Ian Maatsen (links) und Jadon Sancho haben sich im Winter Borussia Dortmund angeschlossen.Bild: imago images/ Laci Perenyi
Analyse
Man muss sich das Winter-Transferfenster wie Einkaufen in Flughafen-Geschäften vorstellen: Die Auswahl ist limitiert, die Preise sind unverhältnismäßig hoch, aber wenn man nun mal dringend ein Nackenkissen oder eine Interdentalbürste benötigt, dann muss man dafür entsprechend tief in die Tasche greifen. Und ob die Qualität am Ende den Ansprüchen entspricht, ist auch unklar.
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So sah sich Borussia Dortmund nach holpriger Hinrunde, (vorerst) überstandener Trainer-Diskussion und anhaltenden Fragezeichen zum allgemeinen Leistungsvermögen des Kaders im Winter mit einer überaus komplizierten Situation konfrontiert: Der BVB sah sich zu Veränderungen gezwungen.
Bereits im Dezember stellte Sportchef Sebastian Kehl klar, dass im Winter nicht mit einer Transferoffensive zu rechnen sei. Der Fokus, sagte Kehl, "liegt eigentlich auf dem Sommer, gleichwohl werden wir die Entwicklung der nächsten Wochen abwarten".
Sancho und Maatsen: Zwei wichtige BVB-Leihen
Am 1. Februar ist das Winter-Transferfenster nun zu Ende gegangen, die Weichen in Dortmund sind gestellt. Die Frage: Kann der BVB mit den Modifikationen wieder in die Spur finden? Und wurden mit den Transfers die Lücken überhaupt geschlossen?
Die zwei Kernbaustellen, die Borussia Dortmund bei sich ausgemacht zu haben schien, sind die linke Abwehrseite und das offensive Mittelfeld. Dafür wurden Ian Maatsen vom FC Chelsea und Jadon Sancho von Manchester United als Leihspieler bis zum Saisonende geholt.
Ian Maatsen spielt auf Leihbasis beim BVB. Bild: imago images/ Kirchner-Media
21 Jahre ist der niederländische Junioren-Nationalspieler Maatsen alt, seit 2018 steht er bei Chelsea unter Vertrag. Die Leihe nach Dortmund ist – für Chelsea typisch – seine insgesamt vierte. In der ersten Saisonhälfte war der BVB mit Ramy Bensebaini links hinten chronisch schlecht besetzt, zuletzt weilte er mit Algerien beim Afrika-Cup. Teilweise spielte auch Julian Ryerson als Linksverteidiger, der ist aber vor allem für die rechte Seite vorgesehen.
Gregor Kobel und Edin Terzić loben Ian Maatsen
Maatsen habe der Mannschaft "schon in kürzester Zeit sehr geholfen", sagte Sebastian Kehl nach dem 4:0-Sieg gegen Köln. Seine ersten drei Spiele hat er alle über die volle Länge bestritten und direkt einen belebenden Eindruck gemacht.
"Wir wissen um Ians Ballsicherheit", sagte Terzić, "er bringt Selbstvertrauen und Spielfreude, die uns guttut." Im Spielaufbau unterlaufen ihm noch gelegentliche Unaufmerksamkeiten, gerade in der teils behäbigen Vorwärtsbewegung weiß er aber Akzente zu setzen. "Er findet fast immer die richtige Lösung", sagte Gregor Kobel über den Neuzugang.
Jadon Sancho hat in drei Spielen zwei Treffer aufgelegt
Auch Jadon Sancho hat sich auf Anhieb gut beim BVB eingefunden. Die bislang erfolgreichste Zeit seiner Karriere hat er in Dortmund verbracht, vier Jahre spielte der heute 23-Jährige bereits im Ruhrgebiet. "Was er kann, das hast du einfach oder du hast es nicht. Und er hat es", sagte Kobel über den Rückkehrer. "Er kann immer wieder Chancen kreieren."
Jadon Sancho (am Ball) spielt zum zweite Mal in seiner Karriere für Borussia Dortmund. Bild: dpa / Bernd Thissen
Gegen Darmstadt wurde Sancho eingewechselt, gegen Köln und Bochum spielte er von Beginn an – und konnte insgesamt bereits zwei Treffer assistieren. Aktuell ist er allerdings verletzt. Ein Einsatz gegen Heidenheim am Freitag (20.30 Uhr) ist unklar.
Trotz guter Leistungen ist die Frage, ob mit Jadon Sancho die offensiven Probleme der Hinrunde konstant gelöst werden können. Die Auftritte in den ersten drei Spielen waren – analog zum Saisonbeginn – glanzlos, aber effizient. Darmstadt, Bochum und Köln sind gewiss nicht die Gradmesser der Dortmunder Verfasstheit, allerdings gerade die Kaliber, über die der BVB zuletzt auch gestolpert ist.
Borussia Dortmund: Probleme im defensiven Mittelfeld
Das Problem in der Offensive, erklärte Taktikexperte Benny Grund im Gespräch mit watson, sei der klare Plan, um in das letzte Spielfelddrittel zu kommen. Sancho ist unter diesem Gesichtspunkt keine Bereicherung. Verstärkung erachtete Grund vielmehr "auf beiden Außenverteidigerpositionen und auf der Sechs" als notwendig.
Nun ist es, siehe oben, illusorisch, im Winter-Transferfenster alle Baustellen adäquat zu schließen. Zumindest die linke Abwehrseite wurde allem Anschein nach verstärkt und Jadon Sancho bringt als Eins-gegen-Eins-Spieler mehr Variation in die Dortmunder Vorwärtsbewegung.
Aber: Im Spielaufbau agiert der BVB mitunter weiterhin schleppend, und ist dabei aktuell stark von zündenden Ideen von Marcel Sabitzer abhängig. Weder Emre Can noch Salih Özcan sind Spielertypen, die eine Partie dirigieren können.
Im Dortmunder Spielaufbau kommt es derzeit sehr auf die Leistung von Marcel Sabitzer an.Bild: dpa / David Inderlied
Dazu hat Borussia Dortmund auch Spieler im Winter abgegeben: Giovanni Reyna kam in der laufenden Spielzeit nur zu sporadischen Einsätzen und wird bis zum Saisonende an Nottingham Forest verliehen. Abwehrtalent Hendry Blank, zuletzt hinter Mats Hummels, Nico Schlotterbeck und Niklas Süle vierter Innenverteidiger, wechselt zu RB Salzburg. Die Breite in der Abwehrzentrale bleibt entsprechend bedenkenswert.
Nuri Şahin und Sven Bender kamen als Co-Trainer zu Borussia Dortmund
Womöglich hat der wichtigste Aspekt des Dortmunder Winter-Transfergeschehens aber auch gar nichts mit den Spielern auf dem Feld zu tun. Sondern mit dem Personal am Spielfeldrand.
Zum Jahresbeginn stellte der BVB die Dortmunder Identifikationsfiguren Nuri Şahin und Sven Bender an die Seite von Edin Terzić. Die Co-Trainer inmitten einer Saison auszutauschen, grenzt an einen beispiellosen Vorgang. Auch deswegen kamen umgehend Gerüchte auf, Şahin werde bereits als Terzić-Nachfolger installiert.
Sven Bender und Nuri Şahin sind seit Jahresbeginn Co-Trainer beim BVB. Bild: imago images/ HMB-Media
Edin Terzić sind solche Diskussionen "total wurscht". Er habe sich seit Längerem "starke Persönlichkeiten" an seiner Seite gewünscht, "und nur starke Persönlichkeiten wollen sich mit starken Personen umgeben". Als die beiden damals gegangen seien, "haben uns auch ein paar Werte verlassen", sagte Terzić, "die wollten wir wieder zurück zum BVB bringen".
Nach dem Vorbild der Kompetenzverteilung im American Football, wo unter dem Headcoach je ein Trainer für die Defensive und die Offensive verantwortlich sind, möchte jetzt auch Borussia Dortmund arbeiten. "Sven hat früher unsere Defensive stabilisiert, das ist jetzt auch der Fokus", sagte Terzić. "Nuri wird sich auf alle offensiven Abläufe fokussieren."
Borussia Dortmund ist bereits im DFB-Pokal ausgeschieden
Edin Terzić wurde in der Hinrunde vorgeworfen, nicht den besten Draht zur Mannschaft zu haben, während des Spiels keine nennenswerten Impulse geben zu können und die Spieler nicht weiterzuentwickeln. Und über allem steht die zu Tode zitierte Mentalitätsdiskussion. Sven Bender und Nuri Şahin scheinen wie das geeignete Personal, zumindest diese Diskussion zum Verstummen zu bringen.
Zumal die Bewertung der Transferphase letztlich auch an den noch zu erreichenden Saisonzielen gemessen werden muss. Im DFB-Pokal ist der BVB bereits ausgeschieden, im Meisterschaftskampf liegt man dreizehn Punkte hinter der Tabellenspitze und in der Champions League trifft Dortmund mit PSV Eindhoven auf einen verhältnismäßig einfachen Gegner im Achtelfinale. Der vierte Platz in der Liga sollte angesichts der Verstärkungen machbar sein. Und alles darüber hinaus ist bereits als Erfolg zu verbuchen.