Mit Tränen in den Augen blickte Jürgen Klopp am Sonntag dem Publikum an der Anfield Road entgegen. Zwei Tage nachdem der Liverpool-Trainer seinen Abschied zum Saisonende verkündet hatte, lief die mittlerweile von Bundeskanzler Olaf Scholz vereinnahmte Vereinshymne "You'll never walk alone" vor der FA-Cup-Partie gegen Norwich City (5:2). Auf den Rängen waren Transparente mit "Thanks Boss" und etlichen Liebesbekundungen zu sehen. Und Klopp rang sichtlich um Fassung.
"Ich verstehe, dass es sehr emotional ist", sagte Klopp nach dem Schlusspfiff der BBC: "Aber in den Spielen müssen wir Krieger sein und nicht den alten Mann an der Seitenlinie feiern." Bereits vor dem Spiel hatte er gefordert: "Denkt nicht mehr an mich."
Am Freitag vergangener Woche hatte Jürgen Klopp völlig überraschend bekannt gegeben, seinen Trainerjob in Liverpool zum Ende der Saison niederzulegen. Er fühle sich ausgebrannt, habe "schon zu lange kein normales Leben", erklärte er über die vereinseigenen Kanäle:
"Ich bin immer noch ein gepflegter Sportwagen, nicht der beste, aber ein guter. Ich kann immer noch 160, 170, 180 Meilen pro Stunde fahren – aber ich bin der Einzige, der sieht, wie die Tanknadel abstürzt." Mindestens ein Jahr lang, sagte Klopp, wolle er keinen Verein und keine Nationalmannschaft übernehmen.
In Liverpool wird Klopp seit Langem als Stadtheiliger verehrt, mit seiner bodenständigen und offenen Art hat er sich einen Ruf über die Merseyside und hinaus erarbeitet. Auch Toni Kroos hat größten Respekt für die sportlichen und vor allem die persönlichen Leistungen des 56-Jährigen.
"Obwohl er seit Ewigkeiten im Ausland arbeitet: Wenn man Umfragen machen würde, wäre er der mit Abstand beliebteste Trainer, auch in Deutschland. Und das Gleiche kann man mittlerweile auch in England machen", sagte Kroos in dem Podcast "Einfach mal Luppen", den er gemeinsam mit seinem Bruder Felix macht. "Ich glaube, das heißt was."
Für alle Fußballfans, führte Kroos aus, sei Jürgen Klopp "ein Synonym für Loyalität, Hingabe, Liebe zum Verein – und am Ende des Tages einfach Erfolg". Für die Entscheidung, im Moment des Erfolgs (Liverpool ist Tabellenerster der Premier League) eine solche Entscheidung zu treffen, habe er großen Respekt. Und auch eine Hoffnung im Hinblick auf Klopps etwaigen zukünftigen Anstellungen.
"Man kann nur hoffen, zumindest als deutsche Fußball-Fans, dass man ihn irgendwann dazu bewegen kann, in Deutschland – was auch immer für eine Funktion – auszuführen", sagte Kroos. "Weil ich glaube, das wünscht man sich schon sehr viele Jahre und das wird auch so bleiben."
Auch das andere große Fußball-Thema der Vorwoche kam zur Sprache: die Unsportlichkeit von Union-Trainer Nenad Bjelica gegenüber Bayern-Profi Leroy Sané. "Das sieht man wirklich nicht oft, dass sich ein Trainer so wenig unter Kontrolle hat", sagte Kroos. Gerade weil der Trainer das Gesicht des Vereins repräsentiere, das bei Union ohnehin ein besonderes sei.
Ob er deswegen seinen Job verliere, sei ihm "im Endeffekt scheißegal", sagte Kroos, dennoch war der deutliche Subtext zu vernehmen, dass er von der Entscheidung des Vereins, an Bjelica festzuhalten, überrascht gewesen ist. Für drei Spiele wurde Bjelica von der DFL schließlich gesperrt, alles Weitere sei angesichts der sportlichen Schieflage von Union auch "nicht mehr tragbar gewesen", sagte Felix Kroos.
Am Wochenende hatte Union allerdings in Abwesenheit von Bjelica im Kellerduell gegen Darmstadt sogar einen Sieg einfahren können. "Wenn die jetzt die nächsten zwei Spiele auch noch gewinnen", sagte Toni Kroos lachend, "wird er auf jeden Fall entlassen."