Es war die Aktion der Partie: Nach etwas mehr als einer Viertelstunde zog Serge Gnabry vom rechten Flügel in bester Arjen-Robben-Manier zur Mitte, schüttelte gleich mehrere Gegenspieler ab und hämmerte den Ball mit seinem schwächeren linken Fuß aus 16 Metern perfekt zum 1:0 für die Bayern in den Winkel. Ein absolutes Weltklasse-Tor!
Im DAZN-Studio spottete Experte Per Mertesacker, der mit Gnabry zusammen bei Arsenal gespielt hat, dass der Bayern-Flügel jetzt offenbar auch mit links einen guten Schuss habe. Den habe er damals noch nicht gehabt. Darauf angesprochen reagierte Gnabry, der mit dem 2:0 in der 33. Minute endgültig zum Matchwinner wurde, leicht angefressen und betonte, dass er schon damals beidfüssig gewesen sein. Auch auf Twitter machte er seinen linken Fuß später noch einmal zum Thema.
3:0 siegten die Bayern gegen Lyon am Ende. Sicherlich verdient, doch es hätte auch ganz anders kommen können. Vor Gnabrys 1:0 war Lyon die bessere Mannschaft und kam gleich zu drei hochkarätigen Chancen. Gegen Memphis Depay verkürzte Manuel Neuer geschickt den Winkel, beim Pfostenschuss von Karl Toko Ekambi hätte dann selbst der Bayern-Keeper nichts mehr ausrichten können.
Auch in der zweiten Halbzeit konnte sich Neuer über fehlende Arbeit nicht beklagen. Und die Bayern mussten sich am Ende bei ihrem Torhüter bedanken, dass es in der Schlussphase nicht noch einmal unnötig spannend wurde. In der 58. Minute bewahrte der 34-Jährige sein Team mit einer Glanzparade vor dem 1:2-Anschlusstreffer. Als Ekambi alleine vor ihm zum Abschluss kam, blieb Neuer lange stehen und klärte am Ende mit dem Fuß. Für einmal wirkte der vierfache Welttorhüter nicht so, als hätte er acht Arme, sondern acht Beine.
Robert Lewandowski trifft immer. Auch im Halbfinal gegen Lyon machte der Superstar kurz vor Schluss noch seinen Treffer, obwohl es zuvor schien, als sei es für einmal nicht sein Abend. Immer wieder stand sich der 31-jährige Pole selbst im Weg. Doch bei einem Eckball in der 88. Minute löste er sich geschickt von Gegenspieler Marcelo und nickte unwiderstehlich zum 3:0 ein. Damit hat "Lewy" auch in seinem neunten Champions-League-Spiel der Saison getroffen, insgesamt liegt er bei 15 Treffern.
Zum Torrekord von Cristiano Ronaldo aus der Saison 2013/14 fehlen dem 31-jährigen Superknipser allerdings noch zwei Treffer. Dass Lewandowski dem Portugiesen so nah gekommen ist, grenzt jedoch bereits fast an ein Wunder. Schließlich standen dem Polen für seine Tore wegen der Corona-Pandemie zwei ganze Spiele weniger zur Verfügung.
Nein, die Rede ist nicht von Neymar und Kylian Mbappé, sondern von Robert Lewandowski und Serge Gnabry. Mit zusammen 24 Toren bilden die beiden Bayern-Torjäger das gefährlichste Angriffsduo der Champions League aller Zeiten. Mit den drei Treffern gegen Lyon haben sie die bisherige Bestmarke von Ronaldo (17 Treffer) und Gareth Bale (6 Treffer) für Real Madrid aus der Saison 2013/14 übertroffen.
Während Lewandwoski in jedem Spiel mindestens einmal eingenetzt hat, trifft Gnabry punktuell. Vier seiner neun Tore erzielte er in der Gruppenphase gegen Tottenham, einen Doppelpack schnürte er im Achtelfinal-Hinspiel gegen Chelsea und im Halbfinal gegen Lyon. Nur im Viertelfinal gegen Barcelona gelang ihm genau ein Treffer.
Was haben die für einen Lauf! Seit 29 Pflichtspielen sind die Bayern unbesiegt und 20 Mal hat die Truppe von Trainer Hansi Flick mittlerweile in Serie gewonnen. Zuletzt musste man am 7. Dezember gegen Mönchengladbach als Verlierer vom Platz.
In der Königsklasse winkt gar die perfekte Saison. Bislang haben die Bayern alle zehn Champions-League-Spiele der Corona-Saison gewonnen. Mit einem Sieg am Sonntag im Final gegen Paris Saint-Germain würde man ungeschlagen den Henkelpott holen. In den bisherigen zehn Partien haben die Münchner ein unglaubliches Torverhältnis von 42:8 und damit eine Torquote von 4,2 Treffern pro Partie. Der Torrekord wird vom FC Barcelona gehalten, die Katalanen schossen in der Saison 1999/2000 gar 45 Treffer. Dabei bestritt Barça aber auch 16 Spiele, also sechs mehr als die Bayern bisher.
Mit dem elften Sieg in Serie würde die "Mia san mia"-Fraktion eine neuen Champions-League-Bestmarke für die längste Siegesserie aufstellen. Bislang hielten die Bayern (2013) zusammen mit Real Madrid (2015) diesen Rekord. Insgesamt steht der deutsche Rekordmeister zum elften Mal im Final. Damit zieht man mit der AC Milan gleich, nur Real Madrid spielte häufiger (16 Mal) um die Champions-League-Trophäe.
Alles paletti also bei den Bayern? Nicht ganz. Vor allem die Startphase und die schwache zweite Halbzeit haben zu denken gegeben. "Wir müssen die leichtfertigen Ballverluste abstellen", erklärte Trainer Hansi Flick deshalb nach dem Spiel mit Blick auf den Final gegen PSG. "Wir wissen, dass Paris schnelle Stürmer hat, wir müssen schauen, ob wir die Defensive ein bisschen anders organisieren. Wir wissen, dass wir oftmals hohes Risiko gehen."
In der Abwehr sind die Bayern tatsächlich verwundbar. Wie schon gegen Barcelona leisteten sich die Münchner viele Fehlpässe und hatten vor allem dann Mühe, wenn die Bälle hinter die extrem hoch stehende Viererkette kamen. Memphis Depay und Toko Ekambi liessen ihre Chancen fahrlässig liegen, das werden Neymar und Kylian Mbappé im Final aber kaum tun.
Sky-Experte Jan Aage Fjörtoft warnte deshalb: "Wenn Bayern am Sonntag so spielt, werden sie verlieren." Lothar Matthäus pflichtete bei: "Wenn sie am Sonntag so spielen wie heute, wird es vielleicht nichts mit der Champions League. Vielleicht sollten sie gegen PSG auch nicht so hoch verteidigen, weil Paris dann die Geschwindigkeit von Neymar und Mbappé perfekt einsetzen kann."
Bayern-Trainer Flick wird sich sicher überlegen, ob er Joshua Kimmich nicht wieder für den fehleranfälligen Thiago vor die Abwehr setzt und dafür den wieder genesenen Benjamin Pavard rechts hinten verteidigen lässt. Das könnte den Bayern wieder etwas mehr Stabilität verleihen.
Bayern München gehört zu den Klubs mit den meisten Fans weltweit. Um in den USA noch populärer zu werden, eröffnete der deutsche Rekordmeister 2014 gar ein Büro in New York und lancierte einen us-amerikanischen Twitter-Kanal. Eine Maßnahme, die offenbar genützt hat – die Fan-Gemeinde in Übersee wächst stetig.
Einer der prominentesten Vertreter ist dabei Deshaun Watson. Der 24-jährige Quarterback der Houston Texans ist fanatischer Bayern-Anhänger und schaut wenn immer möglich die Spiele seines Lieblingsklubs. Den Halbfinal gegen Lyon zog er sich am Nachmittag am Tablet in seinem BMW rein.