Von einem "Träumli" sprach Riola Xhemaili, als alles vorbei war. Die Schweizer Nationalspielerin meinte den Moment in der Nachspielzeit, als sie im EM-Gruppenspiel gegen Finnland das 1:1 erzielte. Ein Tor, das Xhemaili zur Matchwinnerin machte und den Gastgeberinnen das Weiterkommen ermöglichte.
Hätte es den Ausgleich nicht gegeben, wäre das Turnier für die Schweiz vorbei gewesen. So aber wurde es ein Abend, der sich in Genf wie ein kleines Fußballwunder anfühlte. Die Fußballerinnen hatten Geschichte geschrieben. Zum ersten Mal stehen sie bei einer Europameisterschaft unter den letzten Acht.
Der Abend glich einer Genugtuung. Denn was in Genf gelang, war nicht nur ein sportlicher Erfolg, sondern auch eine Antwort auf Wochen, in denen das Können der Schweizer Fußballerinnen öffentlich infrage gestellt wurde.
Einen Tag nach dem Weiterkommen veröffentlichte Riola Xhemaili ein kurzes Video auf Tiktok. Zu sehen ist sie mit ihrer Teamkollegin Alayah Pilgrim, wie sie die Lippen zu Taylor Swifts "Ready for it?" bewegen.
Die Headline zu dem Video lautet: "POV: the 7:1 duo is back." Zudem ein Satz, der als Botschaft verstanden werden darf: "Übrigens ist uns das egal."
Man muss nicht viel hineinlesen, um zu verstehen, worauf sich das bezieht. Das Video richtet sich gegen eine Welle von Häme, die das Team vor Turnierbeginn getroffen hatte, ausgelöst durch ein Testspiel gegen das männliche U15-Team des FC Luzern.
Die Schweizerinnen verloren die Partie mit 1:7, das einzige Tor erzielte Pilgrim. Der Verband veröffentlichte das Ergebnis nicht offiziell, doch ein Video des Spiels machte schnell die Runde.
Viele unterstellten fehlendes Können, manche machten sich über das Resultat lustig, andere bemühten bekannte Klischees über Frauenfußball.
Was jene, die sich abfällig über die Fußballerinnen geäußert haben, aber nicht wissen oder nicht wissen wollen: Solche Testspiele gegen männliche Jugendmannschaften sind im Frauenfußball gängige Praxis. Nicht nur in der Schweiz. Auch die deutsche Nationalmannschaft trat vor der WM 2023 gegen eine U17-Auswahl an. Die USA verloren einst gegen eine U15-Mannschaft aus Dallas.
Aber warum treten Frauen gegen Spieler an, die noch nicht mal alt genug sind, um Bier zu kaufen?
Passende Gegnerinnen sind im Trainingskalender oft schwer zu finden, insbesondere in der heißen Phase der EM-Vorbereitung. Und Spiele gegen gleichaltrige Männerteams machen aufgrund der körperlichen Unterschiede wenig Sinn.
Deshalb fällt die Wahl auf U15-Teams, die, wohl gemerkt, auch einen biologischen Vorteil gegenüber Frauen haben. Männliche Jugendliche in dem Alter verfügen in der Regel über mehr Muskelmasse, höheres Tempo und größere Sprungkraft.
Die Fußballerinnen wählen diese Gegner bewusst – nicht, um zu gewinnen, sondern um sich unter hoher physischer Belastung zu testen. Es geht um Rhythmus, Handlungsschnelligkeit, Belastungstoleranz. Die Resultate solcher Partien sind sekundär.
Meistens finden sie deshalb hinter verschlossenen Türen statt. Auch, weil die Reaktionen auf ein solches 1:7-Ergebnis – wie jetzt in der Schweiz – absehbar sind.