Es ist eines der erfolgreichsten deutschen Teams der letzten Jahre. Von 2010 bis 2020 wurden insgesamt 9 EM-Gold-Medaillen geholt, im gleichen Zeitraum fünf Weltmeistertitel und 2012 bei Olympia in London Gold, 2016 in Rio und 2021 in Tokio holten sie jeweils Silber. Es war eines der erfolgreichsten Jahrzehnte für den Deutschland-Achter. Doch diese Zeit scheint nun zunächst vorbei. Zumindest, wenn man die Ergebnisse der letzten Jahre betrachtet.
Bei den letzten drei Europameisterschaften sprang nur Rang vier raus, zuletzt im Mai. Bei der WM im September 2022 verpasste die Achter-Crew sogar erstmals seit 23 Jahren ein WM-Finale.
Vor den Olympischen Spielen in Paris die Vorzeichen alles andere als rosig. Allerdings gibt es auch Hoffnung. Hoffnung, die einer hart geführten Diskussion entsprang.
Damals hatte der Ruder-Verband bereits einen Expertenrat einberufen, der das Trainingskonzept der Ruderer überarbeiten sollte. Verschiedene Athlet:innen hatten sich schon vorher kritisch geäußert. Darunter Marie-Sophie Zeidler aus dem Doppelvierer, Einer-Weltmeister Oliver Zeidler und auch Torben Johannesen als Schlagmann des Deutschland-Achters.
Damals kritisierte Johannesen beispielsweise: "Man verliert das Vertrauen in den Verband, weil viel angekündigt, aber nichts umgesetzt wird. Es wird immer nur Leistung verlangt, ohne dass wir Werkzeuge bekommen, das auch umzusetzen. Wir Sportler brauchen einen Plan, wie wir in die internationale Spitze zurückkommen." Diesen Plan gibt es nun offenbar.
Im Gespräch mit watson ist Johannesen versöhnlich, spricht davon, dass sich seit der Kritik einiges verbessert habe und er niemanden persönlich angehen wollte. Er erklärt zu den genauen Änderungen: "Konkret haben wir das Verhältnis zwischen Ausdauer- und intensivem Ausdauer-Training verbessert." Demnach stünden nun weniger Grundlagen-Ausdauer-Einheiten an und das Team ginge öfter an die körperlichen Grenzen.
Der 28-Jährige führt weiter aus: "Wir haben versucht, das Team in Trainingslagern wieder mehr zu bündeln, um mehr Kilometer im Achter zu sammeln. Im Vergleich zum vergangenen Jahr reden wir da von rund 1000 gemeinsamen Kilometern mehr." Kilometer, die man nun spürt.
Beim Weltcup im italienischen Varese im Juni erreichte der Deutschland-Achter den dritten Platz, knapp hinter Australien. "Der dritte Platz in Varese war ein wichtiger Schritt. Dort haben wir den Abstand zur Weltspitze deutlich verringert. Wir waren nur eine halbe Sekunde hinter den Australiern, die bei der WM im vergangenen Jahr Dritter waren", ordnet Johannesen ein.
Gerade im Hinblick auf Olympia im kommenden Jahr ist eine gute Platzierung in der Weltspitze wichtig. Bei der WM im September in Belgrad werden insgesamt fünf Tickets direkt für die Achter vergeben. Ein Platz in den Top 5 ist demnach das Ziel. "Darauf ist erstmal alles ausgerichtet", erklärt Johannesen.
Mit einer direkten Qualifikation im Herbst wäre auch die Planung des Olympia-Jahres einfacher. Allein, weil dann die Nachqualifikation im Mai in der Schweiz wegfallen würde und sich der Deutschland-Achter ab September ausschließlich auf Olympia vorbereiten könnte. Über den Winter fielen dann vier Trainingslager an, im Juni ein weiteres. Dazu drei Weltcups und die Europameisterschaft.
Bei diesem Programm wird allerdings auch klar: Viel Zeit bei der Familie hat Johannesen, der seit über einem Jahr Vater einer Tochter ist, nicht. Rund 250 Tage im Jahr, schätzt er, ist er von seinem Zuhause weg. "Dadurch, dass wir in Dortmund trainieren, aber ich in Lübeck beziehungsweise Hamburg lebe, bin ich schon ziemlich lange weg."
Gleichzeitig sei er froh, dass die Möglichkeit besteht, dass seine Frau und die Tochter auch immer wieder mit zum Bundesstützpunkt nach Dortmund kommen können. Glücklich berichtet er: "Unsere Trainerin ermöglicht es, dass die Familie mitkommen kann." Dennoch ist auch Johannesen klar, dass er von seiner Frau viel Unterstützung bekommt. Gleichzeitig will er betonen, dass er kein Teilzeit-Vater sei und er mit seiner Frau ein gutes Team bilde.
Wo wiederum eine Parallele zum Deutschland-Achter besteht. Denn auch dort muss sich aktuell ein neues Team finden. Mit Johannesen und Olaf Roggensack sitzen lediglich zwei Ruderer noch im Achter, die auch schon die Silbermedaille 2021 in Tokio gewinnen konnten. Ein großer Unterschied im Vergleich zum erfolgreichen Jahrzehnt zwischen 2010 und 2020, in dem es nur wenig personelle Veränderungen gab. "Im letzten Zyklus vor Tokio haben wir davon profitiert, dass wir sechs Leute hatten, die immer gleich waren. Man merkt, dass es jetzt anders ist", stellt Johannesen fest.
Nun gilt es, die neuen, jungen Ruderer an den Achter zu gewöhnen. Johannesen kann da als Ratgeber für seine Kollegen agieren. Denn die Umstellung von kleineren Booten auf den Deutschland-Achter ist immens: "Die Bootsgeschwindigkeit ist ganz anders. Man muss die Technik etwas anpassen, weil der Achter schneller ist. Deshalb ist es auch schwieriger, das Ruderblatt richtig ins Wasser zu kriegen." Dazu käme außerdem, dass die Crew es schaffen muss, dass "acht Leute im Einklang ziehen", was schwieriger ist, als im Zweier.
Deshalb wurden die gemeinsamen Trainingskilometer nach oben geschraubt und trotzdem will Johannesen die Erwartungen noch gering halten: "Man muss sich von dem Anspruch der letzten zehn bis zwölf Jahre verabschieden", sagt er. "Es wird jetzt sicherlich wieder ein paar Jahre dauern, bis wir eine breite Basis an Sportlern haben, die dann richtig erfolgreich sein werden mit dem Achter."
Ob Johannesen diesen Erfolg dann noch als aktiver Athlet mitbekommt, ist offen. Denn der 28-Jährige weiß selbst noch nicht, ob es für ihn nach Paris im Leistungssport weitergeht. Der Lehramtsstudent will nach den Olympischen Spielen in sich hineinhorchen und "gucken, ob ich die Motivation habe, vier Jahre dranzuhängen. Einen Einfluss hat da auch die familiäre Situation."
Klar ist für ihn aber: Wenn er weitermacht, dann bis zu den Olympischen Spielen 2028 in Los Angeles.