Didi Hamann spricht in den Medien über Fußball und genießt weitaus mehr Aufmerksamkeit als die meisten aktiven Spieler oder Trainer. Seine aktive Zeit ist längst vorbei und der Versuch, sich nach der Spielerkarriere als Trainer zu profilieren, ist beim britischen Fünftligisten Stockport City ebenso früh wie kläglich gescheitert. Das Team hat in den vier Monaten seiner Amtszeit viel zu oft verloren.
Macht nichts, denn Hamann ist trotzdem ein sogenannter Fußballexperte. Er ordnet die vielen Geschehnisse, Entwicklungen und Hintergründe rund um den Spieltag ein, interpretiert und bewertet. Alles auf der Grundlage seiner Erfahrungen als Spieler, Trainer und aufmerksamer Beobachter des aktuellen Geschehens.
In dieser Rolle traut er sich auch unumwunden zu, alle Spieler, aber auch Trainer der Liga punktgenau einschätzen und treffend bewerten zu können. Nicht nur in Hinblick auf die Performance am vorangegangenen Spieltag, sondern weit darüber hinausgehend.
Er urteilt über Kompetenzen, Fähigkeiten und die komplette Persönlichkeit. Er inszeniert das alles mit einem beeindruckend hohen Unterhaltungswert, denn sein lautes Poltern liefert inzwischen regelmäßig neuen Gesprächsstoff.
Didi Hamann ist in seinem Urteil ebenso laut wie hart. Genau da liegt ein Problem. Aber nur dann, wenn wir Didi Haman in seiner Bewertung folgen wollen und seine Einschätzung für relevant halten. Mit Blick auf seine Trefferquote in den Analysen gibt es keinen Grund, das zu tun. Die vielen überzogenen Kritiken garantieren Unterhaltungswert, nagen aber an seinem Ruf als seriöser Analyst.
Der FC Bayern München nahm ihn trotzdem ernst und hatte am Montag ebenso angekratzt, wie deutlich auf Hamanns Kritik am Bayern-Trainer Thomas Tuchel reagiert. Hamann urteilte: "Tuchel und der FC Bayern München ist das größte Missverständnis seit Jürgen Klinsmann. Es passt nicht zusammen – und er weiß das mittlerweile auch."
Das hat gesessen, denn Bayern-Vorstandsvorsitzender Jan-Christian Dreesen und Sportdirektor Christoph Freund suchten gleich am Tag danach die Öffentlichkeit, um klarzustellen, dass hier eine Grenze überschritten wurde. "Wir werden solche unsachlichen, gegen unseren Trainer gerichteten Aussagen, die immer aus derselben Ecke kommen, nicht mehr akzeptieren", teilte der FC Bayern mit.
Die Bayern-Bosse hatten offensichtlich irgendein Druckmittel in der Hinterhand, denn Hamann ruderte tags darauf ganz brav zurück und entschuldigte sich explizit bei den Bayern und deren Trainer für seine Einschätzung. Wie peinlich.
Mit Blick auf den von Hamann und anderen Experten ausgehenden Unterhaltungswert meine ich: Wenn ein Kommentator schon mal einen raushaut, dann muss er auch dahinter stehen und darf nicht bei aufkommendem Gegenwind umfallen. Dieses Zurückrudern kratzt nicht nur an der fachlichen Analysefähigkeit, sondern an der Kernkompetenz solcher Experten: am Unterhaltungswert.
Genau darum geht es beim Einsatz von Fußballexperten. Sie müssen unterhaltsam sein, wenn sie Spiele und die relevanten Hintergrundthemen zur Sprache bringen. Hamann ist als 59-facher Nationalspieler eine Autorität und deshalb lohnt es sich, ihm zuzuhören. Selbst dann, wenn man anderer Meinung ist, denn in der Flut an Standpunkten und Hintergrundwissen zum Spieltag tut es gut, wenn man sich als normaler Fan und Zuschauer an den Äußerungen verschiedener Experten reiben und abarbeiten kann.
Der Fußball ist deshalb so unterhaltsam, weil wir vortrefflich über ihn sprechen und streiten können. Dabei stehen alle Ereignisse des Spieltags in Rede und auf dem Prüfstand. Zuallererst die Leistung der eingesetzten Spieler, aber auch die Taktik und Fähigkeit der Trainer, die Einkaufspolitik der sportlichen Leitung oder die Philosophie und Ausrichtung der Präsidenten und Klubbosse.
Es versteht sich von selbst, dass derart komplexe Themen von kaum jemanden unmittelbar nach Spielschluss hieb- und stichfest analysiert und auf den Punkt gebracht werden können. Das erwarten die Zuschauer auch gar nicht, denn es ist durchaus auch unterhaltsam, sich mit der Meinung eines völlig andersdenkenden Experten auseinandersetzen zu müssen. Selbst dann, wenn die Expertenkritik am Ziel vorbeischießt.
Aus diesem Grund empfinde ich es als ärgerlich, wenn Fußballklubs Druck ausüben und dazu beitragen, dass Experten genau deshalb umfallen. Danach ist alles, was diese Experten von sich geben, weniger Wert. Es steht unter Vorbehalt und wir müssen abwarten, ob es der Zensur durch die großen Klubs Stand halten kann. Auf diese Form der Expertise kann ich getrost verzichten.