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Frauen-WM: Was nach dem EM-Hype im Frauen-Fußball passiert ist – und wo es hakt

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Alex Popp führt die Frauen-Nationalmannschaft auch in Australien und Neuseeland als Kapitänin aufs Feld.Bild: Imago Images / Eibner
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Frauen-WM: Wie sich der Frauen-Fußball im Jahr nach der EM entwickelt hat

11.07.2023, 12:15
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Fast 18 Millionen Zuschauer waren im vergangenen Sommer begeistert, obwohl Deutschland gerade ein Finale bei der Europameisterschaft verloren hatte. Mit 1:2 unterlagen allerdings nicht die Männer bei der Fußball-EM, sondern die Frauen des DFB.

Das Endspiel im Wembley-Stadion gegen England verfolgte eine Rekord-Kulisse in der deutschen Heimat im Fernsehen. Obwohl im Winter die WM in Katar folgen sollte, wurde die Einschaltquote der Partie rund um Lena Oberdorf und ihre Mitspielerinnen bei keinem weiteren Fußball-Spiel im Jahr 2022 im deutschen Fernsehen getoppt.

Nach EM folgten Zuschauer-Rekorde in Frauen-Bundesliga

Jetzt, ein Jahr später, steht das nächste große Turnier an. Davor gibt es einige offene Fragen. Beispielsweise, in welchem Zustand der Frauen-Fußball in Deutschland ist, oder, ob auch in diesem Jahr die DFB-Frauen einen Hype entfachen können?

Klar ist: In die vergangene Bundesliga-Saison wurde der EM-Schwung der Damen mitgenommen. Direkt zum Beginn der Spielzeit kamen zum Eröffnungsspiel zwischen Frankfurt und dem FC Bayern in den Deutsche-Bank-Park 23.000 Zuschauer:innen. Ein Rekord, der im April sogar noch geknackt wurde. Beim Kölner Heimspiel gegen Werder Bremen kauften sich über 38.000 Fans ein Ticket.

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Der Hype ist also noch da. Das stellt auch Alina Ruprecht fest. Sie ist Herausgeberin des Buchs "Fußball der Zukunft – Wie Frauen den Sport revolutionieren" und sagte gegenüber watson: "Mit der EM im letzten Jahr hat sich das mediale Interesse stark verändert, es wurde viel größer."

Auch Nationalspielerin Svenja Huth teilt die Einschätzung, mit einer kleinen Einschränkung. Gegenüber watson erklärte die 32-jährige Spielerin des VfL Wolfsburg: "Generell kommen mehr Zuschauer und Zuschauerinnen zu den Vereinen, aber tendenziell kommen wohl mehr zu den Klubs, in denen die ein oder andere Nationalspielerin spielt."

Im Buch von Alina Ruprecht und Justin Kraft sind viele Aufsätze verschiedener Autor:innen zum Frauen-Fußball gesammelt.
Im Buch von Alina Ruprecht und Justin Kraft sind viele Aufsätze verschiedener Autor:innen zum Frauen-Fußball gesammelt.Bild: Die Werkstatt Verlag / Die Werkstatt Verlag

Die Zahlen unterstreichen, dass jeder Verein Zuwachs bekommen hat. Allerdings: In Wolfsburg und Frankfurt schossen die Zuschauer:innen-Zahlen um rund 4000 im Schnitt pro Spiel nach oben. Auch bei den Bayern verdoppelte sich die Anzahl auf über 2000 Fans im Schnitt. Kleinere Vereine, wie Meppen, Potsdam oder Duisburg erhöhten ihren Schnitt um einige hundert Fans.

Wichtig, damit diese Zahlen weiter steigen, ist allerdings die TV-Übertragung. ARD und ZDF sicherten sich diese aber erst wenige Wochen vor Turnierstart und nach monatelangem Ringen mit der Fifa. "Wenn man sich anschaut, dass die Öffentlich-Rechtlichen fünf Millionen Euro für die Frauen-WM geboten haben und für die Männer-WM aber mehr als 200 Millionen Euro gezahlt haben, ist die Differenz beschämend", kritisiert Ruprecht.

"Das Spiel gegen die USA im November wurde gar nicht im Fernsehen gezeigt, sondern im Stream."
Ruprecht kritisiert den schlechten Standard bei Übertragungen des Frauen-Fußballs

Neben der Summe, die Ruprecht anmahnt, bemängelt sie auch die Art und Weise der TV-Übertagungen in der Vergangenheit. Diese seien lieblos gewesen. "Das Spiel gegen die USA im November wurde gar nicht im Fernsehen gezeigt, sondern im Stream. In der Pause wurde 15 Minuten lang ein Hinweis eingeblendet, dass das Spiel gleich weitergehe. Natürlich sind die Quoten dann schlecht."

Die Herausgeberin ist sich sicher, dass sich noch mehr Interesse am Frauen-Fußball entwickeln würde, wenn "eine gute Analyse mit Top-Expert:innen gemacht wird". Das könne sich nach zwei, drei Jahren auch für die TV-Anstalten auszahlen.

Im deutschen Lager sind die Verantwortlichen allerdings froh, dass die Partien überhaupt gezeigt werden. Die Angst vor einem Blackout war zu groß. Kurz nachdem der TV-Deal bekannt wurde, sprach Bundestrainerin Martin Voss-Tecklenburg davon, "erleichtert" zu sein. Die bloße Übertragung sichert aber noch nicht gute Einschaltquoten. Das Problem beim Turnier in Australien und Neuseeland liegt auf der Hand: die Zeitverschiebung.

Zwar sind die Spiele von Alex Popp und ihren Mitspielerinnen für deutsche Fans erträglich am Vormittag terminiert und nicht mitten in der Nacht, dennoch müssen wohl viele Menschen in Deutschland zu der Zeit arbeiten. Svenja Huth hatte deshalb mit einem Lachen einen Appell an die Chefs in Deutschland gerichtet: "Ich hoffe auf die Kulanz der Arbeitgeber, um den Fans das Zusehen zu ermöglichen."

Damit sich in Deutschland ein ähnlicher Hype wie im vergangenen Jahr aufbaut, muss das deutsche Team daher weit kommen. Jede Runde, die das Team von Voss-Tecklenburg übersteht, wird die TV-Quote in Deutschland steigen lassen – das entspricht den hohen Ansprüchen der DFB-Spielerinnen. Schon früh in der Vorbereitung auf das Turnier machte Kapitänin Popp klar, dass sie "den WM-Titel als Zielsetzung" sehe.

Equal Pay wird immer öfter für den Frauen-Fußball gefordert

Dazu passt, dass Lina Magull am DFB-Medientag einschätzte, dass der Kader im Vergleich zum vergangenen Jahr "sportlich sogar ein Stück besser geworden" sei. Diese Verbesserung der letzten Jahre ist einerseits auf die gestiegene Eingespieltheit, aber auch auf die voranschreitende Professionalisierung zurückzuführen. In den letzten Jahren wurde die Forderung nach "Equal Play" – dem Arbeiten unter den gleichen Bedingungen wie bei den Männern – von den Frauen in den Vordergrund geschoben.

Sowohl Ruprecht als auch Huth loben zwar, dass sich da schon einiges getan hat, Ruprecht merkte gegenüber watson aber auch an: "Es wird in vielen Bereichen immer noch zwischen dem Fußball der Männer und der Frauen unterschieden."

Für Huth sei besonders bedeutend, dass Klubs mit Lizenzvereinen im Rücken wie Bayern, Hoffenheim, Wolfsburg oder Frankfurt bessere Möglichkeiten hätten. "Aber es gibt auch noch Vereine, die viel Luft nach oben haben. Die Verantwortlichen müssen das Potenzial sehen und welcher Markt vorhanden ist", fordert Huth und schließt an: "Wir werden nicht müde, diese Dinge anzusprechen, um den Frauen-Fußball voranzubringen."

Daran anknüpfend hat das Auftauchen der Lizenzvereine, die bereits bei den Männern in der Bundesliga vertreten sind auch Folgen für die Traditionsvereine der Frauen Bundesliga. Der SC Sand spielt schon in der 2. Liga. Der frühere Serienmeister, Turbine Potsdam, stieg in der abgelaufenen Saison ab und auch für Essen wird es von Jahr zu Jahr knapp.

Während Mannschaften, die an Lizenzvereine angeknüpft sind, finanzielle Verluste durch Einnahmen im Herrenbereich ausgleichen können, müssen die Traditionsvereine nachhaltig arbeiten. Das führt mitunter zu finanziellen Ungerechtigkeiten und noch größeren Unterschieden zwischen den Top-Teams der Bundesliga und dem Mittelfeld.

Obwohl immer mehr Lizenzvereine in die Bundesliga stoßen, die auch Männer-Mannschaften haben, bewahrt sich der aber Frauen-Fußball einige Besonderheiten. Ruprecht betonte hierbei besonders, dass es den Fans leichter falle, sich mit den Spielerinnen zu identifizieren, "weil diese (Anm. der Red.: die Spielerinnen) sich auf und neben dem Platz authentisch und nahbarer zeigen." Die Herausgeberin mahnt allerdings auch, dass sich der Frauen-Fußball nicht zu sehr an den der Männer angleichen dürfe, da er sonst seine Besonderheiten verliere.

Authentizität, Nahbarkeit und Diversität stehe sowohl bei Fans als auch bei Spielerinnen an oberster Stelle, was einen großen Kontrast zum Männerfußball darstelle. Genau mit diesen Werten hofft Bundestrainerin Voss-Tecklenburg von Australien in Deutschland eine Euphorie für die Weltmeisterschaft zu entfachen.

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