Pierre-Emerick Aubameyang dürfte sich Anfang November gefreut haben. Schließlich sorgte die Auslosung des Champions-League-Achtelfinals dafür, dass sein Team am Mittwoch auf seinen Ex-Klub Borussia Dortmund trifft.
Unter Thomas Tuchel wurde er mit dem BVB in der Saison 2016/17 Pokalsieger und mit 31 Treffern der letzte Torschützenkönig in der Bundesliga, der nicht Robert Lewandowski hieß.
Doch Aubameyang wird am Mittwochabend weder auf dem Platz stehen, noch auf der Bank sitzen – er wurde aus dem Champions-League-Kader der Blues gestrichen. Der Stürmer wurde, ähnlich wie sein ehemaliger Trainer Thomas Tuchel, Opfer von Chelseas Milliardenoffensive rund um den neuen Besitzer Todd Boehly.
Die ganze Fußball-Welt frag sich seit Wochen: Wie kann das eigentlich, trotz der Uefa-Regeln zu finanzieller Nachhaltigkeit, funktionieren?
Schon unter Thomas Tuchel holte Chelsea im vergangenen Sommer acht neue Spieler für über 281 Millionen Euro.
Mit Tuchels Entlassung im September und dem neuen Trainer Graham Potter wurde dem ganzen jedoch die vorläufige Krone aufgesetzt. Für den neuen Coach zahlte Chelsea 24 Millionen Euro Ablöse an Brighton Hove & Albion, um dann im Wintertransferfenster nochmal richtig zuzuschlagen.
Im Winter waren es dann noch einmal 330 Millionen Euro, die die Blues für sieben neue Spieler zahlten. Insgesamt hat Chelsea so über 600 Millionen Euro an Transferausgaben verzeichnet.
Bei der Vielzahl an Spielern kann man leicht den Überblick verlieren. Zumal nur drei Akteure für die Champions League nachgemeldet werden durften. So witzelte auch BVB-Coach Edin Terzić auf der Pressekonferenz vor der Partie: "Man weiß nicht genau, in welcher Aufstellung sie hier auftreten werden."
Das Problem: Potter braucht Zeit, um der Mannschaft seine Spielidee zu vermitteln. Das Team ist nicht gerade erfolgreicher als unter Tuchel, der mit Chelsea 2021 immerhin die Champions League gewann.
Gegen den formstarken BVB ist Chelsea also alles andere als der Favorit, in der Liga sieht die Situation noch düsterer aus. Lediglich Platz zehn, zehn Punkte Rückstand auf den Champions-League-Platz vier.
Gelingt die Qualifikation für die Königsklasse nicht, verpassen die Londonern wichtige Einnahmen, die eine Teilnahme im neuen Modus mit sich bringen würde.
Um dem zumindest etwas vorzubeugen, bedienten sich die Chelsea-Bosse bei den Neuverpflichtungen aber eines einfachen Tricks, um die Finanzregeln der Uefa auszuhebeln.
So unterschrieben zahlreiche Neuzugänge Verträge mit Laufzeiten bis 2029 oder 2030. Die beiden Top-Neuzugänge und Offensivstars Mykhaylo Mudryk und Weltmeister Enzo Fernández unterschrieben sogar bis 2031.
Der Vorteil: Chelsea kann die jeweiligen Transfersummen so über die Vertragslaufzeit abschreiben. In den Bilanzen wird Fernandez somit nicht mit der Ablöse von über 120 Millionen Euro gelistet, sondern kostet im Durchschnitt nur knapp 14 Millionen Euro jährlich.
Einnahmen in Form von Spielerverkäufen werden jedoch auf einen Schlag in die Einnahmen eingerechnet. Chelsea verkaufte Timo Werner im Sommer für 20 Millionen Euro wieder an RB Leipzig – somit haben sie im Vergleich zum Argentinier sogar noch sechs Millionen Euro über. Zumindest in der Theorie.
Um diesen großen Einfluss von Investoren zu begrenzen, führte die Uefa eigentlich das Financial Fairplay (FFP) ein. Nachdem es jahrelang jedoch eher schlecht als recht funktioniert hatte, erhoffen sich die Verbandsbosse durch eine Anpassung nun mehr gesundes Wirtschaften der Vereine.
Die neue Regelungen besagen, dass ein Defizit von Einnahmen und Ausgaben von maximal 20 Millionen Euro durch einen Investor ausgeglichen werden darf. Weitere zehn Millionen könnten durch die Erfüllung bestimmten Bedingungen hinzukommen. Zudem dürfen die Kosten für die Mannschaften nur noch maximal 70 Prozent der Gesamteinnahmen aus dem Fußballgeschäft ausmachen.
Was Chelsea hilft: Diese beiden Vorgaben der neu geschaffenen "Financial Sustainability and Club Licensing Regulations" der Uefa greifen aktuell nur stufenweise. Ob sie ab der Saison 2025 wirklich in dem Umfang zum Einsatz und bei Verstößen Strafen nach sich ziehen, ist bisher fraglich.
Laut "Sportschau" sollen Vergehen nicht nur finanziell oder sportlichen geahndet werden, sondern auch einen Zwangsabstieg aus der Champions League oder Europa League beinhalten.
Bisher sind der Uefa vor allem Chelseas lange Vertragslaufzeiten ein Dorn im Auge. So sollen die Verbandsfunktionäre laut der britischen "Times" eine Begrenzung der Verträge auf maximal fünf Jahre anstreben – diese soll sogar noch vor dem kommenden Sommertransferfenster verabschiedet werden.
"Wenn andere Klubs anfangen, das Gleiche mit Achtjahresverträgen zu tun, wird es ein Chaos geben, also müssen wir sie schützen", zitiert die "Times" eine anonyme Uefa-Quelle.
Aubameyang hingegen hat bei seinem Wechsel zu Chelsea nur einen kurzfristigen Vertrag über zwei Jahre bis 2024 unterschrieben. Eigentlich wollte Chelsea den Stürmer durch das neue Überangebot in der Offensive für ein halbes Jahr an den Los Angeles FC in die USA ausleihen. Die Vereine waren sich auch schon einig, doch der Gabuner hielt relativ wenig von der Idee. Er ließ den Deal platzen.
Und das, obwohl er auch an den vergangenen beiden Spieltagen nicht einmal im Kader der Londoner stand. "Ich habe nichts gegen ihn. Ich verstehe seine Enttäuschung, aber ich habe die Verantwortung, solche Entscheidungen zu treffen und sie dem Spieler mitzuteilen", erklärte Chelsea-Trainer Graham Potter.
Es dürfte nicht der letzte Härtefall in seiner Amtszeit in London sein.