Beim EM-Spiel der türkischen Nationalmannschaft gegen Österreich sorgte Merih Demiral mit einem Jubel über sein Tor für Aufregung. Mit ausgestrecktem Arm zeigte er dabei den sogenannten Wolfsgruß. Wir erklären dir, was genau hinter dieser Geste steckt und warum sie auch aus politischer Sicht problematisch ist.
Fans der deutschen Popkultur dürfte die Geste zunächst an den "Schweigefuchs" aus dem Film "Fack ju Göthe" oder die Geste für "Gut Kick" von Moderator Klaas Heufer-Umlauf erinnern. Denn auch der Wolfsgruß besteht daraus, den Mittel- und Ringfinger auf den Daumen zu pressen und gleichzeitig Zeige- und kleinen Finger hochzustrecken.
Ursprünglich bezieht sich der Wolfsgruß auf eine alte Legende, nach der das türkische Volk von Wölfen abstammt. Dieser Bezug wurde in den vergangenen Jahren aber zunehmend von türkischen Nationalisten missbraucht und gilt als Erkennungszeichen der sogenannten Ülkücü-Bewegung, besser bekannt unter dem Namen "Graue Wölfe".
Die Geste steht entsprechend mittlerweile auch für die faschistische und antisemitische Ideologie der Bewegung, die in ganz Europa seit den 1970er Jahren auf dem Vormarsch ist. Die "Grauen Wölfe" haben zum erklärten Ziel, eine "reinrassige Türkei" aufzubauen, die jegliche Minderheiten im Land ausschließt.
Der Verfassungsschutz warnt vor einem "hohen Gewaltpotenzial" unter den Anhängern. Zwei Dachverbände, die der Bewegung zugeordnet werden, stehen unter Beobachtung.
Merih Demiral erklärte indes nach dem Zeigen der Geste, dass dahinter "keine versteckte Botschaft" verborgen habe. "Wie ich gefeiert habe, hat etwas mit meiner türkischen Identität zu tun", erklärte der 26-Jährige in einer Pressekonferenz nach dem Sieg der Türkei.
Tatsächlich gab der Innenverteidiger an, "hoffentlich" noch mehr Gelegenheiten zum Zeigen der Geste zu haben. Diese sei schließlich ein Ausdruck für seine Freude über den Erfolg der türkischen Mannschaft.
Entsprechend wird der Vorfall nun noch kontroverser auch auf Social Media diskutiert. Autorin und Türkei-Expertin Düzen Tekkel nannte den Gruß von Demiral "eine Verhöhnung für die Opfer". Neben Morddrohungen etwa gegenüber jüdischen Menschen kommt es auch immer wieder zu tätlichen Angriffen durch die "Grauen Wölfe".
Auch Tekkel selbst berichtet von Morddrohungen gegen ihre Person. Der Verfassungsschutz geht davon aus, dass in Deutschland mehr als 12.000 Personen zum Kreis der Bewegung der "Grauen Wölfe" gehören.
In Deutschland wird seit Jahren über ein Verbot des Wolfsgrußes diskutiert, mehrere Bundestagsfraktionen fordern eine entsprechende Regelung im Gesetz.
In Österreich gilt die Geste bereits als extremistisches Symbol und darf daher in der Öffentlichkeit nicht gezeigt werden. Auch in Frankreich ist eine den "Grauen Wölfen" zuzuordnende Bewegung verboten.
Die Uefa hat am Mittwoch entsprechend ein Untersuchungsverfahren gegen den türkischen Nationalspieler eingeleitet. Die Fußball-Union sprach von "unangemessenem Verhalten" bei dem Spiel. Sollte Demiral bestraft werden, könnten ihm auch Folgen für das anstehende Viertelfinale am Samstag drohen.
Bereits im Vorfeld des Achtelfinals hatte die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) eine Forderung an die Uefa gerichtet, den Wolfsgruß in den EM-Stadien nicht zu tolerieren. "Die Uefa sollte sich klar gegen das Zeigen rechtsextremer Symbole positionieren und das Zeigen des Wolfsgrußes mit einem Stadionverbot belegen", erklärte ein Sprecher der GfbV.
Bereits in den vergangenen Tagen war die Uefa bei der EM 2024 durchaus scharf gegen nationalistische Handlungen vorgegangen. In der Gruppenphase wurde etwa der albanische Spieler Mirlind Daku für zwei Spiele gesperrt, weil er zu extremistischen Gesängen im Stadion motiviert hatte.
(mit Material der dpa)