Timo Werner und Pep Guardiola sind sich auf all den großen Bühnen, die ihnen der Fußball so bietet, schon so einige Male begegnet. Genau genommen standen sich der deutsche Angreifer und der spanische Trainer in der Bundesliga, der Premier League, der Champions League, im FA Cup sowie im EFL Cup insgesamt 17 Mal gegenüber. Fünfmal ging Werner als Sieger vom Feld, elfmal jubelte Guardiola.
Die Zahlen scheinen also relativ deutlich für das spanische Trainergenie zu sprechen. Für den Mann, der den Erfolg gepachtet hat. Sei es nun mit dem FC Barcelona, mit dem FC Bayern oder eben mit Manchester City. Aber mit den Zahlen im Fußball ist das ja immer so eine Angelegenheit, es ist doch auch immer Auslegungssache. Eine Frage der Perspektive.
Denn allein fünf Siege fuhr Guardiola zwischen 2013 und 2016 mit seinen übermächtigen Bayern, die er als Triple-Team von Jupp Heynckes geerbt hatte, gegen einen jungen Werner ein, der mit einem abbauenden VfB Stuttgart Richtung zweite Liga taumelte. Ohne diese Phase liest sich die Bilanz wesentlich ausgeglichener.
Und dann weist sie noch zwei ganz entscheidende Punkte aus, die sogar doch eher für Werner sprechen. Im größten Duell, das sich die beiden bisher geliefert haben, setzte sich der Deutsche 2021 durch: Mit Chelsea gewann er das Finale der Champions League gegen Manchester City.
Nicht weniger schmerzhaft für Guardiola, im wahrsten Sinne des Wortes, ist der zweite Punkt, den Werner in dieser Detailanalyse macht. Denn mit seinem 1:0-Treffer für Tottenham gegen City Ende Oktober brachte der deutsche Angreifer etwas Unvorstellbares, etwas nie Dagewesenes in Bewegung: Guardiolas bisher schwerste Phase als Trainer.
Die Spurs gewannen jenes Duell mit 2:1, für City war es der Beginn einer denkwürdigen Niederlagenserie. Bis zum vergangenen Wochenende, als Tottenham und Manchester City in der Liga erneut aufeinandertrafen, hatte der Meister bereits vier Pleiten am Stück eingesammelt. Es folgte die fünfte, Werner setzte mit seiner Vorlage zum 4:0 für sein Team den Schlusspunkt.
Es ist die längste Pleitenserie, die Guardiola bisher in seiner Trainerkarriere erlebt. Am Dienstagabend fand sie in der Champions League zwar ein Ende, zufrieden konnte der Spanier aber keineswegs sein. Denn im Heimspiel gegen Feyenoord Rotterdam verspielte seine Mannschaft eine 3:0-Führung, der krasse Underdog kam in der Schlussphase noch zu einem sensationellen 3:3.
Das wiederum nagte ganz offensichtlich an Guardiola, der nach dem Spiel mit zerkratztem Kopf und einer dicken Schramme auf der Nase in der Mixed-Zone erschien. Was durchaus besorgniserregend anmutete, verleitete einige zur Meme-Generierung.
Guardiola selbst ordnete die Kratzer auf der Pressekonferenz entspannt ein. "Ich habe das mit meinen Fingernägeln gemacht", berichtete er mit einem leichten Schmunzeln. "Ich wollte mir selbst wehtun." Lachend verabschiedete er sich anschließend von der Pressekonferenz.
Nun gut, jeder geht mit sportlichen Krisen eben anders um. Und Guardiola ist solche eben überhaupt nicht gewohnt. Aber, und das ist seit dem Dienstagabend und dem Anblick der einst so funkelnden, jetzt aber zerkratzten Glatze des Spaniers wichtig: Ausgelöst wurde all das von Timo Werner.
17 Mal hat Werner bisher gegen Guardiola gespielt, elfmal verloren. Aber was sagen diese Zahlen schon, wenn die Schädeldecke des Spaniers eine ganz andere Sprache spricht? Werner ist eindeutig Guardiolas Kryptonit.