NFL: Die verzwickte Lage von Lenny Krieg bei den Atlanta Falcons
Es machte schon gehörig Eindruck, wie die sechs Busse der Atlanta Falcons am Freitagmorgen mit Polizeieskorte zum Trainingsplatz in Berlin-Köpenick gebracht wurden.
Die Blicke vieler deutscher und amerikanischer Medienvertreter:innen richteten sich dabei vor allem auf einen Spieler, der in dieser Saison noch gar nicht auf dem Feld gestanden hatte: Lenny Krieg.
Nachdem er erst im März einen Dreijahresvertrag bei den Atlanta Falcons unterschrieben hatte, wurde er vor Saisonstart wieder entlassen.
Doch der Traum von der NFL platzte nicht. Krieg, der auf der Position des Kickers spielt, wurde im Rahmen des International Pathway Programms – ein Förderprogramm der NFL für ausländische Talente – für den Trainingskader der Falcons verpflichtet. Aus einem Gehalt von rund einer Million US-Dollar pro Jahr wurden so zwar "nur" 13.000 US-Dollar pro Woche, doch Krieg ist ein fester Bestandteil der Atlanta Falcons.
Und so wird er auch Teil des Spiels Atlantas gegen die Indianapolis Colts in seiner Heimatstadt Berlin am Sonntag sein. Der Unterschied: Krieg verfolgt das Spiel gegen die Indianapolis Colts von der Tribüne.
Doch dem 23-Jährigen könnte eine große Zukunft in der NFL gehören. Denn im August eröffnete sich in seinem Team eine Baustelle, die er auf lange Sicht schließen könnte.
Konkurrenz schwächelt – Krieg wartet auf NFL-Chance
Ein kurzer Rückblick. Seit 2019 war Younghoe Koo der Mann bei der Franchise aus dem Bundesstaat Georgia, wenn es darum ging, den Football durch die beiden Pfosten am Ende des Feldes zu schießen. Seine Trefferquote lag nie unter 86 Prozent – zumindest bis zum Jahr 2024.
Koo verwandelte in der vergangenen Spielzeit nur schwache 73,5 Prozent seiner Versuche. Atlanta hielt zunächst am Leistungsträger fest, nur um ihn nach Spieltag eins und einem vergebenen Versuch zu entlassen.
In "Touchdown & Tacheles: dem NFL-Podcast von watson" sprechen unsere Hosts ausführlich über die Situation von Lenny Krieg.
In einem internen Wettbewerb konnte sich Lenny Krieg zunächst nicht gegen den erfahrenen Parker Romo durchsetzen, den die Falcons aus Minnesota verpflichteten.
Doch Romo ist nach sieben Spielen wieder Geschichte. Nachdem er vergangenes Wochenende ein einfaches Field Goal verschossen hatte, das den Ausgleich bedeutet hätte, wurde auch er entlassen. So unterlag Atlanta den New England Patriots mit 23:24. Insgesamt hat er in seiner Zeit drei Field Goals vergeben.
Dafür verpflichteten die Falcons den 30-jährigen Zane Gonzalez. Er spielte vergangene Saison mit den Washington Commanders in den Play-offs.
Doch für den Deutschen ist das kein Rückschlag: "Es wurde im Vorfeld gut mit mir kommuniziert, wie der Plan aussieht. Daher war es keine negative Überraschung, dass ein erfahrener Kicker geholt wurde. Trotzdem will natürlich jeder spielen – aber jeder hat seine eigene Reise, und man muss einfach weiterarbeiten", sagte er Sport1.
Warum Lenny Krieg keine Chance bekam, machte Headcoach Raheem Morris deutlich. "Am Ende des Tages musst du den Kick treffen. Diese Drucksituationen erlebst du nicht auf dem Trainingsplatz, sondern der Umgang damit entsteht in Spielen."
Das trauen sie Lenny Krieg bei den Falcons noch nicht zu. Denn der Deutsche war auch an keinem US-College und konnte sein Können nicht unter dem Geschrei von 80.000 Fans in Drucksituationen oder bei heftigen Windböen zeigen. Er spielte zuletzt für Stuttgart Surge in der European League of Football.
Doch in Atlanta wissen sie genau, was sie an Lenny Krieg haben. Das haben sie bei seinem ersten Auftritt im April 2025 bereits bemerkt.
Lenny Krieg beeindruckte NFL-Scouts nachhaltig
Beim Draft Combine, bei dem Nachwuchstalente von Team-Scouts mit verschiedenen Aufgaben auf ihre NFL-Tauglichkeit überprüft werden, sorgte er für Staunen.
Die Talentspäher bewerteten seine Technik als "mechanisch extrem sauber". Als einziger Spieler verwandelte er alle 14 Versuche zwischen 25 und 55 Yards.
Bis zu seinem 19. Lebensjahr spielte er noch Fußball und hat somit eine ganz andere Schusstechnik als viele US-Spieler. Die Umstellung, nun ein Ei statt einen Ball zu treten, verlief jedoch etwas unkonventionell: mit Tutorials auf Youtube und Instagram.
Lenny Krieg wartet auf Chance bei den Atlanta Falcons
Doch hier könnte ihm die Arbeit im Practice Squad zugutekommen. Der 23-Jährige kann sich ohne großen Druck an den US- und NFL-Alltag anpassen. Denn der ist für alle Spieler – egal, ob Practice Squad oder aktiver Kader – gleich.
Und Krieg lieferte bereits einen ersten Vorgeschmack. In der Vorbereitung traf er für die Falcons ein Field Goal aus 57 Yards – also ungefähr von der Mittellinie.
Sportlich ist die Saison für Atlanta, die bei drei Siegen und fünf Niederlagen stehen, fast schon bedeutungslos. Die Wahrscheinlichkeit, in die Play-offs zu kommen, liegt bei lediglich zwölf Prozent. Doch noch glauben die Verantwortlichen an ihre Chance.
Bei der Halbwertszeit von Kickern bei Falcons könnte es also durchaus möglich sein, dass Lenny Krieg seine Chance spätestens zum Saisonende bekommen wird.
"Es geht darum, so viel wie möglich zu lernen – von erfahrenen Spielern und Trainern. Ziel ist es, bestens vorbereitet zu sein, wenn die Gelegenheit kommt", erklärte Krieg im Sport1-Gespräch.
