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Investoren im Frauenfußball: Rufe nach einem Umdenken werden lauter

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In der Bundesliga der Männer protestieren Fans immer wieder gegen Investoren.Bild: IMAGO images / Sven Simon
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Braucht der deutsche Frauenfußball mehr Investorenklubs?

Investor:innen im deutschen Fußball sind seit Jahren ein sensibles Thema. Das gilt nicht nur für den Herrenbereich, sondern auch für den Frauenfußball.
02.06.2025, 08:1302.06.2025, 08:13
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Als ab Mitte April in der Champions League der Frauen die vier besten Mannschaften Europas um ein Ticket für das Endspiel in Lissabon kämpften, mischte kein deutsches Team mehr mit. Mal wieder nicht, wenn die heiße Phase der Saison anstand.

Sowohl der FC Bayern als auch der VfL Wolfsburg mussten im Viertelfinale die Segel streichen, beide Frauen-Bundesligisten bekamen dabei ihre Grenzen schonungslos aufgezeigt. Die Münchnerinnen, die in der heimischen Liga ihren dritten Titel in Serie eingefahren haben, unterlagen Lyon nach Hin- und Rückspiel mit 1:6. Die Wölfinnen mussten sich Barcelona unterm Strich sogar mit 2:10 geschlagen geben.

Eintracht Frankfurt wiederum, das sich derzeit als dritte deutsche Kraft etabliert, war schon vor den Playoffs an Sporting Lissabon gescheitert. Es ist ein Trend, mehr Regel als Ausnahme. Die Bayern erreichten seit 2019/20 nur einmal das Halbfinale, Wolfsburg immerhin noch zweimal das Finale. Die Wölfinnen scheiterten im Vorjahr aber auch in der Qualifikation.

"Der deutsche Fußball sollte stolz sein, keine Investoren zu haben."
Ex-Bayern-Trainer Alexander Straus

So erhärtet sich von Saison zu Saison zunehmend ein Verdacht: Der deutsche Frauenfußball droht international abgehängt zu werden. Die Spitzenkonkurrenz schreckt längst nicht mehr vor großen Investitionen zurück. Chelseas Naomi Girma als erster Millionentransfer ist da nur eines von vielen Beispielen. Auch bei anderen englischen Klubs oder in Frankreich sitzt das Geld wesentlich lockerer. Die Spielerinnen profitieren somit von wesentlich besseren Bedingungen.

Und in Deutschland? Hier wird das gelobt, was nicht ist. "Der deutsche Fußball sollte stolz sein, keine Investoren zu haben", sagte Bayerns Ex-Trainer Alexander Straus nach dem Champions-League-Aus seiner damaligen Mannschaft.

Vergleiche stehen der Entwicklung des Frauenfußballs im Weg

Im Herrenfußball ist das gewiss angebracht, taugt es doch als durchaus erfolgreiches Alleinstellungsmerkmal. Der FC Bayern und der BVB haben nicht die Mittel von Manchester City, PSG und Co. – mithalten können beide trotzdem oft genug. 50+1 stellt nicht nur Erstklässler vor Kopfzerbrechen, sondern treibt auch Martin Kind an den Rand des Wahnsinns und vergrault Lars Windhorst wieder von der Bundesliga-Bildfläche.

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Fans von Hannover 96 protestieren regelmäßig gegen Martin Kind.Bild: IMAGO images / Oliver Ruhnke

"Das ist unsere deutsche Fußballkultur, die stark vom Männerfußball geprägt ist", ordnet Jessica Stommel, Head of Frauenfußball bei Sportrechtevermarkter Sportfive, die Aussage von Bayern-Trainer Straus ein. Und darin sieht sie bereits das erste Problem. Denn wenngleich am Ende des Tages alle denselben Sport betreiben, so bedarf es doch einer unterschiedlichen Herangehensweise.

"Es ist auch Fußball, aber wir müssen die Vergleiche aus unseren Köpfen rausbekommen", fordert sie im Gespräch mit watson und findet es daher "schwierig, da von Stolz zu sprechen". Die Expertin für Sportmarketing hält mit Zahlen gegen Straus' Appell:

"62 Prozent der aktuellen Bundesliga-Spielerinnen verdienen weniger als 3000 Euro brutto im Monat, müssen nebenbei arbeiten. Darauf können wir nicht stolz sein."

Nun mögen 3000 Euro brutto im Monat zum Leben genügen, allerdings eben nur während der zeitlich begrenzten Karriere. Die meisten Profifußballerinnen müssen sich in dieser Zeit schon auf das Danach vorbereiten: studieren, eine Ausbildung abschließen oder arbeiten.

Davor sind selbst Nationalspielerinnen nicht gefeit. Janina Minge etwa war vor ihrem Wechsel nach Wolfsburg noch als Polizistin im Einsatz.

Große Bundesliga-Klubs müssen querfinanziert werden

In Niedersachsen dürfte sie nun ein deutlich höheres Gehalt beziehen. Möglich wird dies aber nicht etwa, weil der Klub im Frauenbereich so gut wirtschaftet.

Vielmehr läuft es in Wolfsburg ähnlich wie in München, Frankfurt, Leverkusen, Leipzig oder Hoffenheim: Das Team lebt von externen Zuschüssen.

"Wir könnten stolz sein, wenn die Vereine es schaffen würden, finanziell unabhängig von Herrenteams zu agieren. Das ist nicht der Fall", sagt Jessica Stommel. Die Querfinanzierung vom Herrenbereich ist notwendig, andernfalls würden diverse Teams seit Jahren rote Zahlen schreiben.

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Jessica Stommel ist Head of Frauenfußball bei Sportrechtevermarkter Sportfive.Bild: IMAGO images / Hartenfelser

Was gleich zwei Fragen aufwirft: Stehen die Frauenteams, die nur dank der externen Zuschüsse aus dem Herrenbereich funktionieren, de facto ohne Investor da? Und was Jessica Stommel daraus ableitet: "Wäre dann nicht sogar ein Investorenmodell angebracht, um sie besser zu bezahlen und um die Professionalisierung des deutschen Frauenfußballs voranzutreiben?"

Viktoria Berlin will mit Investoren im Rücken in die Bundesliga

Die Sportmarketingexpertin mahnt, dass man eigentlich keine Zeit zu verlieren habe. "Wenn wir auf die Vereine warten, sind wir auch in fünf, sechs Jahren nicht dort", befürchtet sie. "Ich würde mir eine offenere Diskussion wünschen, die losgelöst von den Traditionen des Männerfußballs ist."

Ein Verein, der sich von diesen Verbindungen losgesagt hat, ist der FC Viktoria Berlin. 2022 übernahm eine Gruppe von Gründerinnen das Frauenteam, darunter die Ex-Nationalspielerin Ariane Hingst sowie Unternehmerin Verena Pausder. Sie holten zahlreiche Investor:innen mit an Bord, dazu zählen Promis wie Franziska van Almsick und Carolin Kebekus. Das klare Ziel: Binnen fünf Jahren soll es in die Bundesliga gehen.

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Verena Pausder ist eine der Co-Gründerinnen des FC Viktoria Berlin.Bild: IMAGO images / Nico Herbertz

2025 hat Viktoria Berlin den ersten Schritt geschafft, den Aufstieg in die zweite Liga. "Mit Luft und Liebe hätte das nicht geklappt", sagt Verena Pausder im watson-Gespräch und betont, mit Straus' Investorenaussage wenig anfangen zu können: "Wenn du nicht in den Fußball investierst, gibt es die Vereine, die da oben spielen, und es kann nichts Neues nachkommen."

Für Neues aber möchte der Frauenfußball in diesen Jahren so sehr stehen wie selten zuvor. Aufbruch, Veränderung, Hype – das sind seit der EM 2022 drei beliebte Schlagworte. Aber möchte die Branche das auch um jeden Preis?

"Es gab sicherlich einige, die sich gewünscht haben, dass wir scheitern", berichtet Pausder. "Am Anfang wurde uns unterstellt, dass wir einen riesigen Hype machen, nach einem Jahr des Misserfolgs aber wieder das Weite suchen." Ein Vorurteil, mit dem der Verein schnell aufgeräumt hat. Viktoria scheiterte einmal in den Aufstiegsplayoffs, musste dann Union Berlin, das ebenfalls von starken Zuschüssen profitiert, vorbeiziehen lassen. "Drei Jahre später sind wir immer noch da. Das mag ich."

Der Sprung in die zweite Liga dürfte die nationale Aufmerksamkeit nun wieder steigern, nachdem die anfängliche Lautstärke etwas abgeklungen war. Womöglich bringt es auch wieder mehr Kritik mit sich, aber diese weiß Pausder einzuordnen. "Die Betrachtungsweise ist zu oft schwarz-weiß", sagt sie und betont ebenfalls:

"Es ist nicht so, als hätte es in den ganzen Bundesliga-Klubs keinerlei Investitionen gegeben. Da haben wahnsinnig viele Menschen wahnsinnig viel Geld reingesteckt. Fast alle Frauenteams, die ein Herrenteam in der ersten Liga haben, werden von den Männern quersubventioniert."

Durch Viktoria Berlin soll das künftig anders laufen. Und der Hauptstadtklub könnte kein Einzelfall sein. Pausder ist überzeugt davon, dass die Investorengruppe Mercury/13 nach Deutschland kommen wird, um einen Verein zu übernehmen. Aktuell führt die Gruppe schon die Como-Frauen in der Serie A Femminile.

"Wir haben mit Mercury/13 gesprochen", berichtet sie. Ein Verkauf kommt derzeit aber nicht infrage. "Wir schreiben unsere eigene Geschichte."

Inwiefern die Geschichte von Viktoria Berlin den deutschen Frauenfußball in seiner Gesamtheit, die Offenheit gegenüber Investor:innen im Speziellen beeinflusst, bleibt abzuwarten. Für Pausder selbst ist in der Debatte aber eines wichtig: "Ich hoffe, dass der Frauenfußball ein Herzblutprojekt bleibt, bei dem man nicht nur über Geld spricht."

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