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Jürgen Klopp und Thomas Tuchel: So ticken der Liverpool- und der Chelsea-Trainer

Liverpool v Chelsea - Premier League - Anfield Chelsea manager Thomas Tuchel left and Liverpool manager Jurgen Klopp centre during the Premier League match at Anfield, Liverpool. Picture date: Saturda ...
Thomas Tuchel (l.) und Jürgen Klopp (r.) und treffen am Sonntag im Finale des englischen Ligapokals aufeinander.Bild: www.imago-images.de / Mike Egerton
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Erstes Finale zwischen Tuchel und Klopp: Mainz-Insider erklärt, wie beide Top-Trainer ticken

27.02.2022, 13:14
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Jürgen Klopp und Thomas Tuchel gehören zu den besten Trainern weltweit. In den letzten drei Jahren machten sie die Wahl zum Welttrainer des Jahres von der FIFA unter sich aus. 2019 und 2020 wurde es Jürgen Klopp. 2021 Thomas Tuchel.

Am Sonntag um 17.30 Uhr treten beide nun gegeneinander im Finale des englischen Ligapokals an. Erstmals spielen die beiden Trainerkollegen in einem Endspiel gegeneinander. Der FC Liverpool mit Klopp trifft auf Chelsea mit Tuchel. Es geht um den ersten Titel 2022.

Aber wie ticken diese beiden Top-Trainer? Was macht sie aus? Wie sind sie menschlich drauf und wie blicken sie auf den Fußball? Um diese Fragen zu beantworten, hat watson mit Christian Wetklo gesprochen. Der Torhüter spielte von 2000 bis 2014 beim Bundesligisten Mainz 05 und hatte sowohl Klopp als auch Tuchel als Cheftrainer. Er weiß, wie beide ticken.

Anderer Fußball zu Klopps Anfängen

Siebeneinhalb Jahre spielte Wetklo unter Jürgen Klopp, fünf Jahre unter Tuchel. Deshalb sagt der ehemalige Torhüter direkt zu Beginn, dass ein direkter Vergleich schwer sei. "Als Jürgen Klopp Trainer in Mainz war, war der Fußball noch nicht so taktisch, wie er sich vor allem durch Pep Guardiola entwickelte. Damals wurden noch nicht drei Spielsysteme pro Partie gespielt. Trotzdem haben wir auch bei Klopp das System gewechselt."

Klopp war von Februar 2001 bis Sommer 2008 Trainer der 05er. Tuchel arbeitete erst ab August 2009 an der Seitenlinie der Mainz-Profis, blieb bis Mai 2014. Auch danach verschlug es beide zum gleichen Klub. Sie gingen zu Borussia Dortmund, wo Klopp (2008 - 2015) sogar zweimal Meister wurde, Tuchel (2015 - 2017) den DFB-Pokal gewann. Klopp ging anschließend direkt zu Liverpool, Tuchel erst zu Paris und dann zu Chelsea.

Christian Wetklo spielte von 2000 bis 2014 beim FSV Mainz 05 und hatte sowohl Jürgen Klopp als auch Thomas Tuchel als Trainer.
Christian Wetklo spielte von 2000 bis 2014 beim FSV Mainz 05 und hatte sowohl Jürgen Klopp als auch Thomas Tuchel als Trainer.null / imago images

Immer neue Herausforderungen unter Jürgen Klopp

Bereits zur Mainzer Zeit stellte Wetklo eine große Stärke von Klopp fest: seine Empathie. Nach Klopps Amtsantritt habe man laut Wetklo "sofort gespürt, dass er eine ganz andere Art und Weise hat, wie er mit den Spielern spricht. Es war Kloppos größte Stärke, uns Spieler heiß zu machen, damit wir brennen. Er hat es vorgelebt und macht das auch jetzt noch bei seinen Mannschaften."

Ein weiterer großer Verdienst von Klopp sei es laut Wetklo gewesen, trotz siebeneinhalb-jähriger Amtszeit, nie einen eintönigen Trott aufkommen gelassen zu haben. "Er hat immer für neue Herausforderungen gesorgt und uns auch nach den beiden knapp gescheiterten Aufstiegen motiviert."

Wetklo spielt auf die Saisons 2001/02 und 2002/03 an. Zuerst verpasste Mainz 05 den Aufstieg um einen Punkt, danach sogar nur um ein Tor. Während Klopp fünf seiner acht Saisons mit Mainz in der 2. Liga verbrachte, coachte Thomas Tuchel die Rheinhessen in seinen fünf Jahren ausschließlich in der Bundesliga.

Tuchel profitierte von Mainzer Entwicklung unter Klopp

Deshalb sieht Wetklo auch zur Bewertung von Tuchels Zeit in Mainz eine andere Grundlage: "Thomas hat uns übernommen, nachdem wir 2009 aus der 2. Liga aufgestiegen sind. Als Verein und als Mannschaft waren wir weiter, hatten bessere Spieler und eine höhere Qualität."

Tuchel war vor seinem Amtsantritt A-Jugend-Trainer der Mainzer und hatte gerade gegen Borussia Dortmund die deutsche Meisterschaft gewonnen. Einen Trainerjob im Profi-Bereich hatte er vorher noch nicht, dennoch war er Wetklo bekannt: "Ich wusste, dass ein vielversprechender Trainer in der Jugend arbeitet. Als er seine erste Ansprache bei den Profis gehalten hat, wusste jeder, dass enorm viel dahintersteckt."

Schon nach wenigen gemeinsamen Tagen, sei klar geworden, dass Tuchel ein "absoluter Fachmann und Experte" sei. "Man konnte damals schon sehen, dass er um Meisterschaften und Pokale spielen und es nicht nur bei einem Job bei Mainz 05 bleiben wird."

"Thomas Tuchel war nach Niederlagen schon immer extrem ehrgeizig. Er konnte das sehr schwer verdauen."
Christian Wetklo über seinen ehemaligen Trainer bei Mainz 05

Unterschiedlicher Umgang mit Niederlagen

Auf dem Weg dorthin mussten sowohl Tuchel als auch Klopp allerdings einige Niederlagen einstecken. Das sei für beide nicht leicht gewesen, erzählt Wetklo. Besonders, als sie bei Mainz noch mit unterlegenen Teams arbeiteten, wurden natürlich nicht so viele Spiele gewonnen, wie mit Dortmund, Liverpool, Paris oder Chelsea.

Laut Wetklo haben beide nicht gerne verloren – was im Leistungssport auch nicht verwunderlich ist. Dennoch sei die Verarbeitung der Niederlagen bei beiden Trainern unterschiedlich abgelaufen.

Wetklo erläutert: "Thomas Tuchel war nach Niederlagen schon immer extrem ehrgeizig. Er konnte das sehr schwer verdauen, weil er den Anspruch hat, mehr Spiele zu gewinnen als zu verlieren. Unter Jürgen Klopp hatten wir auch Niederlagenserien. In der Zeit hat er aber immer wieder versucht, uns durch Motivationsansprachen oder Videos über große Sportler an den Erfolg glauben zu lassen."

02.09.2017, xfux, Fussball, Abschiedsspiel Nikolce Noveski, Team Mainz 05 - Team Nikolce, emspor emonline, v.l. Trainer Thomas Tuchel (Team Nikolce), Trainer Juergen Klopp (Team Mainz 05) Mainz

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Thomas Tuchel (l.) und Jürgen Klopp 2017 beim Abschiedsspiel des langjährigen Mainz-Kapitän Nikolce Noveski. Bild: imago sportfotodienst / Jan Huebner

Tuchels Verbissenheit als Problem für Spieler beim BVB und PSG

Die Verbissenheit Tuchels kam im Laufe seiner Karriere in den verschiedensten Klubs nicht gut an. So sollen sowohl Dortmund-, als auch Paris-Spieler Probleme mit dem heute 48-Jährigen gehabt haben.

Ein BVB-Spieler kritisierte damals anonym in der "Süddeutschen Zeitung" die vielen Systemwechsel während eines Spiels, ein anderer bezeichnete angeblich menschelnde Beziehungen als "reine Mediensache".

Wetklo hat die fordernde Art von Tuchel ebenfalls erlebt. Er relativiert aber: "Er kann es nicht ertragen, wenn man nicht 100 Prozent gibt. Manche Spieler haben damit Probleme, dabei will er nur das Beste für jeden einzelnen. Meiner Meinung nach hat er jeden Spieler in Mainz besser gemacht."

Auf dieser menschlichen Ebene scheint auch der größte Unterschied zwischen den beiden Top-Trainern zu liegen.

Auf der einen Seite Klopp: der Spieler-Versteher, der sich auch um die privaten Schicksale seiner Profis kümmert. Auf der anderen Seite Tuchel: ein hochprofessioneller Trainer, der alles dafür macht, um auch den letzten Prozentpunkt aus den Spielern zu kitzeln – so werden die jeweiligen Bilder zumindest von Weggefährten oft gezeichnet.

Sonntag beim Finale des englischen Ligacups wird sich zeigen, welcher Weg zum Titel führt. Ex-Mainz-Keeper Wetklo erwartet ein ausgeglichenes Spiel und sieht Liverpool mit Klopp leicht favorisiert. "Aber ich traue Thomas auch zu, dass er eine Taktik auspackt, mit der er Klopp und Liverpool überrumpeln kann."

Egal, wie das Spiel ausgehen wird: Das Duell zwischen Klopp und Tuchel wird es in England in Zukunft weiter geben. Beide haben bei ihrem Verein einen Vertrag bis Sommer 2024. Geht es nach Wetklo, könnte es sogar darüber hinaus noch weitere Duelle der beiden geben. Dann aber in Spanien.

Tuchel nach Barcelona? Klopp zu Real Madrid?

"In der Zukunft kann ich mir persönlich Thomas Tuchel gut beim FC Barcelona vorstellen. Natürlich erst, wenn Xavi dort nicht mehr Trainer sein sollte", erklärt Wetklo und fügt an: "Es würde mich nicht wundern, Jürgen Klopp mal bei Real Madrid zu sehen." Ob es soweit kommt, kann aber wohl nur Klopp selbst beantworten.

Im Interview mit "Sportbuzzer" hatte er im Sommer 2020 bereits gesagt, dass er sich nach dem Vertragsende 2024 erstmal ein Jahr Pause gönnen würde "und mich danach frage, ob ich den Fußball vermisse."

Aber auch eine weniger zeitintensive Aufgabe traut Wetklo Jürgen Klopp zu: "Ich könnte mir auch vorstellen, dass Klopp nach seiner Zeit bei Liverpool Nationaltrainer werden könnte."

New-York-Trainer Sandro Schwarz erklärt Besonderheiten im US-Fußball

Im April 2023 musste Sandro Schwarz bei Hertha BSC seinen Hut nehmen, ein Jahr später mischt er als Trainer der New York Red Bulls die US-amerikanische MLS auf. Nach neun Spieltagen steht seine Mannschaft auf dem zweiten Platz der Eastern Conference. Mit watson hat der Coach über seinen Wechsel in die USA, den Austausch zwischen den RB-Klubs und Kay Bernstein gesprochen.

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