Beim FC Bayern hadern sie, beim DFB hingegen jubeln sie: Julian Nagelsmann hat seinen Vertrag als Bundestrainer bis 2026 verlängert und sich damit gegen eine Rückkehr zu seinem Ex-Klub entschieden.
So zufrieden der DFB die Vertragsverlängerung am Freitag auch verkündet hat, so geteilt sind doch die Meinungen über diese Entscheidung. Kommt ein neuer Kontrakt nach drei Siegen aus sechs Spielen zu früh? Hätte nicht besser erstmal die Heim-EM abgewartet werden sollen? Hat der DFB sich vom Interesse der Bayern unter Druck setzen lassen?
Die Zeit wird zeigen, ob die Vertragsverlängerung vor der Heim-EM die richtige Entscheidung war. Schon jetzt zeichnet sich aber ab, dass der DFB-Verbleib von Nagelsmann für einige besser als für andere ist. Wir beleuchten drei Gewinner und drei Verlierer.
Es war eine der letzten Amtshandlungen von Hansi Flick, İlkay Gündoğan zum Kapitän der deutschen Nationalmannschaft zu befördern. Nagelsmann bestätigte den Mittelfeldspieler in dieser Rolle, plant ihn als Zehner fest in seiner Mannschaft ein.
An beiden Aspekten gab es durchaus Kritik. Der langjährige Kapitän Manuel Neuer ist schließlich zwischen die Pfosten zurückgekehrt, im offensiven Mittelfeld gab es indes Rufe nach einer anderen Besetzung.
Bei einem erneuten Trainerwechsel nach der Europameisterschaft wären die Karten wohl gänzlich neu gemischt worden, Gündoğan hätte in der Folge eine Degradierung erfahren können. Sofern der Profi des FC Barcelona in den kommenden Monaten keinen enormen Leistungsabfall erlebt, muss er sich durch Nagelsmanns Verbleib aber wohl keine Sorgen machen.
Dass der Bundestrainer Gündoğan auf die Zehn geschoben hat, öffnete zuletzt die Tür für Robert Andrich. Der Abräumer nutzte seine Chance an der Seite von Toni Kroos, hielt dem Ballverteiler den Rücken frei. Zugleich bringt er eine gewisse Wucht mit in die Vorwärtsbewegung.
Kroos wiederum kehrte zurück, weil Nagelsmann ihn energisch bearbeitete und dem Real-Star deutlich machte, wie wichtig er auch 2024 noch für das DFB-Team sein kann. Offiziell hat der Mittelfeldspieler noch nicht über seine Zukunft entschieden, sein Vertrag bei Real Madrid endet im Sommer. Verlängert er diesen, könnte es auch in der Nationalmannschaft weitergehen.
Dabei könnte der Bundestrainer erneut eine große Rolle spielen, ein Trainerwechsel hätte wohl eher einem Generationenwechsel die Tür geöffnet. Überzeugt Nagelsmann Kroos davon, über die Heim-EM hinaus weiterhin für Deutschland zu spielen, dürfte Andrich als passender Nebenmann seinen Platz in der Startelf behalten.
Der Bundestrainer wurde in den vergangenen Wochen nicht müde, die Bedeutung der teaminternen Harmonie zu betonen. Es brauche Spieler, die nicht murren, wenn sie regelmäßig auf der Bank sitzen. Die froh sind, überhaupt beim DFB-Team dabei zu sein. Die dennoch auch sportlich eine Hilfe sind, wenn sie auf den Platz kommen.
Waldemar Anton ist hierbei ein Paradebeispiel. Zweifel an seiner Qualität sind ob seiner herausragenden Spielzeit beim VfB Stuttgart unangebracht. Ein Murren ist bei ihm zudem nicht zu vernehmen. "Ich weiß, dass ich in der Rolle des Herausforderers bin. Das ist nichts Neues für mich, ich musste mir immer alles hart erarbeiten und mich bei jedem neuen Trainer beweisen", sagte er gegenüber dem "Kicker".
Ein Stein als verlässlicher Spieler, den man von der Bank bringen kann, dürfte er bei Nagelsmann somit schon im Brett haben. Und damit auch über den Sommer hinaus ein gern gesehener Gast sein, wenn der Bundestrainer seine Profis zu Länderspielen einlädt.
Mit großer Neugierde war erwartet worden, für welchen Schlussmann sich Nagelsmann entscheiden würde. Mit Manuel Neuer und Marc-André ter Stegen ist die Auswahl schließlich maximal prominent. Er legte sich dabei frühzeitig auf den Bayern-Profi fest.
Für den Barça-Mann kommt dies abermals einer großen Enttäuschung gleich. Er liefert seit Jahren Topleistungen in Spanien ab, viele hatten nach Neuers langer Verletzung mit einer Wachablösung im Tor gerechnet.
Unter einem neuen Coach hätte es im Sommer womöglich wieder anders aussehen können, so liegt das Schicksal von ter Stegen nun weiter in den Händen von Neuer. Verkündet der 38-Jährige nach der Heim-EM nicht seinen Rücktritt aus dem DFB-Team, bleibt Barças Nummer Eins in der Nationalmannschaft die zweite Wahl.
Des einen Freud ist des anderen Leid. Das gilt im Fall von Leon Goretzka gleich doppelt. Der Bayern-Profi war zuletzt schließlich nicht nur ein Opfer seiner eigenen, in der Hinrunde oftmals durchwachsenen Leistungen, sondern auch der Umstrukturierung des deutschen Mittelfelds.
An Kroos und Andrich kommt er nicht vorbei. Nagelsmann ließ zudem durchblicken, dass Goretzka eher zu jenen Spielern gehört, die eine Rolle als Ersatzspieler nur schwer akzeptieren können. So gesehen wird es der 29-Jährige auch in Zukunft schwer haben, sich ins DFB-Team zurückzukämpfen.
Zumindest teilweise kann er aber natürlich trotzdem einen Einfluss auf seine eigene Zukunft nehmen. Liefert er im Verein wieder regelmäßig ab und überzeugt den Bundestrainer davon, dem Team auch von der Bank aus kommend zu helfen, könnte Goretzka noch einen Weg zurück ins DFB-Team finden.
Dass der Konkurrenzkampf speziell im deutschen Mittelfeld besonders groß ist, sollte nach den bisherigen Zeilen klar sein. Dabei fehlen sogar noch zahlreiche Namen, die verdeutlichen, wie vollgepackt das Zentrum tatsächlich ist: Florian Wirtz, Jamal Musiala, Kai Havertz, Joshua Kimmich, Pascal Groß, Aleksandar Pavlović, Emre Can, Angelo Stiller und Anton Stach kommen für eine zentrale Position allesamt infrage.
Und dann gibt es da auch noch Julian Brandt. Seit jeher gilt der Dortmunder als Allrounder, der als Achter, Zehner oder über die Außenbahn kommen kann. In Nagelsmanns System scheint aber kein Platz für ihn zu sein, andere haben klar die Nase vorne.
Obendrein gilt für Brandt womöglich auch der Harmoniefaktor. Ähnlich wie bei Goretzka muss Nagelsmanns Vertragsverlängerung aber nicht zwangsläufig gleichbedeutend mit einem endgültigen DFB-Aus sein. Liefert der BVB-Profi konstante Leistungen im Klub ab und reiht sich ohne Murren ein, könnte er nochmal auf ein Comeback hoffen.