Julian Nagelsmann zieht 56 Tage vor dem Eröffnungsspiel der Fußball-Europameisterschaft nach und verlängert – ebenso wie Rudi Völler vor zwei Wochen – seinen Vertrag beim DFB. Ebenfalls für zwei weitere Jahre bis zum Abschluss der WM 2026 in den USA, Kanada und Mexiko.
Was sich der DFB dieses Engagement kosten lässt, ist noch nicht bekannt. Sein alter Vertrag sichert ihm angeblich bereits 400.000 Euro im Monat als Gehalt zu. Mit Blick auf die perfekt orchestrierte Werbetour um die Unterschrift des Ex-Bayern- und aktuellen Bundestrainers ist davon auszugehen: Für die Personalie wurde so richtig viel Geld auf den Tisch gelegt.
In der DFB-Pressemitteilung wird diese vorzeitige Vertragsverlängerung bereits wie ein EM-Titel gefeiert. Die drei mächtigen alten Männer des DFB sind sich in ihren Zitaten in kumpelhafter Glückseligkeit einig. DFB Präsident Bernd Neuendorf sagt Folgendes:
Zwei gute Freundschaftsspiele gegen Frankreich und die Niederlande haben genügt, um in den Augen der Verantwortlichen eine neue Ära einzuläuten. Nicht nur in Hinblick auf eine erfolgreiche Mannschaft, die laut Lothar Matthäus als Favorit ins Turnier geht, sondern auch in Hinblick auf das Neuaufkommen einer euphorischen Fankultur.
Zumindest erkennt Sportdirektor Rudi Völler mit Blick auf die letzten beiden Testspiele (…) "welche Begeisterung Julian und seine Mannschaft in Deutschland wieder entfachen können."
Ich kann die Freude der DFB-Führung sehr gut nachvollziehen. Schließlich war der sportliche Lichtblick nach den letzten beiden Testspielen, neben den versprochenen Nike-Millionen im neuen Ausrüsterdeal, das einzige positive Signal des DFB seit vielen Jahren. Und da die DFB-Führung in Sachen Imagepflege keinen anderen Trumpf im Ärmel hat, war die Verpflichtung Nagelsmanns allein schon aus sportpolitischer Sicht alternativlos.
Ich möchte jedoch ein klein wenig Wasser in den soeben servierten Wein gießen. Ist es wirklich klug, die extrem hoch dotierten Verträge des leitenden Personals erneut vor einem sportlichen Großereignis zu verlängern?
Gleiches hatten DFB-Präsident Neuendorf zuletzt mit der ehemaligen Frauen-Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg unmittelbar vor der blamabel verlaufenen WM in Australien und Neuseeland getan. Bei den Männern wurde der Vertrag von Jogi Löw auch unmittelbar vor dem enttäuschenden Abschneiden bei der WM 2018 in Russland vorzeitig verlängert.
Wäre es nicht klug gewesen eine glasklare Leistungsklausel in die Verträge einzubauen? Beispielsweise indem man die Vertragsverlängerung vom Erreichen des Viertelfinals oder mehr abhängig gemacht hätte?
Eine Vertragsverlängerung nach zwei gelungenen Freundschaftsspielen ist populär. Keine Frage. Aber Wettkampfsport verträgt sich nicht mit solchen Formen der Sicherheit.
Weshalb gelingt es Bernd Neuendorf nicht, aus den eigenen Fehlern und denen seiner Vorgänger zu lernen? Weshalb werden keinerlei Alternativen zu Julian Nagelsmann diskutiert? Gibt es in Deutschland tatsächlich keine anderen Kandidaten für diesen Job? Steht der DFB deshalb auch in dieser Frage mit dem Rücken zur Wand und muss auf eine Leistungsklausel verzichten? Oder: Gibt es sie vielleicht doch? Alles andere halte ich für fahrlässig.