Felix Kroos rät Herthas Kennet Eichhorn von schnellem Bayern-Wechsel ab
watson: Vor Saisonstart hast du Hertha als Favoriten und Bochum in den Top 3 gesehen. Hast du dich so sehr geirrt oder sind beide Klubs wie ein guter Wein?
Felix Kroos: Das Tippen der zweiten Liga ist unfassbar schwierig, weil sie unvorhersehbar ist. Ich war aber auch nicht der Einzige, der die beiden auf dem Zettel hatte.
Siehst du beide Teams am Ende der Saison weiterhin in den Top 3?
Hertha ist mittlerweile in Schlagdistanz, mit einer Serie ist man in der Liga wieder oben dran. Wenn in Bochum kein Trainereffekt eintritt, steckt der VfL im Abstiegskampf. Da rauszukommen, ist schwierig.
Und wenn Bochum unter Uwe Rösler doch die schnelle Trendwende gelingt?
Mit einer Serie kann man nach oben aufschließen, dafür ist die Saison noch jung genug. Mir fehlt aktuell aber die Fantasie, wie das dem VfL gelingen soll. Von daher sehe ich Bochum nicht mehr ins Aufstiegsrennen eingreifen.
Bochum hat bereits sieben Niederlagen kassiert, sechsmal aber mit nur einem Tor Unterschied verloren. Ist Pech ein Faktor?
Sieben Niederlagen sind eine Ansage, da ist das exakte Ergebnis jedes einzelnen Spiels auch egal. Wenn du so oft verlierst, fehlt etwas. Da kann man sich nichts schönreden, das ist alarmierend. Von der Offensive habe ich mehr erwartet, aber die Bochumer schießen zu wenig Tore.
Nun übernimmt Rösler. Ist er der Richtige für die Aufgabe?
Ich möchte einen Trainer nicht vorab beurteilen, er sollte seine Chance bekommen. Ich habe das beste Beispiel mit Urs Fischer erlebt, den ich vorher gar nicht kannte. Wie sollte ich den vorher beurteilen? Und wie soll ich nun Rösler beurteilen, unter dem ich nie trainiert habe?
Geschäftsführer Ilja Kaenzig hat Röslers Erfahrung und Autorität betont. Gelten diese Punkte nicht auch für Dieter Hecking?
Ilja Kaenzig wird beobachtet haben, was beim alten Trainer gefehlt hat. Von außen betrachtet kann ich mir bei Hecking kein Autoritätsproblem vorstellen. Vielleicht hat Kaenzig das anders wahrgenommen. Rösler hat auf jeden Fall auch etwas vorzuweisen. Er braucht nun aber auch ein Ergebnis.
Er startet gegen formverbesserte Berliner, die drei der jüngsten vier Partien gewonnen haben. Hat Hertha die Kurve bekommen?
Es ist noch zu früh, um das zu sagen. Ich dachte auch schon nach dem 3:0 in Hannover, dass Hertha die Kurve bekommen hat. Dann folgte aber das Spiel gegen Paderborn, das sie zuhause verloren haben. Momentan sehe ich Hertha trotzdem vor Bochum, die Tendenz geht in die richtige Richtung.
In den ersten Spielen waren gerade im Aufbau- und im Offensivspiel wenig zielführende Abläufe erkennbar.
Aufbauspiel ist in der zweiten Liga gar nicht das große Thema. Viel wichtiger ist es, eine Gemeinschaft auf dem Feld zu haben. Dass ein Rädchen ins andere greift, gerade defensiv. Wichtig ist, dass man eine Handschrift des Trainers erkennt. Das war bisher nicht der Fall.
Gegen Münster hat Hertha die beste Saisonleistung gezeigt. Ist dieser laufintensive, auf hohe Ballgewinne ausgerichtete Stil der perfekte Fit für das Team und die Liga?
Die Laufleistung ist eine Grundvoraussetzung für die Liga. Es ist der erste Fehler, dass man das anpacken muss. Ich bin ein großer Freund von hohen Ballgewinnen. Die Qualität für das saubere Aufbauspiel ist in der Liga oftmals nicht da, mit gutem Pressing kann man dann zuschlagen.
Worauf kommt es noch an?
Entscheidend ist die Konstanz: Laufleistung, Intensität und Basics müssen immer gezeigt werden. Dann kannst du darüber hinaus Dinge spielerisch und mit individueller Klasse lösen. Wenn die Berliner das machen, sind sie besser als ihre Gegner. Wenn sie das nicht bringen, sind sie schlechter.
Auswärts bekommt Hertha mehr Konstanz in die Ergebnisse. Warum klappt es in der Fremde besser?
Es ist so schön, dass man nicht alles erklären kann. Ich könnte es aufs Stadion schieben, aber das kann ich gar nicht beurteilen. An mangelnder Unterstützung liegt es nicht. Eine solche Geschichte entwickelt sich manchmal.
Viel geredet wird auch über Fabian Reese, der nun wieder auf dem linken Flügel spielt. Ist er dort besser aufgehoben als im Zentrum?
Aktuell sehe ich ihn dort besser aufgehoben, ja. Er ist auch einer der besten Vorlagengeber der Liga, arbeitet viel für die Mannschaft, initiiert Angriffe. Er hat auch ohne Tore einen großen Impact.
Wie bewertest du seine bisherige Saison?
Ich sehe ihn überhaupt nicht negativ. Er trägt als Kapitän viel Verantwortung, erarbeitet sich Sachen. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis er explodiert. Wenn er zündet, kann Hertha eine Serie starten und oben eine große Rolle spielen.
Gegen Münster haderte er auf dem Platz mehrfach, wenn Mitspieler Großchancen ausließen. Nimmt das negativen Einfluss auf seine Mitspieler?
Er ist im Herzen Stürmer und will Tore sehen. Er will aber auch den Erfolg für die Mannschaft, er will sie zum Aufstieg führen. Wenn du so kurz vor einem Treffer stehst, kommen die Emotionen heraus. Das wollen wir doch sehen, das ist ein positives Zeichen. Das können dann auch seine Mitspieler nachempfinden. Es gehört dazu, dass ein Spieler das mal rauslässt.
Auch Kennet Eichhorn steht besonders im Fokus.
Es ist der Wahnsinn. Das muss ein Vorbild für viele deutsche Vereine sein, mehr auf die Talente zu setzen. Dieser Mut, jungen deutschen Spielern Einsätze zu geben, fehlt mir bei vielen anderen Vereinen.
Wie sehr beeindruckt dich der 16-Jährige?
Wie Eichhorn spielt, finde ich bemerkenswert. Er strahlt Ruhe aus, sammelt wertvolle Erfahrungen und darf Fehler machen. Er hat die Qualität, trotzdem wird er irgendwann auch mal wieder draußen sitzen. Du musst einem so jungen Spieler hin und wieder eine Pause geben, weil es für den Kopf viel ist.
Er wird schon mit deinem Bruder verglichen.
Ich bin kein Freund von derartigen Vergleichen, jeder sollte für sich selbst stehen. Der Spieler, den so etwas betrifft, will das auch gar nicht hören. Vergleiche, ich kenne das leider, sind nie hilfreich. Es mag sich wie ein Lob anhören, aber jeder muss seinen eigenen Weg gehen.
Schon jetzt sollen viele Bundesligisten Eichhorn beobachten. Was ist das Beste für seine Zukunft?
Auch das ist so schön am Fußball: Es gibt nicht den einen richtigen Weg, es gibt kein Patentrezept. Und doch sollte Eichhorn, er ist mit seinen 16 Jahren schließlich ein spezieller Fall, in seinem gewohnten Umfeld bleiben. Das hat ihn dorthin gebracht, wo er jetzt ist. Ein Schritt zu den Bayern oder zum BVB käme in den nächsten zwei bis vier Jahren zu früh. Ich hoffe, dass er sich noch ein paar Jahre bei Hertha entwickelt. Letztlich kann man im Fußball aber nichts planen.
Laut "Transfermarkt.de" ist Eichhorn mit einem Marktwert von sechs Millionen Euro schon jetzt der wertvollste Spieler der 2. Liga. Ab welcher Summe hat Hertha keine andere Wahl, als ein Angebot anzunehmen?
Wenn es gut läuft, Eichhorn noch zwei oder drei Jahre da ist, kann man aus den sechs Millionen auch 60 Millionen Euro machen. Das wäre für die Bücher in Berlin noch besser. Und bei den Summen, die heute im Umlauf sind, wären sechs Millionen auch etwas wenig.
Zum Abschluss sind noch einmal deine Tippqualitäten gefragt: Wie geht das Duell zwischen Bochum und Hertha aus?
Hertha bestätigt die Tendenz und setzt sich in einem torreichen Spiel mit 3:2 durch.