Bereits gegen Sparta Prag zeigten VfB-Fans ein "Fuck Uefa"-Plakat.Bild: imago images / pressefoto baumar
Fußball-Kolumne
In seiner Kolumne schreibt der Fanforscher Harald Lange exklusiv auf watson über die Dinge, die Fußball-Deutschland aktuell bewegen.
Zur Arbeit der Fußballverbände gehört bedauerlicherweise das reflexhafte Sanktionieren und Bestrafen der ihnen angeschlossenen Verbände und Vereine. Vor allem in Hinblick auf vermeintliches Fehlverhalten der Fans.
Diese Praxis ufert seit vielen Jahren immer weiter aus, ohne dass an irgendeiner Stelle nennenswerte Wirkunken sichtbar werden. Im Gegenteil. Am Beispiel des Gebrauchs von Pyrotechnik beobachten wir seit vielen Jahren sogar einen gegenteiligen Effekt: Je höher die Strafen und je restriktiver das Vorgehen gegen Pyro-Verstöße, desto mehr Fackeln werden in den Stadien abgebrannt.
Die Fronten verhärten sich immer weiter, es entfacht ein regelrechter Machtkampf zwischen Verbänden und Fans. In dessen Verlauf werden Pyrotechnik und Banner mit abwertenden und schmähenden Botschaften auffällige Symbole der Auseinandersetzung.
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Im Nachgang zum Champions League Spiel zwischen dem VfB Stuttgart und Atalanta Bergamo verhängte die Uefa soeben erneut eine saftige Geldstrafe sowie eine Teilsperrung der Cannstatter Kurve, die zur Bewährung ausgesetzt wurde.
VfB Stuttgart muss Strafen an Uefa zahlen – auch für Plakat
Neben den üblichen Positionen – 50.000 Euro für Pyrotechnik und 12.000 Euro für das Blockieren von Wegen – stehen diesmal auch 15.000 Euro für das Zeigen einer "provokativen, beleidigenden Botschaft" auf der Rechnung. In der Cannstatter Kurve wurde ein Banner mit der Aufschrift "Fuck Uefa" ("Scheiß Uefa") gezeigt.
Im Grunde unspektakulär und nicht der Rede wert. Wer regelmäßig ins Stadion geht, weiß, dass solche "Fuck"-Botschaften zur Folklore bestimmter Fanszenen dazu gehören. Man mag sich darüber streiten können, ob und wie ernst solche folkloristischen Provokationen zu werten sind.
Sie werden allerdings erst dann interessant, wenn Verbände wie die UEFA dünnhäutig reagieren und diese acht Buchstaben mit einer astronomisch hohen Strafe von 15.000 Euro belegen. Satte 3000 mehr als für das Blockieren der Aufgänge, die im Falle des Falles sicherheitsrelevant wären.
Fanforscher und watson-Kolumnist Harald Lange.Bild: uni würzburg
Über den Autor
Harald Lange ist seit 2009 Professor für Sportwissenschaft an der Universität Würzburg. Er leitet den Projektzusammenhang "Fan- und Fußballforschung" und gilt als einer der bekanntesten Sportforscher in Deutschland. Der 55-Jährige schreibt und spricht täglich über Fußball, auch in seinem Seminar "Welchen Fußball wollen wir?"
Uefa bleibt Antworten zur Verhältnismäßigkeit schuldig
Wo liegen die Ursachen der fehlenden Souveränität im Umgang mit solchen Provokationen? Weshalb ignoriert man sowas nicht einfach? Soll sich das Fußballstadion zu einem anderen Ort mit anderen Ritualen, Gebräuchen, Symbolen und ganz anderen Fans entwickeln?
Zu einem Ort wie einem Theater, Kino oder irgendeine Eventbude, in der sich die Kund:innen und Zuschauer:innen selbstverständlich anders verhalten und entweder gar keine oder irgendwelche Klamauk-Botschaften senden würden? Wer aus der Uefa-Chefetage entscheidet das und wer legt so ein Strafmaß fest?
Und vor allem: Aus welchem Grund agiert man bei dieser Botschaft auf einmal derart überempfindlich, ohne diese Dünnhäutigkeit auch nur mit einem Satz gegenüber den betroffenen Vereinen und der Öffentlichkeit zu erläutern?
Die Uefa setzt die "Fuck Uefa"-Banner seit einiger Zeit erst durch ihre drakonischen Strafen ins Bild der Öffentlichkeit.
Auch Dänemark-Fans zeigten den Spruch bei der EM im Sommer.Bild: IMAGO images / nordphoto
Während der Fußball-Europameisterschaft im letzten Sommer hagelte es mehrere solcher Strafen. Am 20. Juni präsentierten dänische Fans so ein Banner im Frankfurter Waldstadion beim Spiel ihrer Mannschaft gegen England. Der Fußballverband Dänemarks bekam hierfür eine Strafe von 10.000 Euro aufgebrummt, die er an die verantwortlichen Fans weitergeben wollte.
Ähnliches passierte zwei Tage später beim Spiel zwischen Rumänien und Belgien in Köln. Dort zeigten die Fans ein Banner mit der Aufschrift "Uefa Mafia". Die Liste solcher Banner und Strafbescheide ist lang, weshalb wir danach fragen müssen, was das soll?
Beleidigungen rechtfertigen drakonische Strafen nicht
Für mich persönlich überschreiten beleidigende Botschaften die Grenzen der angemessenen Kommunikation und des guten Geschmacks. Gleichzeitig bewerte ich aber auch die überzogenen Reaktionen und unangemessenen Strafen als willkürlich und nicht zielführend.
Die Logik der Kurve wird uns zeigen, wohin diese wenig souveränen verhängten Sanktionen führen werden. Die Uefa präsentiert der Öffentlichkeit damit zuallererst ihre Dünnhäutigkeit im Umgang mit Kritik, spielt in unangemessener Weise mit den Muskeln ihrer Macht, wodurch die besagten Banner für diejenigen, die diese Macht nicht akzeptieren wollen, erst wirklich interessant und relevant werden.
Wir können also davon ausgehen, dass wir auch in den kommenden Monaten weitere solcher Banner sehen werden.
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