Manuel Neuer hütete das Tor, Mats Hummels räumte davor ab. Im Mittelfeld zog Toni Kroos die Strippen und ganz vorne wirbelten Thomas Müller sowie Timo Werner. Es sind alles vertraute Namen, die man gemeinsam aber lange nicht mehr in einer Reihe gelesen hat.
Genau genommen sind es etwas mehr als zwei Jahre, denn jene fünf standen 2021 im EM-Achtelfinale in der Startelf, als die deutsche Nationalmannschaft gegen England mit 0:2 im Wembley Stadium unterlag. An jenem Sommerabend ging eine Ära zu Ende, denn Joachim Löw trat anschließend nach 15 Jahren als Bundestrainer zurück.
Um den Weltmeister-Trainer ist es seither ruhig geworden. Es gab zwischendurch zwar vereinzelte Gerüchte über einen neuen Trainerjob, unterschrieben hat er am Ende aber nirgends. Und auch mit öffentlichen Aussagen hat sich der 63-Jährige seither zurückgehalten.
Im Podcast "Spielmacher – Der EM-Talk mit Sebastian Hellmann und 360Media" äußerte sich Löw nun aber doch mal wieder. So berichtete er, dass er sich ganz bewusst für eine Pause vom Fußballgeschäft entschieden habe.
"Im ersten Jahr habe ich gemerkt, dass ich etwas Distanz brauche – emotionale Distanz. Ich war 17 Jahre ununterbrochen mit all meinem Tun und all meinen Gedanken bei dieser Mannschaft. Das hat mich sehr viel Kraft gekostet", erinnerte sich der ehemalige Bundestrainer.
So habe er während seiner Amtszeit trotz der sportlichen Erfolge auch an Lebensqualität eingebüßt: "Da bleiben manch andere Dinge ein wenig auf der Strecke. Ich hatte wenig Zeit für meine Familie. Ich habe Freunde jahrelang nicht gesehen, weil der Kontakt verloren gegangen ist. Das lag an mir."
So hat er nach dem DFB-Abschied etwas gebraucht, um seine Akkus wieder aufzuladen. In der Folge habe es "immer wieder ernsthafte Anfragen, Angebote und auch Gespräche" gegeben. 2022 war allerdings nichts dabei, "das mich brennend interessiert hätte".
Anders sah es im Laufe dieses Jahres aus. "Kürzlich hat mich der türkische Verband kontaktiert", bestätigte Löw Gerüchte aus dem September. Demnach hätte er die türkische Nationalmannschaft von Stefan Kuntz übernehmen können. "Aber die haben dann eine andere Lösung gefunden", schob der Weltmeister-Coach ohne Wertung hinterher.
Den Posten am Bosporus besetzt nun Vincenzo Montella, Löw ist also weiterhin zu haben. Allerdings nicht für alles: "Wenn jemand anruft und sagt, wir müssen alle Spiele unbedingt gewinnen, egal wie, dann habe ich kein Interesse."
Diversen Top-Klubs sagt er also ab, ganz konkret womöglich sogar Real Madrid. Die Königlichen wurden 2021 mit ihm in Verbindung gebracht.
Löw selbst sieht sich eher bei einem Projekt, in dem der langfristige Erfolg an erster Stelle steht: "Ich habe Spaß und Freude an Entwicklung, an Inhalten. Die Entwicklung einer Philosophie in einem Verein, wozu Ausbildung dazugehört, das wäre für mich spannend."
Beim SC Freiburg, für den er als Profi einst jahrelang aktiv war, sieht er sich trotz der Weitsichtigkeit des Klubs sowie seiner persönlichen Bindung nicht. "Sie machen es überragend gut, aber Freiburg braucht niemanden", lobte er die Arbeit von Trainer Christian Streich und dessen Kollegen.
Womöglich öffnet sich beim DFB auch nochmal eine Tür, etwa als Koordinator für den Nachwuchsbereich. Im deutschen Fußball "gibt es schon ein paar Probleme", merkte Löw vielsagend an. Komplett fertig hat der 63-Jährige jedenfalls noch nicht.