DFB-Kapitän Joshua Kimmich und Julian Brandt waren beim Ukraine-Spiel enttäuscht über ein Gegentor.Bild: Imago Images / Revierfoto
Fußball-Kolumne
In seiner wöchentlichen Kolumne schreibt der Fanforscher Harald Lange exklusiv auf watson über die Dinge, die Fußball-Deutschland aktuell bewegen.
Die WM 2006 war aus nachvollziehbaren Gründen ein Märchen. Die vier Wochen andauernde Fußballeuphorie hatte niemand erwarten können. Die junge Mannschaft um den charismatischen Teamchef Jürgen Klinsmann ließ sich von der Stimmung im Land mitreißen, gewann am Ende das Spiel um Platz Drei und wurde gefeiert wie ein Weltmeister.
Fan-Forscher Harald LangeBild: Uni Würzburg
Über den Autor
Harald Lange ist seit 2009 Professor für Sportwissenschaft an der Universität Würzburg. Er leitet den Projektzusammenhang "Fan- und Fußballforschung" und gilt als einer der bekanntesten Sportforscher in Deutschland. Der 55-Jährige schreibt und spricht täglich über Fußball, auch in seinem Seminar "Welchen Fußball wollen wir?"
Das war ebenso einmalig wie gigantisch und deshalb ist der Wunsch, dass sich so etwas anlässlich der Europameisterschaft 2024 in Deutschland wiederholen mag, naiv. Die Nationalmannschaft folgt dem negativen Sog des DFB und hat die Bindung zu ihren Fans und Zuschauern verloren. Das ist traurig, aber keinesfalls ausweglos.
Bindung kann wiederaufgebaut werden. Dafür brauchen wir jedoch einen grundlegenden Paradigmenwechsel: Einen Plan und eine neue Idee zum Fußball, neue Impulse im Auftritt und Engagement der Nationalmannschaft und vor allem eine grundlegend andere Herangehensweise mit der Fehler- und Situationsanalyse in der Spitze des DFB.
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Reformen tun zuweilen weh und das Eingestehen von Fehlern fällt in einem Verband, der traditionell mehr auf Hochglanz als auf kritische Selbstreflexion setzt, schwer. Deshalb blieb dem Präsidenten Bernd Neuendorf nach der Bauchlandung in Katar auch nicht viel mehr übrig als seinem Vize, Hans-Joachim Watzke, das Ruder zu überlassen, mit Hansi Flick und dem gescheiterten Trainerstab weiterzumachen, eine ominöse Taskforce einzusetzen und Rudi Völler zum neuen Sportdirektor zu machen.
Gebracht hat das alles nichts, denn ein Jahr vor dem Eröffnungsspiel der Europameisterschaft 2024 wurde die Nationalmannschaft in Bremen gegen die Ukraine (3:3) gnadenlos ausgepfiffen.
"Das Einzige, was bleibt, ist die Hoffnung auf eine Wiederholung des Sommermärchens. Wie naiv."
Das Versprechen, die Fans mit erfolgreichem und aufopferungsvollem Fußball wieder zurückzuholen, wird der Verband nicht einlösen können. Hat er wohl auch nicht ernsthaft vor, denn mit Polen (heute Abend) und Kolumbien (am kommenden Dienstag) hat man sich schon wieder Gegner aus der zweiten oder dritten Reihe für Freundschaftsspiele ausgesucht. Das Einzige, was bleibt, ist die Hoffnung auf eine Wiederholung des Sommermärchens. Wie naiv.
Im Sommermärchen 2006 hatten wir mit Franz Beckenbauer noch einen Kaiser. Heute ist Philipp Lahm der Turnierdirektor, der auch in diesen Tagen nicht müde wird, jedem mitzuteilen, wie groß seine Vorfreude auf die Europameisterschaft 2024 ausgeprägt ist.
Klinsmann hatte 2006 einen wirklichen Konkurrenzkampf ausgerufen, in dem damals so große Spieler wie Oliver Kahn den Kürzeren gezogen hatten. Heute betonen die Verantwortlichen, dass in der Mannschaft nach wie vor unglaublich viel Potenzial stecken würde.
Mag sein, aber: Weshalb bringt ihr es seit Jahren nicht mehr zur Entfaltung? Was haben die vielen Co-Trainer, Scouts und DFB-Analysten eigentlich vor? Von wem lasst ihr euch prüfen? Seid ihr immer noch, wieder oder bald auf dem richtigen Weg? Oder braucht ihr gar kein Mentoring?
Wir haben in unserem Land nach wie vor eine nahezu unerschöpfliche Ressource an Wissen und Erfahrung zum Fußball. Es mangelt weder an guten Ideen noch an begabten Trainern, Analysten, Innovationen und guten Fußballern.
"Wir wissen aus zahlreichen Studien, was die Fans und die Basis des Deutschen Fußballs stört. Weshalb ändert ihr das nicht und nehmt die Menschen dabei mit?"
Weshalb baut sich die DFB-Spitze mit der (bislang sprachlosen) Taskforce eine Wagenburg um das alte Konzept des Nationalmannschaftsfußballs? Weshalb hat man sich nicht getraut, aus einer schonungslosen Auswertung der WM-Pleite einen neuen Weg zu gehen?
Einen Weg, den die Fans und Zuschauer gern mitgehen würden. Wir wissen aus zahlreichen Studien, was die Fans und die Basis des Deutschen Fußballs stört. Weshalb ändert ihr das nicht und nehmt die Menschen dabei mit? Hättet ihr im Dezember vergangenen Jahres damit begonnen, dann wären wir schon ein gutes Stück weiter. Müssen wir allen Ernstes noch bis zum Ende der EM-Vorrunde im kommenden Jahr auf eine echte Reform warten?
Es war dann doch etwas überraschend, mit welcher Deutlichkeit Michael Schumacher seine vertraglichen Verbindungen zur Formel 1 abgebrochen hatte. Zunächst war bekannt geworden, dass sich der Traum von einem Team Deutschland mit Nico Hülkenberg bei Audi in der kommenden Saison nicht erfüllen wird. Stattdessen setzen sie auf den Brasilianer Gabriel Bortoleto.