Monisha Kaltenborn arbeitet seit 2019 für Racing Unleashed, vorher war sie jahrelang in der Formel 1 für Sauber aktiv.Bild: Racing Unleashed / Racing Unleashed
Exklusiv
19.02.2023, 16:3520.02.2023, 09:04
In einem Formel-1-Auto sitzen und über die Rennstrecken in Monza, Imola oder Spa heizen. Für viele Motorsportfans ist das ein Traum, der in der Realität wohl kaum zu erfüllen ist. Aber zumindest digital ist das seit einigen Jahren in verschiedensten Simulatoren möglich.
Beispielsweise bei "Racing Unleashed", einer Schweizer Firma, die detailgetreue Simulatoren herstellt und dadurch den Motorsport revolutionieren will. Geführt wird das Unternehmen von einer Frau, die im Rennsport seit Jahren bekannt ist und ihre Spuren auch in der Formel 1 hinterlassen hat: Monisha Kaltenborn.
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Sie war in der Königsklasse des Motorsports eine Vorreiterin. Im Oktober 2012 wurde sie die erste Teamchefin der Formel 1. Eine hauptsächlich von Männern geprägte Szene, in der sie sich durchgesetzt hatte und das Sauber-Team über mehrere Jahre bis zu ihrem Ausscheiden 2017 anführte.
In dieser Zeitspanne sorgte sie mit dafür, dass im Sauber-Team auch Nachwuchspilotinnen eine Chance bekommen, um eines Tages in der Formel 1 zu fahren – beispielsweise die Schweizerin Simona De Silvestro oder Tatiana Calderón, die in der vergangenen Saison in der Formel 2 fuhr. Beide sollten zu Formel-1-Fahrerinnen aufgebaut werden. Bis jetzt haben sie diesen Schritt noch nicht geschafft.
Digitaler Rennsport soll analogen nicht ablösen
Aktuell versucht Kaltenborn erneut eine Möglichkeit zu schaffen, um den einen Einstieg in den Motorsport zu bieten. Nicht ausschließlich für Frauen, aber auch die sollen davon profitieren. Seit vier Jahren ist sie Geschäftsführerin von "Racing Unleashed", einem Unternehmen, das Simulatoren herstellt und dadurch den Motorsport weiterentwickeln will.
Für Kaltenborn soll der digitale Rennsport dabei den analogen nicht komplett ablösen. Sie versteht beide Arten von Motorsport als wichtig, sich gegenseitig ergänzend und zeigt, wie es teilweise schon so weit ist: "Max Verstappen oder Lando Norris sind gute Beispiele für Fahrer, die zwischen der virtuellen und der analogen Welt switchen können", erzählt sie im Gespräch im watson.
Dabei bieten Simulatoren einige Vorteile. Sie sind beispielsweise nachhaltiger, was den CO₂-Ausstoß angeht. "Wir haben keinen CO₂-Ausstoß, weil unsere Motoren auf einem mathematischen Modell basieren", erklärt Kaltenborn die Simulatoren von "Racing Unleashed".
"Leider sieht der Frauen-Anteil auch bei uns schlecht aus."
Monisha Kaltenborn, Geschäftsführerin von "Racing Unleashed"
Natürlich müssen auch diese Simulatoren produziert werden, allerdings beteuert Kaltenborn, dass ihr Unternehmen stets auf der Suche nach Materialien sei, die "noch nachhaltiger" seien. Dazu käme noch der Verschleiß bei Teilen des Simulators, wie den Pedalen. Allerdings gibt es diesen Verschließ auch im normalen Rennauto.
Ein weiterer positiver Effekt von Simulatoren ist die Ersparnis von Reisen. Während der Formel-1-Zirkus mehrere tausend Kilometer im Jahr auf der ganzen Welt unterwegs ist und dabei Unmengen an Reifen, Ersatzteilen und weiterem Equipment transportiert, stehen die Simulatoren von "Racing Unleashed" in sogenannten Lounges.
Formel-1-Simulatoren in der Schweiz, München und Madrid
Davon gibt es drei in der Schweiz, eine in München und eine in Madrid. "Die Fahrerinnen und Fahrer werden nicht an einem Ort versammelt und reisen dann über den Globus. Sie müssen lediglich zur Lounge mit der kürzesten Anreise", erklärt Kaltenborn.
Das große Ziel für das aktuelle Jahr sei es, die Lounges noch weiter global auszubreiten. Laut Kaltenborn soll es "über die europäischen Grenzen hinaus gehen – in die USA, nach Asien oder in den arabischen Raum."
Insgesamt drei Bildschirme haben die Fahrenden vor sich und dem Simulator, um die Strecke zu sehen.Bild: Racing Unleashed / Racing Unleashed
Die ehemalige Sauber-Chefin sieht aber auch noch Verbesserungspotential, für die Nachhaltigkeit ihres Unternehmens. Strom aus alternativen Quellen, mit dem die Simulatoren dann betrieben werden, sei ein Aspekt.
Darüber hinaus betont Kaltenborn den Vorteil von Simulatoren als Einstieg in den Rennsport. Das Angebot sei im Vergleich zum analogen sehr "niedrigschwellig". "Im Kartsport kostet eine Saison gut und gerne 200.000 Euro. Dazu kommen kostenintensive Reisen."
Ein F1-Simulator kostet zwischen 80.000 und 85.000. In Zukunft soll auch ein GT-Simulator produziert werden.Bild: Racing Unleashed / Racing Unleashed
Ein Jahres-Abo in den Lounges ihrer Simulatoren, mit dem man unbegrenzt fahren und trainieren darf, kostet umgerechnet etwas mehr als 2400 Euro. Dazu könnten Preise von den wöchentlichen Wettbewerben kommen.
Dabei ist die Organisation in zwei Ligen eingeteilt. Die Challenger League für den Beginn, die Racer League für Fortgeschrittene beziehungsweise Profis. "An jedem Rennwochenende können 5000 Franken gewonnen werden", erklärt Kaltenborn einen Vorteil für sehr gute Fahrer:innen. Allerdings müsse auch extrem viel trainiert werden.
Formel-1-Simulator: Gleiche Chancen für alle Teilnehmenden
Weil die Simulatoren auf einem einheitlichen Modell basieren, sieht Kaltenborn hier die Chancengleichheit gegeben. Alle Teilnehmenden einer Challenge haben demnach dasselbe Potential im Auto. "Das fahrerische Können steht deshalb im Vordergrund", hält sie fest.
Kaltenborn hofft auch, dass sie durch ihr Simulatoren-Programm den Frauen-Anteil im Rennsport erhöhen kann. Dafür spricht, dass junge Frauen oft nicht genug Sponsorengelder erhalten, um im Rennsport weiter aktiv zu bleiben. Der – im Vergleich zum Kartsport – geringe Betrag für die uneingeschränkte Teilnahme könnte dabei helfen.
Aktuell sieht es bei Racing Unleashed faktisch allerdings anders aus. "Leider sieht der Anteil auch bei uns schlecht aus", muss Kaltenborn im Gespräch mit watson zugeben. Im Abschluss-Klassement der Racer League 2022 findet sich keine Frau.
Allerdings hat das Schweizer Unternehmen bereits gezeigt, dass es als Sprungbrett in den analogen Rennsport dienen kann. "Wir haben mit dem englischen Motorsport-Verband ein Projekt durchgeführt. Online wurden ein Junge und ein Mädchen für je einen Formel-4-Sitz gesucht. Für die letzte Runde der Ausscheidung fuhren sie in unseren Simulatoren", erklärt Kaltenborn.
Dass eine Frau in der Formel 1 fährt, hält Kaltenborn für realistisch. "Es wird allein daran liegen, ob sie vorher die Chancen bekommt, sich zu beweisen. Das liegt aber meistens in den Händen von Männern", bemängelt sie. Durch die Simulatoren könnte sich nun ein weiterer Weg in den Rennsport geöffnet haben.
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