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WM 2022: Wie die WM in Katar den Frauenfußball in Deutschland beeinflusst

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Nationalspielerin Laura Freigang steht mit Eintracht Frankfurt aktuell auf dem dritten Platz der Bundesliga-Tabelle.Bild: www.imago-images.de / imago images
Analyse

WM 2022: Wie die Weltmeisterschaft in Katar den Frauenfußball in Deutschland beeinflusst

Während zahlreiche Fußball-Fans aktuell die WM der Männer in Katar verfolgen, rufen andere dazu auf, die Spiele zu boykottieren. Beispielsweise damit, dass sie sich stattdessen die Spiele der Frauen-Bundesliga ansehen.
16.12.2022, 12:08
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Am 31. Juli fand für die Fußballspielerinnen in Deutschland der Höhepunkt des Jahres statt: das Finale der Frauen-EM in England und gegen England. Dort haben sie knapp ihren neunten EM-Sieg verpasst. Die DFB-Frauen unterlagen dem Gastgeber in Wembley nach Verlängerung mit 1:2.

Dennoch wurden sie von tausenden Fans am sogenannten alten Römer, dem Rathausplatz in Frankfurt, empfangen und gefeiert. 17,9 Millionen Menschen sahen das Finale des DFB-Teams im Fernsehen. Ein Rekord für ein Spiel der Frauen-Nationalmannschaft.

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Die deutschen Nationalspielerinnen wurden nach dem verlorenen EM-Finale gegen England in Frankfurt empfangen.Bild: dpa / Uwe Anspach

Anschließend ging es für einige von ihnen erst einmal in den wohlverdienten Urlaub – bevor die neue Bundesliga-Saison im September mit dem Top-Spiel zwischen Eintracht Frankfurt und dem FC Bayern im Frankfurter Deutsche Bank Park startete. Dort, wo normalerweise die Männerspiele in der Bundesliga stattfinden.

Im Deutsche Bank Park können bis zu 51.500 Menschen ein Spiel verfolgen – das sind fast 46.000 Plätze mehr, als im etatmäßigen Heimstadion der Frauenmannschaft, das Stadion am Brentanobad.

Einige Bundesligisten haben das Glück, dass gleich mehrere Nationalspielerinnen im gleichen Vereinstrikot spielen. Sie hatten die Hoffnung, dass der Hype um den Frauenfußball – und speziell den deutschen Frauenfußball – in die folgende Saison überschwappt.

47 Tage nach der EM konnten das allerdings die wenigsten Vereine vermelden. Doch wie sieht es heute aus und welchen Einfluss hat die Weltmeisterschaft der Männer auf die Anzahl der Fans der Frauen-Bundesligisten? Watson hat nachgefragt.

Euphorie der Frauen-EM auch noch in neuer Saison spürbar

Eintracht Frankfurt ist einer der Vereine, der gleich mehrere Nationalspielerinnen unter Vertrag hat. Eine davon ist Laura Freigang, die der Verein gerne hervorhebt. Im Gespräch mit watson erklärt Paul Schönwetter, ein Sprecher des Vereins, dass die Eintracht auch von ihren Stars profitiert. Unter anderem Laura Freigang würde nicht nur in Deutschland auf der Straße erkannt. Diese Gesichter würden dann auch für den Verein und den Frauenfußball genutzt, sagt Schönwetter. Mit einem Hype wie beispielsweise bei Neymar sei das aber bei weitem nicht vergleichbar.

Kurz nach der Europameisterschaft blickte Schönwetter im Gespräch mit watson vorsichtig optimistisch auf die neue Saison. Jetzt bestätigt er: Seine Prognose, dass der EM-Hype auf die neue Saison übertragen werden könnte, hat sich bewahrheitet. "Wir haben in dieser Saison einen deutlich höheren Zuschauerschnitt", betont Schönwetter. Und weiter:

"Wir haben mehr Fans, mehr Leute, die sich für unsere Spiele, für den Frauenfußball interessieren. Und das auch im Liga- beziehungsweise Vereins-Alltag und nicht nur bei einem Turnier, wie einer EM."

In der vergangenen Saison hatten die Eintracht-Frauen noch einen Schnitt von rund 2500 Zuschauer:innen pro Spiel. Das sei in der aktuellen Saison mit 500 bis 700 Fans mehr schlagartig angestiegen.

So weit wäre Schönwetter allerdings mit seiner Prognose für die neue, laufende Saison nicht gegangen: "Ich habe nicht damit gerechnet, dass der EM-Hype so extrem in der Liga ankommt, weil es die vergangenen Jahre auch nicht so war. Dieses Jahr hat es dann aber besser funktioniert."

Forderung nach Gleichberechtigung spielt auch eine Rolle

Diese Euphorie der Frauen-EM kommt auch bei anderen Vereinen in der Bundesliga an. So bestätigt Maria Reisinger, Sportliche Leiterin des Frauenteams beim SV Meppen, auf watson-Anfrage ebenfalls einen Fan-Gewinn, der mit der EM der Frauen im Sommer zusammenhängt.

Der SC Freiburg kann auf Anfrage von watson über einen längeren Zeitraum zwar noch keinen Zulauf an Fans verzeichnen, allerdings ein gestiegenes Interesse. Das bezieht der Verein mitunter auf die EM.

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Das Spiel der Werder-Frauen gegen den SC Freiburg am 26. November fand vor rund 20.000 Zuschauer:innen statt.Bild: dpa / Carmen Jaspersen

Auch bei den Frauen von Werder Bremen lassen sich höhere Zuschauer:innen-Zahlen verzeichnen. Sie hätten sich, laut Angaben des Vereins gegenüber watson, "von Heimspiel zu Heimspiel erhöht". Waren gegen Turbine Potsdam im September noch 578 Zuschauer:innen im Stadion, stiegen die Zahlen gegen Duisburg auf 744 und gegen die Frauen des VfL Wolfsburg auf 2700. Der absolute bisherige Höhepunkt war gegen den SC Freiburg Ende November mit 20.417 Zuschauer:innen. Die EM habe auch dazu beigetragen, erklärt der Verein.

Einen ganz anderen Erklärungsansatz hat die SGS Essen. Auf watson-Anfrage erklärt Jonas Kaltenmaier, der Trainer des Frauenteams, den Zuschauer:innen-Zuspruch damit:

"Wir erhalten in den Medien mehr Aufmerksamkeit, weil das Thema Gleichberechtigung und starke Frauen gesellschaftlich gewollt ist."

Kein Zusammenhang zwischen der Männer-WM und dem Fan-Interesse

Auch der VfL Wolfsburg hat mehrere Vize-Europameisterinnen unter Vertrag. Die VfL-Frauen hatten im März und April 2022 fünfstellige Zuschauer:innen-Zahlen – der Spitzenwert lag gegen den FC Barcelona bei mehr als 20.000. Deshalb sieht der Verein auf Anfrage von watson auch "keinen Zusammenhang zwischen unseren Zuschauerzahlen und äußeren Einflüssen".

Kurz vor dem Start der Weltmeisterschaft der Männer gab es immer wieder Aufrufe, die Spiele zu boykottieren. Stattdessen könne man sich den Frauenfußball ansehen, der auch während der WM-Spiele der Männer weiterlief. Einen Zusammenhang zwischen der Männer-WM und dem gestiegenen Fan-Interesse an den Frauenmannschaften sehen allerdings auch Eintracht Frankfurt und der SV Meppen nicht.

Paul Schönwetter von Eintracht Frankfurt betont: "Ich habe das Gefühl, dass man Frauenfußball nach dem EM-Hype im Sommer wieder entdeckt, weil die Themen im Fußball abseits der Weltmeisterschaft rar sind."

Und Jonas Kaltenmaier von der SGS Essen vermutet:

"Wir bekommen immer mehr mit, dass der Männerfußball viele Fans nicht mehr emotionalisiert und diese Fans empfänglich für neue Unterhaltungs-/Freizeitangebote sind."

Anders als bei Werder Bremen. Der Verein betont indes, dass sich Teile der organisierten Fanszene bewusst für das Spiel gegen Freiburg – das am 26. November während der WM-Gruppenphase der Männer stattfand – entschieden hätten.

Auch beim SC Freiburg glaubt man, dass zumindest die Bundesliga-Pause der Männer wegen der laufenden WM dazu beigetragen habe, "dass sich Fans in dieser Zeit vermehrt den Frauenteams in ihren Vereinen zuwenden". Ein WM-Boykott könnte den Zuschauer:innen-Zahlen ebenfalls zuträglich gewesen sein. Spannend sei allerdings, wie es nach der Männer-WM weitergehe.

Mehr Fans auch in zweiter Frauen-Bundesliga zu verzeichnen

Doch nicht nur die erste Frauen-Bundesliga spürt ein gesteigertes Interesse der Fans. Harald Sauer, 2. Vorsitzender des Zweitligisten 1. FC Nürnberg, bestätigt gegenüber watson einen "kontinuierlichen Anstieg des Zuspruchs". Zu Beginn der Männer-WM schauten den Spielerinnen im Pokalspiel gegen den VfL Wolfsburg rund 17.000 Zuschauer:innen zu.

Allerdings knüpft er das nicht nur an die WM der Männer:

"Der erhöhte Zuspruch kommt durch den sportlichen Erfolg, engere Zusammenarbeit mit dem 1. FCN Herrenfußball und gezielte Marketing-Aktionen."

Ähnlich, wie die anderen Vereine, blickt auch Paul Schönwetter von der Eintracht weiterhin optimistisch auf die steigenden Zuschauer:innen-Zahlen und hofft, dass man nach der Spielpause auf den aktuellen Zahlen aufbauen kann.

FC Bayern fällt knallharte Entscheidung bei Leroy Sané

Nach dem Erreichen des Halbfinales in der Champions League geht der Blick beim FC Bayern dieser Tage nach vorne. Dabei fallen die bayrischen Augen aber zunächst nicht auf die Königsklasse, zumindest nicht direkt. Vor dem Prestigeduell mit Real Madrid steht erstmal der Bundesliga-Alltag an.

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