Sport
Fußball

FC Bayern: Tuchel-Eklat um Hamann – mehr Unterhalter als Experte?

ARCHIV - 08.08.2023, Bayern, Unterf
Als Sky-Experte teilt Didi Hamann gern meinungsstark seine Ansichten. Bild: dpa / Sven Hoppe
Fußball

FC Bayern: Tuchel-Eklat um Didi Hamann – "sogenannter Experte mit Unterhaltungswert"

In seiner wöchentlichen Kolumne schreibt der Fanforscher Harald Lange exklusiv auf watson über die Dinge, die Fußball-Deutschland aktuell bewegen.
02.02.2024, 17:28
Mehr «Sport»

Didi Hamann spricht in den Medien über Fußball und genießt weitaus mehr Aufmerksamkeit als die meisten aktiven Spieler oder Trainer. Seine aktive Zeit ist längst vorbei und der Versuch, sich nach der Spielerkarriere als Trainer zu profilieren, ist beim britischen Fünftligisten Stockport City ebenso früh wie kläglich gescheitert. Das Team hat in den vier Monaten seiner Amtszeit viel zu oft verloren.

Watson ist jetzt auf Whatsapp
Jetzt auf Whatsapp und Instagram: dein watson-Update! Wir versorgen dich hier auf Whatsapp mit den watson-Highlights des Tages. Nur einmal pro Tag – kein Spam, kein Blabla, nur sieben Links. Versprochen! Du möchtest lieber auf Instagram informiert werden? Hier findest du unseren Broadcast-Channel.

Macht nichts, denn Hamann ist trotzdem ein sogenannter Fußballexperte. Er ordnet die vielen Geschehnisse, Entwicklungen und Hintergründe rund um den Spieltag ein, interpretiert und bewertet. Alles auf der Grundlage seiner Erfahrungen als Spieler, Trainer und aufmerksamer Beobachter des aktuellen Geschehens.

Didi Hamann bewertet die Geschehnisse der Bundesliga

In dieser Rolle traut er sich auch unumwunden zu, alle Spieler, aber auch Trainer der Liga punktgenau einschätzen und treffend bewerten zu können. Nicht nur in Hinblick auf die Performance am vorangegangenen Spieltag, sondern weit darüber hinausgehend.

Er urteilt über Kompetenzen, Fähigkeiten und die komplette Persönlichkeit. Er inszeniert das alles mit einem beeindruckend hohen Unterhaltungswert, denn sein lautes Poltern liefert inzwischen regelmäßig neuen Gesprächsstoff.

Fanforscher Harald Lange.
Fanforscher und watson-Kolumnist Harald Lange.Bild: Uni Würzburg
Über den Autor
Harald Lange ist seit 2009 Professor für Sportwissenschaft an der Universität Würzburg. Er leitet den Projektzusammenhang "Fan- und Fußballforschung" und gilt als einer der bekanntesten Sportforscher in Deutschland. Der 55-Jährige schreibt und spricht täglich über Fußball, auch in seinem Seminar "Welchen Fußball wollen wir?"

Didi Hamann ist in seinem Urteil ebenso laut wie hart. Genau da liegt ein Problem. Aber nur dann, wenn wir Didi Haman in seiner Bewertung folgen wollen und seine Einschätzung für relevant halten. Mit Blick auf seine Trefferquote in den Analysen gibt es keinen Grund, das zu tun. Die vielen überzogenen Kritiken garantieren Unterhaltungswert, nagen aber an seinem Ruf als seriöser Analyst.

Der FC Bayern München nahm ihn trotzdem ernst und hatte am Montag ebenso angekratzt, wie deutlich auf Hamanns Kritik am Bayern-Trainer Thomas Tuchel reagiert. Hamann urteilte: "Tuchel und der FC Bayern München ist das größte Missverständnis seit Jürgen Klinsmann. Es passt nicht zusammen – und er weiß das mittlerweile auch."

FC Bayern: Jan-Christian Dreesen und Christoph Freund reagieren deutlich

Das hat gesessen, denn Bayern-Vorstandsvorsitzender Jan-Christian Dreesen und Sportdirektor Christoph Freund suchten gleich am Tag danach die Öffentlichkeit, um klarzustellen, dass hier eine Grenze überschritten wurde. "Wir werden solche unsachlichen, gegen unseren Trainer gerichteten Aussagen, die immer aus derselben Ecke kommen, nicht mehr akzeptieren", teilte der FC Bayern mit.

FILE - Bayern Munich soccer club CEO Jan Christian Dreesen attends a news conference in Munich, Germany, Sunday, May 28, 2023. Bayern Munich’s contentious sponsorship deals are leaving the club open t ...
Jan-Christian Dreesen und der FC Bayern haben die Kritik von Didi Hamann zurückgewisen. Bild: AP / Matthias Schrader

Die Bayern-Bosse hatten offensichtlich irgendein Druckmittel in der Hinterhand, denn Hamann ruderte tags darauf ganz brav zurück und entschuldigte sich explizit bei den Bayern und deren Trainer für seine Einschätzung. Wie peinlich.

Mit Blick auf den von Hamann und anderen Experten ausgehenden Unterhaltungswert meine ich: Wenn ein Kommentator schon mal einen raushaut, dann muss er auch dahinter stehen und darf nicht bei aufkommendem Gegenwind umfallen. Dieses Zurückrudern kratzt nicht nur an der fachlichen Analysefähigkeit, sondern an der Kernkompetenz solcher Experten: am Unterhaltungswert.

Der Fußball ist so unterhaltsam, weil wir über ihn streiten können

Genau darum geht es beim Einsatz von Fußballexperten. Sie müssen unterhaltsam sein, wenn sie Spiele und die relevanten Hintergrundthemen zur Sprache bringen. Hamann ist als 59-facher Nationalspieler eine Autorität und deshalb lohnt es sich, ihm zuzuhören. Selbst dann, wenn man anderer Meinung ist, denn in der Flut an Standpunkten und Hintergrundwissen zum Spieltag tut es gut, wenn man sich als normaler Fan und Zuschauer an den Äußerungen verschiedener Experten reiben und abarbeiten kann.

Der Fußball ist deshalb so unterhaltsam, weil wir vortrefflich über ihn sprechen und streiten können. Dabei stehen alle Ereignisse des Spieltags in Rede und auf dem Prüfstand. Zuallererst die Leistung der eingesetzten Spieler, aber auch die Taktik und Fähigkeit der Trainer, die Einkaufspolitik der sportlichen Leitung oder die Philosophie und Ausrichtung der Präsidenten und Klubbosse.

05.08.2022, xjhx, Fussball 1.Bundesliga, Eintracht Frankfurt - FC Bayern München emspor, v.l. Dietmar Didi Hamann DFL/DFB REGULATIONS PROHIBIT ANY USE OF PHOTOGRAPHS as IMAGE SEQUENCES and/or QUASI-VI ...
Didi Hamann schießt mit seiner Kritik teilweise über das Ziel hinaus. Bild: imago images/ Jan Huebner

Es versteht sich von selbst, dass derart komplexe Themen von kaum jemanden unmittelbar nach Spielschluss hieb- und stichfest analysiert und auf den Punkt gebracht werden können. Das erwarten die Zuschauer auch gar nicht, denn es ist durchaus auch unterhaltsam, sich mit der Meinung eines völlig andersdenkenden Experten auseinandersetzen zu müssen. Selbst dann, wenn die Expertenkritik am Ziel vorbeischießt.

Aus diesem Grund empfinde ich es als ärgerlich, wenn Fußballklubs Druck ausüben und dazu beitragen, dass Experten genau deshalb umfallen. Danach ist alles, was diese Experten von sich geben, weniger Wert. Es steht unter Vorbehalt und wir müssen abwarten, ob es der Zensur durch die großen Klubs Stand halten kann. Auf diese Form der Expertise kann ich getrost verzichten.

Nach EM-Eklat: Nagelsmann stichelt erneut gegen Spanien-Handspiel

106. Minute am 5. Juli in Stuttgart: Jamal Musiala schießt von der Strafraumkante, Spaniens Marc Cucurella bekommt den Ball an die linke Hand. Schiedsrichter Anthony Taylor pfeift nicht. Kurze Zeit später fliegt die DFB-Elf nach einem Tor in der 120. Minute im EM-Viertelfinale gegen Spanien aus dem Turnier.

Zur Story