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Es gibt nur wenige Personen, die den Fußball in Deutschland derart geprägt haben wie Ralf Rangnick und Uli Hoeneß. 1998 präsentierte Rangnick einem breiten Fernsehpublikum die ungeahnte taktische Neuerung der "Viererkette", später legte er den Grundstein für den Erfolg der damaligen Regional- und heutigen Bundesligisten TSG Hoffenheim und RB Leipzig. Und über Uli Hoeneß ist ohnehin schon alles gesagt, geschrieben, geschwärmt und verächtlich gemacht worden.
Auf dieser Achse, zwischen Ralf Rangnick und Uli Hoeneß, Innovation und Fußball-Royalismus, findet sich Sebastian Hoeneß wieder, derzeit als Trainer beim VfB Stuttgart. Dort steht er als bisherige Überraschung der Bundesliga nach 16 Spieltagen auf dem dritten Tabellenplatz – knapp ein halbes Jahr nach überstandener Relegation gegen den HSV.
Angefangen hat alles in Zehlendorf, einem vornehmen Randbezirk im Südwesten von Berlin. Zwischen Einfamilienhäusern und Bildungsbürgertum hat Sebastian Hoeneß bei Hertha 03 seine ersten Schritte als Trainer gemacht.
"Man hat bei ihm gleich gemerkt, dass er sehr ehrgeizig ist", sagt Kamyar Niroumand, seit 2003 Präsident von Hertha 03, im Gespräch mit watson über den damals 29-jährigen Hoeneß. Zwischen 2011 und 2013 hat dieser die Zehlendorfer U19 betreut. "Er hat auch das gesamte System geändert. Wenn du auf den Platz gegangen bist, hast du ihn kaum wieder erkannt, weil so viele Hütchen draufstanden."
Dass es, anders als bei Papa Dieter oder Onkel Uli, für die ganz große Spielerkarriere nicht reichen würde, zeichnete sich bei Sebastian Hoeneß schon früh ab. Er spielte fast ausschließlich im Amateurbereich, bei Stuttgart, Hoffenheim und Hertha BSC.
Seine einzige Profierfahrung machte Hoeneß in Hoffenheim. Dreimal durfte er 2006 für den damaligen Regionalligisten in der ersten Mannschaft spielen. "Ich bin damit aber dann relativ schnell pragmatisch umgegangen", sagte er später der "Stuttgarter Zeitung".
Also: Sportmanagement-Studium in Berlin und Ablegen der Trainerlizenz. Bis 2010 spielte er noch bei Hertha BSC II, dadurch hätten sie Sebastian Hoeneß auch bereits gekannt, als man auf der Suche nach einem neuen Trainer für die U19 war, sagt Niroumand. "Und ich kannte natürlich seinen Vater."
Den kennt in der Branche jeder, der Name "Hoeneß" ist der wohl bekannteste im deutschen Fußball. Gerade zu Schulzeiten, so erzählt es der heutige VfB-Trainer, hätte er sich manchmal gewünscht, auch nur "der Sebastian" zu sein.
Mittlerweile moderiert Sebastian Hoeneß Nachfragen zu seinem prominenten Nachnamen souverän ab, sie sind zu einer lästigen Gewohnheit geworden. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass dieser ihm einige Türen geöffnet hat. Der Name, sagt Papa Dieter, sei "Fluch und Segen" zugleich.
Nach über acht Monaten in Stuttgart ist davon nicht mehr viel zu spüren. Beziehungsweise war es nie. Den Namen Hoeneß, so erzählt es Top-Torjäger Serhou Guirassy, hatte er zwar schon einmal gehört, "aber, dass Uli Hoeneß der Onkel ist und Dieter Hoeneß der Vater, das wusste ich nicht."
Das mag damit zu tun haben, dass die Gesichtsfarbe von Sebastian Hoeneß in aller Regel im austarierten Bereich liegt und auch sein Ruhepuls zweistellig ist – anders, als man es bei der personifizierten Impulsivität des Onkels vermuten würde.
"Auf den ersten Blick ist er ganz unterschiedlich", sagt Niroumand. Er sei bereits bei Hertha ein introvertierter gewesen, sehr ruhig und ein bisschen schüchtern am Anfang. "Das kannte man gar nicht von einem Hoeneß, wie man ihn so im Fernsehen sieht." Anders sei das während der Spiele gewesen.
"Als Trainer war er schon sehr emotional", sagt Niroumand. "Vielleicht manchmal auch ein bisschen zu eingefahren." Einmal habe es eine Situation gegeben, in der einer der besten Spieler zweimal nicht zum Training gekommen sei: "Und weil er der Meinung war, jeder muss viermal die Woche zum Training kommen, hat er ihn nicht aufgestellt."
Im Laufe der Zeit habe er einen Weg gefunden, mit seinem Temperament umzugehen, erklärte Hoeneß später selbst. Das macht sich in Stuttgart bemerkbar, wo er weniger mit Emotionen als mit Pragmatismus auffällt. Kommunikation sei das wichtigste, sagt er der "SZ", die Spieler müssten wissen, woran sie sind.
Zu seinem Amtsantritt hat er aussortierte Spieler wie Enzo Millot wieder zurückbeordert, häufiger Gnade vor Recht ergehen lassen. "Man muss alles individuell und im Kontext zur Mannschaft betrachten", sagte Hoeneß zu Saisonbeginn dem "Kicker".
Bei Hertha 03 tauchte dann eines Tages ein Spion aus dem RB-Kosmos auf, im Auftrag von Ralf Rangnick. Rangnick war während Hoeneß' flüchtigem Aufenthalt bei den Profis in Hoffenheim Trainer – und erinnerte sich in seiner Funktion als Sportdirektor bei RB Leipzig Jahre später an seinen ehemaligen, schon damals gestaltungsfreudigen Spieler. Er wechselte zur U17 von RB Leipzig, später übernahm er die U19.
"Und daran erkannt man auch, dass die Familie gewusst hat, wie man ihn weiterentwickelt", sagt Niroumand. "Durch die Beziehungen, die sie hatten, hätten sie ihn wahrscheinlich auch woanders unterbringen können."
Beim Lehrgang zum Fußballlehrer hospitierte Hoeneß bei geballter Trainer-Prominenz: Pep Guardiola, Thomas Tuchel, Huub Stevens, Roberto de Zerbi. Gerade mit der Spielart des Brighton-Trainers de Zerbi, für Taktik-Aficionados aktuell so etwas wie der Sam Altman des Fußballs, wird der VfB-Trainer häufiger in Verbindung gebracht.
"Er hat einen spielerischen, einen ballbesitzorientierten Ansatz, der mir gefällt", sagte Hoeneß dem "Kicker" über seinen Trainerkollegen. "Deswegen sind davon sicher Elemente in meine Gedanken eingeflossen."
Hoeneß: Ein innovativer, mit 41 Jahren verhältnismäßig junger Trainer, der seine Außenverteidiger auch mal als "invers" bezeichnet oder seine Sechser als "diametral abkippend". Eine neue Generation, gern diffamierend als "Laptop-Trainer" verpönt.
"Ich glaube, dass diese Trainer mehr planen und sich vorbereiten", sagt Niroumand. "Die verlassen sich nicht nur auf ihr Bauchgefühl." Hoeneß sei "ein bisschen wissenschaftlicher, auch in medizinischer, technischer und psychischer Hinsicht".
Wie der VfB Stuttgart Fußball aktuell spielt, so sagt es Uli Hoeneß etwas volkstümlicher, "da lacht einem das Herz im Leibe".
Weniger erfreut reagierte Hoeneß, als es darum ging, dass sein Neffe im Anschluss an die RB-Zeit zu Bayern München kommen sollte. Er befürchtete den Eindruck der "Vetterlewirtschaft". Erst nach einer Weile ließ er sich von Hermann Gerland umstimmen. In München trainierte Hoeneß schließlich die U19 und später Bayern II.
Mit dem FC Bayern II holte Sebastian Hoeneß die Drittliga-Meisterschaft, was zuvor noch keiner zweiten Mannschaft in Deutschland gelang. Die Zeit schien reif für den nächsten, großen Schritt. Zur kommenden Saison wechselte Hoeneß als Cheftrainer zur TSG Hoffenheim.
Dort kratzte er zeitweise an den Champions-League-Plätzen, musste in seiner zweiten Saison allerdings eine Sieglos-Serie von neun Spielen verantworten. Nach zwei Spielzeiten trennte man sich einvernehmlich. "Ich glaube, der Sprung kam zu schnell", sagt Niroumand über das Intermezzo in Sinsheim. "Bei Hoffenheim weiß man auch, dass Dietmar Hopp einen unglaublichen Einfluss hat, und dass es nicht so einfach ist, da Trainer zu sein."
Die Zwischenzeit, meint Niroumand, habe Hoeneß genutzt, um auch die Reife zu bekommen. Am 3. April 2023 übernahm er den akut abstiegsgefährdeten VfB Stuttgart, in den 31 folgenden Spielen gingen nur sechs verloren. Und der Name Hoeneß gewinnt seitdem in München wieder an Konjunktur: Bayern-CEO Jan-Christian Dreesen sagte bereits, dass man ein mögliches Engagement von Sebastian Hoeneß langfristig "niemals ausschließen" dürfe.
Ob es ihn womöglich zurück zu den Bayern ziehen könnte, als Cheftrainer? "Ja", platzt es aus Niroumand heraus. "Zu 100 Prozent."
