Am 5. August 2024 schrieb Svenja Brunckhorst gemeinsam mit Sonja Greinacher, Elisa Mevius und Marie Reichert in Paris Geschichte. Vor den Augen von Basketballikone Dirk Nowitzki gewann das Quartett die erste olympische Basketballmedaille überhaupt.
Für Brunckhorst ging es vom Court direkt an den Schreibtisch – als Managerin für Frauen- und Mädchenbasketball bei Alba Berlin. Und dazwischen Auftritte in Talks, TV-Shows und viele Ehrungen. Immer im Gepäck: ihre Goldmedaille in einer Sportsocke. Schon während der Spiele ging ein Video dazu viral.
Im watson-Interview spricht sie beim Frühstück über die Zeit nach dem Sportlersein, ihren neuen Job und, "dass das Geld am Ende doch wieder in den Männer-Sport geht".
Watson: Svenja, darf man dir noch Socken zu Weihnachten schenken?
Svenja Brunckhorst: Ich habe tatsächlich nie Socken zu Weihnachten bekommen. Das ist immer an mir vorbeigegangen. Ich habe mittlerweile eine echt große Kollektion mit kreativen Motiven. Daher kann man mir gerne weiter Socken schenken – egal zu welchem Anlass.
Dass du deine olympische Goldmedaille in einer Sportsocke transportierst, ging im vergangenen Sommer viral. Nervt es dich, wenn du heute noch darauf angesprochen wirst?
Es ist immer noch etwas ganz Besonderes. Trotzdem möchte ich mich mit der Zeit über meinen neuen Job neu definieren und nicht nur auf die Medaille in der Socke reduziert werden. Ich muss und will auch lernen, dass ich darauf stolz bin, weil es mich mein Leben lang begleiten wird.
Als 3x3-Basketballteam wurdet ihr unter anderem als Newcomer des Jahres ausgezeichnet. Kann man so eine Ehrung mit 33 Jahren zum Karriereende ernst nehmen?
Natürlich. Aber ich musste selbst ein bisschen schmunzeln, dass ich das zum Abschluss meiner Karriere noch einmal schaffe. Es ist eben eine neue olympische Sportart und ich glaube, selbst in der deutschen Delegation wusste keiner wirklich was mit uns anzufangen. Das hat sich aber von Tag zu Tag gesteigert.
Mit eurer Goldmedaille beim 3x3-Basketball habt ihr den Basketballhype befeuert und eine junge Sportart in Deutschland der breiten Masse vorgestellt.
Das war natürlich das Ziel. Es ist sehr publikumsfreundlich, kurz, schnell und dynamisch. Zudem können die meisten über Streetball eine Verbindung herstellen. Olympia war eine perfekte Plattform, um die Sportart zu präsentieren.
Du hast ein Jahr der Superlative hinter dir: Olympia-Qualifikation im klassischen Basketball und im 3x3, dann die Goldmedaille, das Karriereende, zahlreiche Einzel- und Teamauszeichnungen und ein neuer Job bei Alba Berlin.
Genau. Es war ein bisschen ein Leben auf der Überholspur. Es gab Wochen, wo ich an fünf von sieben Tagen in unterschiedlichen Städten war und manchmal nicht wusste, in welcher Stadt ich aufgewacht bin.
Über die Weihnachtszeit wolltest du dir eine Auszeit in den Bergen nehmen. Hat das geklappt?
Dort bin ich sofort extrem krank geworden. Und es braucht auch noch ein bisschen, um zu verstehen, was in den vergangenen zwölf Monaten passiert ist. Ich bin noch immer im Prozess.
Wie sieht dieser Prozess aus?
Das Gute ist, dass meine Teamkollegin und beste Freundin Sonja Greinacher angehende Psychologin ist und meine Freundin ebenfalls Psychologie studiert. So habe ich zwei Personen in meinem Umfeld, die kritische Fragen stellen und sagen, dass ich auf mich aufpassen soll. (lacht)
Du hast direkt nach dem Karriereende als Managerin für Frauen- und Mädchenbasketball bei Alba Berlin angefangen. War eine Pause keine Option?
Im Nachhinein hätte ich mir mehr Zeit gewünscht. Als ich meinen weiteren Weg geplant hatte, konnte ich natürlich nicht ahnen, dass er so zu Ende geht. Hätten wir diesen Erfolg nicht gehabt, wären drei Wochen Pause zwischen Olympia und Arbeitseinstieg völlig ausreichend gewesen.
Warum ausgerechnet Alba Berlin?
Sie haben für die Entwicklung im Mädchen- und Frauen-Basketball eine Frau mit Expertise gesucht und wir sind durch ähnliche Visionen in den intensiveren Austausch gekommen. Beiden Seiten ist es wichtig, dass die Entwicklung weiter intensiv nach vorne getrieben wird.
Ist dir das Karriereende leichtgefallen?
Ich glaube, das fällt keinem Sportler leicht. Du definierst dich während deiner aktiven Zeit nur über das Sportliche und musst dann entscheiden: Jetzt ist Schluss. Ich habe mit 32 Jahren aufgehört und habe jetzt noch genauso viele Jahre, wo ich normal arbeiten werde. Aber ich bin froh, dass ich diesen Prozess durchgemacht habe. Dort wurde mir klar, dass ich nicht noch einen olympischen Zyklus mitmachen will.
Inwiefern spielte auch der finanzielle Aspekt beim fließenden Übergang eine Rolle?
Frauen-Basketball ist eine Randsportart. In Deutschland ist der Professionalitätsfaktor noch nicht so hoch. Du verdienst während deiner Karriere nicht so viel, dass du danach sorgenfrei leben kannst. Wir haben in Deutschland nur wenige Topathletinnen, die man kennt und die auch so entlohnt werden. Im Ausland hingegen können einige sehr gut davon leben.
Warum hängt Deutschland so hinterher?
In anderen Ländern wird der gesellschaftliche Aspekt von Sport und auch Frauensport ganz anders gesehen. Die finanzielle Absicherung ist für den Großteil unserer Leistungssportler nicht gegeben. Besonders in Sportarten, wo das Equipment viel kostet, zahlst du meistens noch drauf. Es gehört viel intrinsische Motivation und Liebe zum Sport dazu.
Es gibt immer wieder die Debatte, dass Dschungelcamp-Gewinner in Deutschland mehr Geld bekommen als Olympiasieger.
Darüber wurde im Vorfeld schon viel gesprochen: Die Wertschätzung von Sport in Deutschland ist sehr ausbaufähig. Daher müssen wir einen Markt schaffen, der die Leute interessiert, damit sie zuschauen wollen.
Du hast für deine olympische Goldmedaille 20.000 Euro bekommen.
Darüber freue ich mich natürlich. Wenn man es aber im Ländervergleich sieht oder was nach Steuern übrigbleibt und dann in Bezug setzt, was man alles reingesteckt hat oder es Personen aus der Wirtschaft erzählt, lachen die darüber. Viele Unternehmen haben gesagt, dass es sich ändern muss und ich hoffe, dass Taten folgen werden.
Spürst du das bereits im Frauen-Basketball bei Alba Berlin?
Es gibt immer mehr Verständnis. Aber wir sehen auch: Alle sagen, sie wollen in den Frauensport investieren. Die Realität sieht anders aus.
Wie?
Dass wir nicht die Sponsoren haben, damit die Spielerinnen vom Sport leben können. Es wird immer viel gesagt und getan, aber am Ende geht es doch wieder in den Fußball oder den Männersport.
Wie lässt sich das ändern?
Die vergangenen zwölf Jahre haben wir gemerkt, dass Frauen-Basketball absolut kein Thema war – medial und in der Förderung. Aber Gelder hängen auch immer vom sportlichen Erfolg ab und wir haben aktuell das Momentum auf unserer Seite. Wir haben extrem viele Spielerinnen auf höchstem internationalem Level, die Vorbilder sind. Sie sind absolute Superstars, die ihre Stimme nutzen und Missstände ansprechen.
In einem ZDF-Beitrag hast du gesagt: Du hast während deiner Laufbahn viel kritisiert, jetzt kannst du es ändern ...
(lacht) … Das ist ein Prozess, der mir wahrscheinlich ein paar graue Haare bereiten wird.
Hast du dir zu viel vorgenommen?
Ich hätte gedacht, es ist einfacher. Bei gewissen Abläufen, Gremien und Verantwortlichkeiten kommt man im deutschen Sport schon an seine Grenzen. Bei manchen Kritikpunkten habe ich gedacht, dass es nicht so schwierig sein kann. Aber merke jetzt, dass es doch so schwierig ist.
Öffnet dir dein Status als Olympiasiegerin in deiner neuen Rolle nochmal andere Türen?
Auf jeden Fall. Mir wird anders zugehört und das muss ich jetzt nutzen.