Jürgen Klopp steht mit dem FC Liverpool in seinem insgesamt vierten Champions-League-Finale.Bild: www.imago-images.de / imago images
Analyse
"Ereignisreich, attraktiv, intensiv": Mit diesen drei Wörtern beschreibt Markus Reiter den Spielstil von Jürgen Klopps Liverpooler Team.
Für die Zuschauer ist bei Spielen der Mannschaft des Star-Trainers immer jede Menge Unterhaltung geboten. Lediglich in zwei Spielen in dieser Saison erzielte das Team des Deutschen keinen eigenen Treffer. Das liegt vor allem an Klopps offensivem Powerfußball, der darauf ausgelegt ist, den Ball nach Verlust innerhalb weniger Aktionen zurückzuerobern.
Und diese Art, die zum Markenzeichen des 54-Jährigen geworden ist, wird der FC Liverpool auch im Champions-League-Endspiel gegen Real Madrid am Samstagabend wieder zeigen wollen. Dabei können gerade die Spanier Klopps Team besondere Probleme bereiten.
Real Madrid kann Liverpooler-Schwäche ausnutzen
Zwar sorgen frühe Ballgewinne in der Hälfte des Gegners immer wieder dafür, dass Liverpool nah am Tor zu gefährlichen Offensivaktionen kommt, aber "man muss auch immer damit rechnen, dass der Gegner sich mal durchspielt. Und dann geht es darum, schnell das eigene Tor zu verteidigen", erklärt der DFB-Trainerausbilder Markus Reiter im Gespräch mit watson.
Und genau in diesen Momenten kann Real Madrid von seinen ballsicheren und passstarken Spielern wie Toni Kroos, Luka Modrić und auch Karim Benzema profitieren und gefährliche Angriffe einleiten. Gerade bei der Abschlussstärke von Angreifer Benzema könnte Liverpool leicht in Rückstand geraten. Der ehemalige Bundesliga-Profi erklärt:
"Es wird interessant zu sehen sein, inwieweit diese Ballsicherheit von Real Madrid aufrechterhalten werden kann gegen dieses hoch-dynamische Spiel. Es wird für Real darum gehen, Eins-gegen-Eins-Situationen herzustellen. Denn auch Madrid verfügt mit Vinicius über hohe Dynamik. Da wird Liverpools Abwehr gefordert sein."
Doch nach mittlerweile sieben Jahren beim FC Liverpool geht es der Mannschaft nicht mehr nur noch darum, den Gegner dauerhaft unter Druck zu setzen und dem Ball hinterherzujagen. "Die Absicherung des eigenen Tores ist mittlerweile ein Stück mehr in den Fokus gerückt", sagt der 45-Jährige über die Entwicklung des Spiels der Engländer.
Nicht verwunderlich, dass Liverpool mit gerade einmal 26 Gegentoren in 38 Spielen gemeinsam mit Meister Manchester City die beste Defensive der Liga stellt. Und dass sie mit Mohamed Salah, Sadio Mané, Diogo Jota und Luis Diaz eine wahnsinnige Offensivpower haben, zeigen die 94 erzielten Treffer in der Premier-League-Saison.
Markus Reiter war in verschiedenen Trainerpositionen bei Rot-Weiß Essen tätig.archivBild: imago sportfotodienst / Eibner
Klopp hat Spiel des FC Liverpool angepasst
Dank Spielern wie Thiago, der im Endspiel wohl fehlen wird, und Fabinho, der rechtzeitig zur Partie fit wird, konnte Klopp dem Spiel seiner Mannschaft aber auch ein neues Element hinzufügen.
"Dass sie auch mal längere Ballbesitzphasen haben, ist Teil der Weiterentwicklung seiner Mannschaft", erklärt der DFB-Trainerausbilder. Besonders durch die beiden Strategen ist das Spiel nun nicht mehr von 90 Minuten allerhöchster Intensität mit Läufen gegen den Ball geprägt. Sondern die Mannschaft gönnt sich auch mal Verschnaufpausen.
Dass es aber trotz des sprintintensiven Spiels kaum Muskelverletzungen im Team gibt und sich das Spiel der "Reds" so entwickelt hat, liegt auch am Input von Klopps Co-Trainern und dem Team um die Mannschaft.
"Bei ihm kann man sich abschauen, wie man als Trainer vertraut und delegiert."
DFB-Trainerausbilder Markus Reiter
"Er gibt ihnen ihren Freiraum, um ihr Expertentum bestmöglich auszuleben." Das bestätigte auch schon Klopp-Biograf Elmar Neveling, der im watson-Gespräch erklärte: "Er hat die große Gabe, Spezialisten um sich zu scharen und das große Ganze zielführend zu koordinieren."
Mit seinen Co-Trainer Pepjin Lijnders und Peter Krawietz hat Klopp zwei Taktikexperten an seiner Seite, die den Spielstil in den vergangenen Jahren enorm geprägt haben.
"Die Anforderungen an einen Trainer sind mittlerweile enorm groß. Man kann das ganze Feld um die Mannschaft eigentlich gar nicht mehr komplett alleine beherrschen", sagt auch Reiter.
Jürgen Klopp (Mitte) und sein Trainerteam nach Gewinn des FA Cups.Bild: www.imago-images.de / imago images
Trainerausbilder Reiter habe es aber auch immer wieder erlebt, dass es Coaches gibt, die diesen Kontrollverlust nicht zulassen, "aber bei ihm kann man sich abschauen, wie man als Trainer vertraut und delegiert."
Liverpool wird auch bei DFB-Lehrgängen gezeigt
Doch nicht nur im Umgang mit seinem Trainerteam ist Klopp ein Vorbild in der DFB-Trainerausbildung, auch was das Geschehen auf dem Feld angeht, ist er mit seinem FC Liverpool immer wieder Gegenstand bei Trainerlehrgängen. So gibt Reiter einen Einblick in die Schulungen des DFB:
"Gerade, wenn es um das intensive Angriffspressing geht, zeigen wir auch mal Videoschnipsel des FC Liverpool. In den Sequenzen kann man gut zeigen, in welche engen Räume man den Gegner drängt, um ihn in Stresssituationen zu bringen oder technische Fehler zu provozieren."
Denn der Stil ist erfolgreich. Klopp steht bereits zum vierten Mal im Champions-League-Endspiel - so häufig wie noch kein anderer deutscher Trainer. Ein Hype unter den Trainern, den Klopp-Style jetzt möglichst zu kopieren, sei aber trotz seiner Erfolge nicht ausgebrochen.
"Es ist nicht explizit der Stil, sondern einfach der moderne Fußball. Das Verhalten, wenn ich den Ball gewinne oder der Gegner ihn verliert, sind immer bedeutender geworden. Das rückt auch bei der Trainerausbildung im DFB immer mehr in den Fokus und ist absolut relevant im modernen Fußball."
Klopp rückt nicht von seinem Stil ab
Vielmehr war Klopp einfach einer der ersten Trainer, der es für sein Spiel genutzt hat, dass der Fußball immer dynamischer wurde. "Die Trainer reizen die athletischen Voraussetzungen der Spieler mittlerweile einfach weiter aus."
Besonders bei Klopp sei in dieser Hinsicht aber vor allem, dass er sehr früh und vor allem konsequent auf diese Art von Fußball gesetzt habe. Selbst Niederlagen wie im Champions-League-Endspiel 2018 gegen Real Madrid haben ihn nicht davon abrücken lassen.
"Er hat sich der Sache verschrieben und kann der Mannschaft vermitteln, dass man keinen Deut davon abrückt."
Die Hoffnungen waren im Sommer auf beiden Seiten groß. Es sollte eine Win-win-Situation werden. Der FC Bayern kann einem verheißungsvollen Talent die nötige Spielpraxis geben und der VfB Stuttgart sah ein "sehr interessantes Profil", wie es Sportchef Fabian Wohlgemuth nannte.