Für die deutsche Handball-Nationalmannschaft war die Weltmeisterschaft in Ägypten früher beendet als geplant. Zwar wurden die anfänglichen Probleme mit dem Hygienekonzept relativ schnell gelöst, doch sportlich fand das Team von Trainer Alfred Gislason nie wirklich zur Top-Form. Das Ziel Viertelfinale wurde verpasst und die Mannschaft schied nach der Hauptrunde aus. Mit Platz 12 stand schlussendlich das schlechteste Ergebnis bei einer WM zu Buche. Doch der volle Fokus liegt nun schon auf dem Olympia-Qualifikationsturnier im März in Berlin.
Im Interview mit watson spricht Ex-Nationalspieler Pascal Hens über die Probleme der Mannschaft während des Turniers, Spieler, die sich in den Vordergrund gespielt haben und die Erwartungen an das Olympia-Qualifikationsturnier.
watson: Pascal, ist das einzig Positive am Abschneiden der deutschen Mannschaft, dass sich niemand mit dem Coronavirus infiziert hat?
Pascal Hens: Nein, es gibt auch noch andere positive Ansätze. Nach den anfänglichen Schwierigkeiten ist es natürlich wirklich positiv, dass sich niemand infiziert hat. Man hat die anfänglichen Probleme relativ schnell in den Griff bekommen und die Abschottung hat funktioniert. Das ist sehr positiv.
Nun hat die Mannschaft das WM-Quartier in Ägypten bereits verlassen. Nach dem Aus in der Hauptrunde ist sie seit Dienstagnachmittag wieder in Deutschland. Das Ziel war eigentlich, das Viertelfinale zu erreichen.
Ja, das ist korrekt. Man darf aber nicht vergessen wie viele Absagen es im Vorfeld gab und Bundestrainer Alfred Gislason hatte nur wenig Zeit, die Mannschaft vorzubereiten. Soll alles keine Ausrede sein, aber es kann auch passieren, dass so ein Turnier dann schon nach der Hauptrunde vorbei ist.
Dennoch steht mit Platz 12 das schlechteste Ergebnis der Geschichte zu Buche.
Wir haben mit den Top-Teams Spanien und Ungarn lange mithalten können, aber die Spiele verloren und sind am Ende nur Zwölfter geworden. Da wird häufig nur das Schlechte gesehen, aber die Ausgangssituation war wirklich schwierig und spielerisch war es nicht so schlecht.
Wurde mit dem Viertelfinale dennoch ein zu hohes Ziel vorgegeben?
Nein, ich fand das schon richtig. Als deutsche Nationalmannschaft sollte man nicht zu einer Weltmeisterschaft fahren und sich mit der Hauptrunde zufrieden geben. Ich finde es gut, dass man sich gewisse Ziele setzt. Die Niederlagen gegen Ungarn und Spanien waren knapp und sie hätten auch beide Spiele gewinnen können. Dann wären wir jetzt noch mitten im Turnier.
Was hat der Mannschaft schlussendlich gefehlt?
Es entscheiden Kleinigkeiten und da braucht man auch einfach eine gewisse Erfahrung und Abgezocktheit. Die hatten unsere Jungs in einigen entscheidenden Momenten leider nicht.
Hätte Trainer Alfred Gislason etwas anders machen können?
Im Nachhinein ist es immer einfach darüber zu reden, was man hätte besser machen können. Ich finde, dass eine Mannschaft erfolgreich spielt, wenn sie hinten raus Tempo macht und im Angriff Gas gibt. Da haben wir ein bisschen gehemmt gewirkt, aber das wird ja auch nicht die konkrete Ansage von Alfred Gislason gewesen sein.
Dieses Jahr steht Olympia an, was muss also besser werden?
Wir müssen gucken, dass wir nach Ballgewinnen schnell nach vorn kommen und mehr Mut in den Gegenstößen zeigen, um einfache Tore zu machen. Das hat uns in diesem Turnier ein wenig gefehlt. Unser Innenblock in der Abwehr war natürlich jetzt auch sehr jung und nicht eingespielt. Da kann man von zwei jungen Spielern wie Johannes Golla und Sebastian Firnhaber nach zwei Wochen Vorbereitung nicht erwarten das alles funktioniert.
Gislason vertraute häufig auf seine gleichen sieben Akteure. Hätte er den jungen Spielern mehr Möglichkeiten geben sollen?
Klar wäre es für die jungen Kerle wichtig gewesen, dass sie mehr spielen. Aber sie werden auch noch ihre Spielanteile in der Nationalmannschaft bekommen.
Welcher Spieler ist dir besonders aufgefallen?
Johannes Golla hat am Kreis ein starkes Turnier gespielt. In der Abwehr fehlte ab und an ein bisschen das Vertrauen zum Nebenmann, aber das muss sich alles erst noch finden. Er hat eine große Zukunft vor sich.
Dein ehemaliger Bundestrainer Heiner Brand hat im watson-Interview vor dem Turnier gesagt, er erwarte einiges von Rückraumspieler Philipp Weber.
Philipp hat seine Chance definitiv genutzt und in der Nationalmannschaft den nächsten Schritt gemacht. Er spürt das Vertrauen von Alfred Gislason und weiß genau, was seine Aufgabe ist. Er hat Verantwortung übernommen und es gut gemacht. Für das Olympia-Qualifikationsturnier wird er sehr wichtig sein.
Im März trifft die Mannschaft in diesem Turnier in Berlin auf Schweden, Slowenien und Algerien. Nur die beiden besten Teams sind bei den Olympischen Spielen im Sommer in Tokio dabei.
Das wird natürlich nicht einfach, denn mit Schweden und Slowenien sind zwei absolute Top-Mannschaften dabei. Zwar sind keine Zuschauer in der Halle, aber wir spielen zu Hause und daher müssen wir das schaffen. Wenn alle Jungs dabei sind, sehe ich das sehr positiv.
Wie verändert es die Mannschaft, wenn Spieler wie Hendrik Pekeler, Patrick Wiencek, Steffen Weinhold oder Finn Lemke dann wieder spielen?
Wenn ein eingespielter Innenblock mit Wincek und Pekeler zurückkommt, kann das Gold wert sein. Das hat man beim Champions-League-Sieg des THW Kiel vor einigen Wochen gesehen. Dort haben sie überragend gespielt. Sie bringen eine ganze Menge Qualität in die Mannschaft und die müssen wir als Team nutzen.
Nun hat Bundestrainer Alfred Gislason gefordert, den Bundesliga-Spieltag im Vorfeld abzusagen, da ihm vier Tage Vorbereitung zu wenig sind.
Ich verstehe, dass Alfred das gerne hätte, aber ich glaube nicht, dass das momentan möglich ist. Melsungen hat aufgrund einiger coronabedingter Absagen erst zehn Spiele absolviert, die meisten anderen Teams 15. Wann sollen die alle Spiele nachholen?
Obwohl die Olympia-Qualifikation noch nicht einmal geschafft ist, sprach der Vizepräsident des Deutschen Handball-Bundes, Bob Hanning, schon von der Goldmedaille.
Es ist schon ein hohes Ziel und die anderen Mannschaften schlafen auch nicht, aber in der Weltspitze ist es sehr eng. Und wenn wir alle Mann an Bord haben können wir auch ein starkes Turnier spielen. Dann ist auch alles möglich.