen und Spanier technisch besser. Das hat sich aber in jeder Hinsicht angepasst und angeglichen", erklärt der ehemalige Profi vom 1. FC Nürnberg.

Trotzdem merke er, dass besonders für das Baseler Team die Vergleiche mit Klubs aus anderen Ländern enorm wichtig seien: "Wir probieren immer wieder international zu spielen, aber wir können nicht jedes Wochenende unterwegs sein, weil wir die Meisterschaft haben und die Jungs noch keine Profis sind. Aber wir würden lieber noch öfter international spielen."

Nationaltrainer zuständig für die Besten eines Jahrgangs

Ein weiterer Beobachter, der sich Sonntag in Berlin unter die Zuschauer gemischt hat, ist Guido Streichsbier. Seit nun acht Jahren betreut er verschiedene Jugend-Nationalmannschaften beim DFB. Aktuell ist er der U19-Nationalmannschaft zugeteilt.

Er ist also nicht für die U17 des Youngster Cups zuständig. Trotzdem macht er sich ein Bild von den nationalen und internationalen Talenten: "Es kommt vor, dass ein Spieler aus einem jüngeren Jahrgang auch bei uns in der U19 spielt. Da ist es gut, wenn man ihn schon vorher einmal gesehen hat und einen Überblick hat."

Guido Streichsbier ist seit 2018 U19-Nationaltrainer beim DFB.
Guido Streichsbier ist U19-Nationaltrainer beim DFB.Bild: IMAGO / Sportfoto Rudel / IMAGO / Sportfoto RudelIMAGO / Sportfoto Rudel

Der 52-Jährige kennt vor allem die Perspektive der Jugendtrainer, da er selbst beim 1. FC Kaiserslautern und der TSG Hoffenheim im Vereinsfußball tätig war: "Für die Trainer sind solche Testturniere vor der Saison gut, weil es eine Standortbestimmung ist."

Am Ende gewinnt in Berlin Olympique Marseille das Finale gegen Hertha BSC. Im Elfmeterschießen setzen sich die Franzosen (4:3) durch. Dass ausgerechnet Marseille gewinnt, passt für Streichsbier ins Bild.

Er hat besonders im Vergleich zu den deutschen Jugendspielern einige Unterschiede bemerkt: "Wir stellen in den vergangenen Jahren fest, dass unsere Jungs in der Entwicklung etwas Zeit brauchen." Er meine nicht die körperliche Komponente. Vielmehr gehe es um die Spielschnelligkeit. "Da waren Marseille und Benfica während des Turniers besser als die deutschen Teams."

In knapp vier Wochen geht es für alle Akteure zur Euroyouth Series zum nächsten Event. Dann findet bei München ein internationales U16-Turnier statt, zu dem Eltern, Scouts, Trainer und Nationaltrainer anreisen werden, um dort vielleicht den nächsten Superstar zu entdecken.

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Zu weit wollte sich Max Eberl noch nicht aus dem Fenster lehnen. Vor dem 5:1-Sieg der Münchner bei Union Berlin am Samstagabend erklärte er jedoch, dass die Trainersuche der Münchner in "guten Zügen" sei und er hoffe, "dass wir da bald weiter sind", sagte er bei Sky.

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