Robin Gosens ist ein besonderer Fußballprofi. Mit 26 Jahren ist er im Fußballbusiness ein Spätstarter, für Jugendauswahlmannschaften des DFB spielte er nie, ein Nachwuchsleistungszentrum eines Bundesligisten hat er nicht durchlaufen. Sein Karriereweg ist ungewöhnlich. Vor acht Jahren wechselte der defensive Linksaußen als Amateur aus der U19 des VfL Rhede in die niederländische Eredivisie und später nach Italien zu Atalanta Bergamo. Dort, in der Serie A, spielte er sich in den vergangenen Jahren in den Fokus.
Anfang September feierte Robin Gosens, der auch einen niederländischen Pass besitzt, gegen Spanien sein langersehntes Debüt in der deutschen Nationalmannschaft. Bereits im Frühjahr hatte Bundestrainer Joachim Löw den gebürtigen Emmericher nominieren wollen, doch dann kam Corona.
Gosens hatte bei seinem Debüt gegen die Spanier einen "gigantischen Abend", wie er anschließend sagte. Es folgten drei weitere Auftritte im Nationaltrikot gegen Ukraine, Schweiz und Türkei. Dass er überhaupt noch mal so weit kommen würde, daran hat er lange Zeit selbst nicht so recht geglaubt. Die Nationalmannschaft sei immer "utopisch weit weg" gewesen, erklärte Gosens am Rande seiner DFB-Premiere.
Doch er hat sich festgespielt im Kader des Bundestrainers. Und Löw hat den dynamischen Außenbahnkämpfer wenig überraschend wieder für die anstehenden Länderspiele gegen Tschechien (Test), Ukraine und Spanien (Nations League) berufen.
Und er kann irgendwie immer noch nicht so richtig fassen, was passiert. Im Interview mit "Sport 1" sagte der Nationalelfneuling, angesprochen auf die Bayern-Stars im DFB-Training:
Es sei für ihn sofort greifbar gewesen, "dass die [Bayern-Spieler] alles gewinnen wollen." Und weiter: "Wie die sich da reinsteigern, ist beeindruckend. Egal, ob es ein Positionsspiel ist oder ein Fünf-gegen-Fünf: Wenn sie nicht gewinnen oder das Tor treffen, zerreißen sie sich."
Außerdem hob Gosens die große Bedeutung der Triple-Champions für die gesamte Nationalelf hervor:
Zu einigen Bayern-Profis habe Gosens auch bereits nach wenigen "Lehrgängen", wie die DFB-Kicker ihre Länderspielreise neuerdings öffentlich nennen, einen guten Draht: Mit Niklas Süle, Joshua Kimmich und Serge Gnabry verstehe er sich gut, "weil wir auch auf einer Wellenlänge liegen." An Kimmich sendete er dazu gute Genesungswünsche. Der Mittelfeldspieler verletzte sich im Topspiel gegen Borussia Dortmund am vergangenen Samstag am Knie und fällt voraussichtlich bis Januar aus.
Über das generelle Niveau im Training der Nationalelf zeigte sich Gosens fast ehrführchtig: Es sei "surreal und beeindruckend zu sehen, wie gut die Jungs kicken können." Bei seinem Klub Atalanta habe er manchmal Trainingseinheiten, "bei denen ich auf Sparflamme trainieren kann, wenn ich mich müde fühle." Wenn er bei einer DFB-Einheit "nur ein Prozent runterschalte, bin ich sofort viel schlechter als alle anderen. Ich kann mir also nicht erlauben, unaufmerksam zu sein."
Auch sprach Gosens über seine Zukunft außerhalb des Fußballs – als Psychologe: "Für mich steht fest, dass ich mit dem Fußball erst mal nichts mehr an der Mütze haben will, wenn das hier vorbei ist", sagte der 26-Jährige. Stattdessen wolle er sein Bachelorstudium abschließen "und meinen Master in Sportpsychologie drauflegen".
Gosens Fernziel: "Eine psychologische Praxis aufmachen, um Menschen zu helfen, die Probleme mit Druck und Angst haben. Ich bin selbst in einem Business, wo Einwirkungen von außen dazukommen. Deswegen habe ich ein gutes Gesamtpaket, um Menschen helfen zu können."
Schon jetzt bemühe er sich in seiner Freizeit stets darum, in seinem Studium voranzukommen – auch im Kreise der Nationalmannschaft. "Ich habe immer etwas zu tun, versuche die Studienbriefe durchzuarbeiten und Hausarbeiten zu schreiben. Denn wir haben im Mannschaftshotel oft Leerlauf", sagte der Profi von Atalanta Bergamo.
Während ein Großteil seiner Mitspieler auf die Playstation schwöre, habe er "ein, zwei Bücher im Gepäck, die ich immer schaffe durchzulesen". Wenn er keine Fachliteratur liest, dann Thriller. Am liebsten jene von Bestsellerautor Sebastian Fitzek. Von ihm habe er "fast alles" gelesen.
Er ist eben ein besonderer Fußballprofi, der Robin Gosens.