Der Hoffnungsträger in Hoffenheim heißt Hoeneß, und er ist dort kein Unbekannter. Vor 14 Jahren wechselte Sebastian Hoeneß gemeinsam mit Sejad Salihovic von Hertha BSC II zum damals aufstrebenden Regionalligisten. Während Salihovic mit der TSG bis in die Bundesliga aufstieg, verließ Hoeneß den Klub bereits ein Jahr später wieder und beendete 2010 im Alter von 28 Jahren seine aktive Karriere bei Hertha II.
Jetzt ist der 38-Jährige zurück im Kraichgau. Der Sohn des ehemaligen Hertha-Managers Dieter Hoeneß und Neffe des Ehrenpräsidenten des FC Bayern München, Uli Hoeneß, wird Trainer beim Europa-League-Teilnehmer TSG Hoffenheim. Er tritt die Nachfolge von Alfred Schreuder an. Der Niederländer war im Juni entlassen worden.
Sebastian Hoeneß hat einen Vertrag bis 2023 unterschrieben und soll den Kraichgauern neuen Glanz verleihen. Der Klub war nach dem Abgang von Star-Trainer Julian Nagelsmann im vergangenen Jahr zu RB Leipzig etwas aus dem Fokus der Öffentlichkeit gerückt. Allein der Name des neuen Trainers wird das nun sicher wieder ändern.
Um die Wirkung seines prominenten Zunamens und damit verbundene Erwartungen ist sich Sebastian Hoeneß durchaus bewusst. "Ich weiß, dass der Nachname polarisiert, insbesondere in Verbindung mit Bayern München", sagte er im November der "Süddeutschen Zeitung": "Ich weiß, dass der Druck bei mir erstmal größer ist als vielleicht bei anderen Trainern."
Zuletzt war er für die Reservemannschaft des FC Bayern München verantwortlich. Er übernahm den Drittliga-Aufsteiger zur Saison 2019/20 und führte das Team nach einer hervorragenden Rückrunde zur Meisterschaft. Das hat ihm nun die Tür in die Bundesliga geöffnet. Für Hoeneß ist es ein großer Karriereschritt, von Hoffenheim ist es eine mutige Entscheidung, jemanden auf die Bank zu setzen, der bisher nur eine Profisaison als Trainer hinter sich hat.
Doch TSG-Sportchef Alexander Rosen bezeichnet Hoeneß als "Wunschlösung". Seine Auffassung von Fußball passe hervorragend zur Philosophie und Strategie des Klubs. Rosen freut sich auf einen "richtig starken Typen, der wunderbar zu unserem Trainer- und Funktionsteam passt".
Er habe bewiesen, dass er es versteht, "junge Spieler zu einer leistungsstarken Einheit zu formen. Dabei hat er einen offensiven Ansatz gewählt, der nicht nur attraktiv, sondern auch erfolgreich war", sagte Rosen weiter. Bayerns Cheftrainer Hans-Dieter Flick bediente sich am Ende der abgelaufenen Saison nicht umsonst oft und gerne in der U23, ermöglichte vielen aufstrebenden Profis wie Jamal Musiala oder Oliver Batista Meier ihr Bundesligadebüt.
Hoeneß sieht die grundsätzliche Philosophie seines neuen alten Klubs Hoffenheim identisch zu seiner "Idee von Fußball – offensiv, mutig, flexibel und immer aktiv", sagte er in einer Mitteilung des Bundesligisten.
Leere Fußball-Worthülsen sind das nicht. Bei den Bayern Amateuren ließ er in der Tat erfrischenden, mutigen und offensiven Fußball spielen, der mit einem geordneten, manchmal riskanten Aufbauspiel über den Torwart beginnt. Das Torverhältnis der FCB-Reserve von 76:60 am Ende der Drittligasaison spricht Bände – und auch dafür, was sich Hoffenheim wünscht: Offensivspektakel und viele Tore.
Hoeneß' Spielstil und sein Verständnis von Fußball kommt nicht von ungefähr. Er hospitierte bei Pep Guardiola, Thomas Tuchel und Huub Stevens, arbeitete in der Jugend von RB Leipzig und coachte auch schon die U19 der Bayern – auch wenn Onkel Uli "nicht angetan" von dieser Idee war, wie Sebastian Hoeneß verriet. Bei den Gesprächen über die Freigabe seines Neffen hielt er sich zuletzt raus, "weil ich mich da befangen sehe".
Apropos: Als Sebastian Hoeneß 2019 von der eher weniger erfolgreichen U19-Jugendmannschaft zum Chefcoach des Reserveteams aufstieg, gab es unter einigen Bayern-Fans erhebliche Zweifel. Auf einem Banner während eines Heimspiels von Bayern II gegen Greuther Fürth II im Mai 2019 forderten sie damals öffentlich: "Großer Name macht noch keinen großen Trainer. Seitz (Holger Seitz, jetzt Leiter des FC Bayern Campus, Anm,) muss bleiben." Die Anhänger witterten Vetternwirtschaft.
Doch Sebastian Hoeneß belehrte sie ein knappes Jahr später mit der Drittliga-Meisterschaft eines Besseren. Und nun freut er sich auf die Bundesliga-Aufgabe in Hoffenheim. "Wir stehen vor einer herausfordernden Saison, die noch immer geprägt ist von den Auswirkungen der Corona-Pandemie und in der in Liga, Pokal sowie Europa League komplexe Aufgaben auf uns warten", sagte Hoeneß in einer Pressemitteilung der TSG. "Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir diese anspruchsvollen Themen gemeinsam erfolgreich meistern werden."
Der Wechsel von Hoeneß nach Hoffenheim hatte sich zuletzt immer stärker abgezeichnet. Die Lobeshymne von Hans-Dieter Flick am Sonntag klang schon nach Abschied. "Dass er sich Gedanken macht und sein Ziel die Bundesliga ist, das haben wir alle gewusst und auch erahnt. Das ist ganz natürlich", sagte er über Hoeneß: "Er ist noch ein junger Trainer, hat aber hier schon einige Fußspuren hinterlassen und sehr erfolgreich gearbeitet." Zuvor hatte bereits Flicks Assistent Hermann Gerland Hoeneß als "großes Trainer-Talent" gepriesen.
Am 2. August tritt der ambitionierte Hoeneß-Spross seinen Dienst beim Bundesligisten an, die erste Übungseinheit auf dem Platz ist voraussichtlich einen Tag darauf. Knapp zwei Wochen später geht es für die TSG Hoffenheim ins einwöchige Trainingslager an den Tegernsee. Vielleicht schaut Onkel Uli ja auch mal vorbei, der dort sein Domizil hat.
Sejad Salihovic wird Hoeneß junior indes in Hoffenheim wieder sehen, der Bosnier hospitiert aktuell in der U17-Mannschaft der TSG bei Trainer und Ex-Profi Kai Herdling. Den kennt Hoeneß übrigens auch noch aus gemeinsamen Hoffenheimer Regionalligazeiten.
(as/mit Material von dpa und sid)