Die Formel 1 in Deutschland war jahrelang eine enorme Erfolgsgeschichte. RTL machte mit wahnsinnigen Einschaltquoten sogar dem Fußball Konkurrenz. Zeitweise schauten bei den Rennen mehr als 25 Millionen Menschen zu.
Doch diese Zeiten sind längst vergangen. Die am Wochenende in Bahrain beginnende Saison wird lediglich bei Sky im Pay-TV zu sehen sein. Ein dauerhaftes Interesse an der Formel 1 gibt es bei den deutschen Sendern nicht mehr.
"Mir tut es wirklich leid, dass wir Deutschland für die Formel 1 verloren haben. Es gibt ja auch keine Rennen [in Deutschland, Anm. d. Red.] mehr. Es sieht so aus, als ob sich Deutschland für die Formel 1 gar nicht mehr existieren würde", resümierte der ehemalige Formel-1-Boss Bernie Ecclestone gegenüber der Deutschen Presse-Agentur.
Die Situation ist sogar so dramatisch, dass RTL freiwillig auf die vertraglich gesicherten vier Rennen im Free-TV in dieser Saison verzichtet.
Und auch die anderen Sender ducken sich bei den Rechten aktuell eher weg, statt sich ein heißes Wettbieten zu liefern.
"Wir haben entschieden, in 2023 auf die Übertragung einzelner Rennen der Formel 1 zu verzichten. Wir konzentrieren uns im Free-TV auf Fußball und unsere neu erworbenen NFL-Rechte", bestätigte ein RTL-Sprecher auf watson-Anfrage die bereits im November verkündete neue Strategie des Kölner Senders.
Laut der "Bild"-Zeitung soll dem Sender die Sublizenz von Sky, die die Rechte für die Formel 1 besitzen, in Höhe von zehn Millionen Euro zu teuer gewesen sein. Zudem hätte RTL wohl gern mehr als die vier vereinbarten Rennen gezeigt.
Statt auf die Königsklasse des Motorsports zu setzen, weist der RTL-Sprecher daraufhin, dass der Spartensender Nitro ausgewählte Läufe der WEC-Langstreckenweltmeisterschaft, wie die 24-Stunden-Rennen von Le Mans und am Nürburgring, zeigt.
Auch ProSieben.Sat1 will die verlorenen NFL-Rechte an RTL nicht mit der Formel 1 füllen. "ProSieben zeigt die Formel E und die DTM. Mehr Motorsport ist aktuell nicht geplant", machte Sprecher Christoph Körfer gegenüber watson deutlich.
Dass die Formel 1 künftig bei den Öffentlich-Rechtlichen läuft, ist auch ausgeschlossen, dies sei laut eines Unternehmenssprechers des ZDF "kein Thema". Auch nicht für die ARD, die seit dem Jahr 2000 18 Jahre lang zumindest das Zuhause für die DTM war.
"Liverennen der Formel 1 zu übertragen, ist programmlich-strategisch bei der ARD in diesem Jahr nicht vorgesehen", machte ARD-Sportchef Axel Balkausky auf watson-Anfrage deutlich. Und ihm zufolge wird sich daran auch im Laufe dieser Formel-1-Saison nichts ändern. Selbst die Übertragungsrechte für nur ein einzelnes Rennen kämen nicht infrage.
Für Sky ist das bisher noch kein Problem. Ein Sprecher betonte gegenüber "Bild", dass alle Rennwochenenden nur bei Sky zu sehen sein werden. Ob eine Partnerschaft mit einem Free-TV-Partner eingegangen wird, ließ er offen. "Wir haben in jedem Fall mehrere Optionen, einzelne Rennen Free to Air zu zeigen. Neuigkeiten hierzu werden wir rechtzeitig bekannt geben."
Spekulationen gab es bereits, dass Sky die Rennen dann frei empfangbar auf seinem Youtube-Kanal oder in der App zeigen können.
Ein Player, der bisher aber nicht in Erwägung gezogen wurde, ist Dazn. Der Streamingdienst zeigt bereits über verschiedene Partnersender und Streams Motorsport wie die MotoGP. Erst kürzlich erschien zudem die Doku "Lucky", die das Leben des langjährigen Formel-1-Bosses Bernie Ecclestone bis zu seinem unfreiwilligen Abgang nachzeichnet.
Doch auch dann würde die Formel 1 wieder hinter der Paywall landen. Ganz undenkbar ist das jedoch nicht. "Die Formel 1 ist jetzt erst einmal bis 2027 vergeben, aber grundsätzlich sind für uns alle Sportrechte relevant. Die entsprechende Ausschreibung schauen wir uns genau an, denn es muss für uns immer wirtschaftlich Sinn ergeben", sagte Dazn auf Anfrage von watson.
Für Haas-Chef Günther Steiner ist das aber keine Entwicklung, die sich nachhaltig auf den Motorsport in Deutschland auswirken wird. "Es ist schwierig, das zu verkaufen, wenn man es über eine so lange Zeit kostenlos anschauen konnte. Aber ich glaube, es braucht einfach Zeit, um die Kultur zu ändern. Auch in England hat es einige Jahre gedauert, bis es sich etabliert hat", sagte er im Gespräch mit watson.
Schließlich gilt ab 2025, dass Sky noch mehr Rechte an der Königsklasse des Motorsports hat. Dann muss nur noch ein deutsches Rennen im Free-TV zu sehen sein – sollte es denn eines geben.
Neben dem Problem der Zahlungsbereitschaft fehlt in Deutschland in gewisser Weise auch eine Identifikationsfigur, für die es sich lohnt, einzuschalten.
Sebastian Vettel ist mittlerweile zurückgetreten und Mick Schumacher scheiterte vorerst am großen Erbe seines Vaters. Der 35-jährige Nico Hülkenberg, der Schumacher beim Team Haas ersetzt, wird wohl auch nicht wieder die großen Massen vor den Fernseher ziehen.