Es war ein Jahresabschluss zum Vergessen. Eigentlich wollte Bundestrainer Julian Nagelsmann den Schwung von der USA-Reise aus dem Oktober mitnehmen. Gegen die Türkei und Österreich sollte eine Euphorie im Hinblick auf die Heim-EM im nächsten Sommer entfacht werden. Doch daraus wurde nichts.
Nach der 2:3-Pleite im Berliner Olympiastadion folgte am Dienstag eine 0:2-Niederlage in Wien gegen die Österreicher rund um deren deutschen Trainer Ralf Rangnick. Kein Wunder, dass Julian Nagelsmann nach der Partie auf der Pressekonferenz und beim Interview mit dem ZDF angefressen wirkte.
Der 36-Jährige sagte kämpferisch: "Wir müssen uns da rausarbeiten, mit allem, was wir haben. Das wird die nächsten dreieinhalb Monate nicht so leicht. Es wird darum gehen, dass wir die richtige Kadermentalität haben." Wie das gehen könnte, erklärte er selbst auch: Ihm sei es wichtig, nun mehr Arbeit statt Schönspielerei von seinen Spielern zu sehen.
"Dann musst du vielleicht mal die Faust ballen und sagen: 'Ein Toptalent weniger, einen Worker mehr'. Vielleicht müssen wir auf zwei Prozentpunkte Talent verzichten und zwei Prozentpunkte mehr Worker reinbringen", schloss Nagelsmann seine Ansage ab.
Dennoch betonte er, dass er den Kritikpunkt der fehlenden Gemeinschaft unter den Nationalspielern nicht nachvollziehen könne. Demnach sehe er außerhalb des Platzes "eine sehr geschlossene Gemeinschaft". Er habe außerdem noch nie eine Mannschaft trainiert, die im Umgang untereinander und auf dem Trainingsplatz so angenehm sei. "Was uns nicht gelingt, ist, dass wir den Transfer aufs Feld hinkriegen. Da habe ich noch keine Paradelösung. Da habe ich das Gefühl, dass wir Einzelkämpfer sind", kritisierte der Bundestrainer seine Spieler.
Noch klarer wurde allerdings DFB-Sportdirektor Rudi Völler vor den versammelten Journalisten in Wien. Er wetterte nach der Niederlage: "Es geht nicht um das beknackte Ergebnis, sondern um die Art und Weise. Das können wir uns nicht gefallen lassen."
Außerdem bemängelte er das Fehlen der "deutschen Tugenden". "Ich will nicht immer von Leidenschaft sprechen", erklärte Völler, "aber dass wir diese Dynamik und Emotionen reinbringen. Sonst wird es gegen jeden Gegner schwer. Diese fünf, zehn Prozent an Leidenschaft haben gefehlt. Es ist eine generelle Frage, ich weiß nicht, ob es an den Spielertypen liegt, aber da müssen wir dran arbeiten".
Dabei scheinen die DFB-Stars gar nicht anderer Meinung zu sein als Völler. Mats Hummels wird von der "Bild" zitiert, dass er zwar sehe, dass die DFB-Spieler "ein Haufen sehr guter Fußballer" sei und individuelle Qualität habe. Er forderte aber auch ein: "Was kommen muss, sind diese klassischen deutschen Tugenden."
Über die kommenden Monate können die Nationalspieler diese allerdings vorerst nur in ihren Vereinen zeigen. Da die nächste Länderspielpause erst Ende März (21. bis 26.) ist, hat Bundestrainer Nagelsmann so lange auch nicht mehr seine Stars beisammen, um mit ihnen zu arbeiten. Dann könnte es dem "Redaktionsnetzwerk Deutschland" nach sogar zu zwei absoluten Topspielen kommen. Der DFB plane angeblich mit Testspielen gegen die Niederlande und Frankreich.