So beginnt der Offene Brief eines Fans an den Präsidenten des DFB, Reinhard Grindel. Dort holt der Verfasser nach dem WM-Aus zum Rundumschlag gegen den DFB und die Nationalmannschaft aus. Der Text wird seit Tagen in den sozialen Netzwerken und in zahlreichen WhatsApp-Gruppen geteilt.
Auch der MDR stellte den Brief auf seine Website. Darunter stehen Kommentare wie "Danke, Sie haben mir aus der Seele gesprochen".
Der Brief spricht viele mitunter eklatante Versäumnisse und Probleme des DFB an. Getreu dem Motto: "Noch nie war die Spitze so weit von der Basis entfernt wie heute!" Da wird die Abschottung des Teams vor den Fans kritisiert, oder die verfrühte und millionenschwere Vertragsverlängerung mit Löw noch vor der WM. Auch die Beratergeschäfte von Oliver Bierhoff werden angesprochen.
Der Autor ist seit 1997 Mitglied des Fan-Clubs "Freunde der Nationalmannschaft" und beobachtet den DFB ganz genau. Aus diesem Wissen in Kombination mit der sehr polemischen Ausdrucksweise zieht der Texte seine Anziehungskraft.
Auch wenn der Autor in vielen Dingen Recht hat, ist der Text in einigen Passagen höchst fragwürdig. So jagt eine Stammtischparole die nächste krude Theorie.
Wir haben die Aussagen kommentiert:
Egal, was nach so einem Satz kommt: Es ist immer falsch. Wer spricht da fürs Volk? Und wer ist dieses Volk? Die 25,43 Millionen ZDF-Zuschauer, die sich für das Spiel gegen Südkorea interessierten? Ist das eine homogene Masse? Warum ist sein Frust Volksfrust?
Wer ist diese Basis. für die der Blogger zu sprechen glaubt? Und woher kommen seine Zahlen?
Ein Mal googeln reicht: Lediglich 36 Prozent wollten laut einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Emnid für die "Welt" die beiden Nationalspieler Mesut Özil und Ilkay Gündogan aus dem deutschen WM-Kader streichen.
Mal davon abgesehen, dass die Fifa seit Jahren eine Reform braucht und noch immer tief in moralisch fragwürdige und kriminelle Machenschaften verstrickt ist: Wer ist dieses Volk, das nur eine Meinung hat?
Einen Absatz davor schreibt der Autor: "Ich wiederhole mich mit drei Worten und drei Ausrufezeichen: GEHT GAR NICHT!!!" Hier meint er Löws vorzeitige Vertragsverlängerung, "sonstige unnütze Ausgaben" sowie "Interessenskonflikte und Nebengeschäfte" von Fifa, DFB und Co. Diese vorher zurecht als übel kritisierten Machenschaften, sollen dann in Ordnung sein, sobald der Übeltäter Franz heißt und Sommermärchen kauft? Kurzum: Verbrechen sind in Ordnung, wenn man selber davon profitiert?
Was bleibt, sind mindestens zwei Fragen:
Und: Der Blogger des Artikels fällt nicht zum ersten Mal mit solcher Rhetorik auf. Nach den gewalttätigen Ausschreitungen beim G20-Gipfel vor einem Jahr schrieb genau der gleiche Blog (auf dem der Grindel-Brief erschien) laut "Hessenschau": "Da brauchen wir schnellstens eine internationale Sonderkommission, die da mal einen (ich formuliere das mal bewusst provokativ) 'kleinen Holocaust' veranstaltet und diesen Puff ausräuchert." Nach mehreren Anzeigen entschied die Limbuger Staatsanwaltschaft, dass es keine Ermittlungen wegen Volksverhetzung und Aufrufs zur Selbstjustiz geben würde.
Der DFB muss sich tatsächlich Fragen über die Entfernung zur Basis gefallen lassen. Oder wie man zu Verbänden steht, deren Regierungen für Korruption und eingeschränkte Menschenrechten stehen. Das sollte dann aber bitte nicht mit "gefühlten Fakten" belegt werden – nur um ein "Endlich sagt es mal jemand"-Effekt zu erzielen.