Es sollte ein ausgelassenes Fußballfest werden, doch endete für die englischen Fans mit einer unrühmlichen Bekanntschaft mit der vermeintlichen "German Efficiency" der öffentlichen Verkehrsmittel.
Rund 20.000 Anhänger:innen der "Three Lions" waren am Sonntag nach Gelsenkirchen gereist, um ihre Mannschaft im ersten Gruppenspiel gegen Serbien zu unterstützen.
Die meisten Fans waren erst am Spieltag in die Stadt gekommen. Sie hatten die umliegenden Städte Dortmund, Düsseldorf und Köln dem "absoluten Drecksloch" Gelsenkirchen, vorgezogen. So hatte ein englischer Vlogger die Ruhrstadt in einem viralen Video bezeichnet.
Trotz dieser "Reisewarnung" pilgerten Zehntausende zur Arena auf Schalke und sahen einen relativ uninspirierten Auftritt ihrer Nationalmannschaft, der dennoch mit einem 1:0-Sieg endete. Schritt 1 zum ersten Titel seit 58 Jahren war gemacht, die Stimmung ausgelassen.
Doch die gute Laune war schnell verflogen, als die Fans die Rückreise mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zu ihren Unterkünften antreten wollten. Bereits die Fahrt von der Arena zum Gelsenkirchener Hauptbahnhof wurde zur Geduldsprobe.
Denn eigentlich dauert die Tramfahrt vom Stadion im Norden der Stadt ins Zentrum nur 15 Minuten. Doch manche Fans brauchten für die kurze Strecke mehr als zwei Stunden, wie nun der "Independent" berichtet. Der Verkehrsverbund Rhein-Ruhr habe die Trams mit zwei Waggons nur im 15-Minuten-Takt eingesetzt. Die wartenden Menschen mussten ohne Informationen bis nach Mitternacht ausharren.
Endlich am Hauptbahnhof angekommen, war die Situation aber keinen Deut besser. Ein Video des ESPN-Reporters James Olley zeigt hunderte Fans um 1:45 Uhr am Bahnsteig. "Das ist wirklich nicht gut", schrieb er dazu auf X.
In den Kommentaren meldeten sich zahlreiche Deutsche zu Wort. "Welcome to the Deutsche Bahn", schrieb ein Nutzer. "Deutsche Realität in 2024. Tut mir leid", kommentierte ein anderer. "Deutschland ist eine Katastrophe. Ich bin froh, dass der Rest der Welt das jetzt auch sieht", lautete eine drastische Analyse.
Die englische Fanvereinigung "Football Supporters Association" kritisierte den Bahnkollaps scharf: "Fans drei Stunden nach Spielende bei einem großen Turnier am Gelsenkirchener Hauptbahnhof gestrandet zu sehen, ist einfach lächerlich." Die Vereinigung habe die Uefa und die Behörden im Vorfeld darüber informiert, dass viele Fans aus den umliegenden Städten anreisen würden.
Die Stadt Gelsenkirchen sieht in der chaotischen Abreise kein Problem. "Das ist normal", sagte ein Sprecher gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters. "Wenn 60.000 Menschen auf einmal kommen, können sie nicht erwarten, dass sie innerhalb von 10 Minuten wieder weg sind."
Und die Deutsche Bahn? Die zog in einer Pressemitteilung eine "positive Bilanz zum Auftakt-Wochenende" der Europameisterschaft. Der Bahnbetrieb sei in Deutschland insgesamt stabil gelaufen. Das Chaos von Gelsenkirchen findet keine Erwähnung.
Für die englischen Fans geht es in den beiden verbliebenen Gruppenpartien nach Frankfurt und Köln. Sollten die Engländer Gruppenerster werden, müssen sie im Achtelfinale erneut auf Schalke ran. Der ein oder andere Anhänger dürfte sich da insgeheim den zweiten Platz wünschen.