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Champions League: Experte Marcel Reif über Musiala und Wirtz

v.li. Marcel Reif, Sebastian Hoeness, Trainer VfB Stuttgart, Cheftrainer GER, VfB Stuttgart vs. BSC Young Boys Bern, Fussball, Herren, UEFA Champions League, 6. Spieltag, Spielzeit 2024/2025, 11.12.20 ...
Marcel Reif (l.) im Gespräch mit Stuttgart-Trainer Sebastian Hoeneß. Bild: imago images / Wolfgang frank
Interview

TV-Legende Marcel Reif: Der ehrliche Blick auf die Champions League

Champions-League-Fußball und Marcel Reif gehören zusammen. Seit über 40 Jahren begleitet er den Wettbewerb als Kommentator und Experte. Zeit, über die Vergangenheit und Zukunft zu sprechen.
04.03.2025, 09:1404.03.2025, 09:14
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Watson: Herr Reif, mit 74 Jahren haben Sie sich im Oktober vergangenen Jahres ein Instagram-Profil angelegt. Wann sehen wir Sie auf Tiktok?

Marcel Reif: (lacht) Es drängt mich nicht auf soziale Plattformen. Für Instagram musste ich von meinen Söhnen und anderen jüngeren Menschen überredet werden. Wenn sich jemand um Tiktok kümmern möchte, dann sehr gern. Alle sind herzlich eingeladen.

Viele TV-Persönlichkeiten teilen ihre Erlebnisse auf Social Media.

Ich stehe berufsmäßig in der Öffentlichkeit, daher erschließt sich für mich eine zusätzliche Öffentlichkeit nicht auf Anhieb. Immer, wenn ich auf der App bin, frage ich mich, warum das jemanden interessieren sollte.

Für viele Menschen ist es der Blick durch das Schlüsselloch auf einen Traumjob.

Das ist ein Beruf wie jeder andere auch. Und dazu gibt es Handwerkzeug: Sprache und Kompetenz. Ich muss mich immer weiterbilden und auf Stand halten, dessen, worüber ich reden möchte. Ob Sie mich lustig, amüsant, brillant oder schlecht finden – das ist alles Geschmack. Aber Sie werden in meinen 30 Jahren als Kommentator vielleicht fünf, aber definitiv unter zehn fachliche Fehler finden.

"Heute klugscheißere ich im Vorfeld und im Nachhinein."

Erfüllt Sie das mit Stolz?

Darauf bin ich nicht stolz, das halte ich für selbstverständlich. Aber ich habe manchmal das Gefühl, dass junge Kollegen das ein bisschen zu locker sehen.

Wie meinen Sie das?

Wenn ein Spieler eingewechselt wird und ich merke, der Kollege ist gerade sehr still, obwohl er vorher wie ein Wasserfall geplappert hat, weiß ich, dass er nicht vorbereitet ist. Wer live und in Echtzeit kommentiert, sollte diese stillen Stummpausen nicht haben. Ich höre das ganz genau.

Wie war das bei Ihnen, als Sie 1984 vom Politik- ins Sportressort beim ZDF gewechselt sind?

Als ich angefangen habe, war ich möglicherweise besser als andere. Ich wollte aber auch der Beste werden. Ob ich es geworden bin, müssen andere beurteilen. Ich wollte für mich sagen können: 'Ich mache es besser als die anderen und vor allem als die Alten.'

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Marcel Reif und Stefan Effenberg während der gemeinsamen Zeit bei Premiere.Bild: imago images / Mika Volkmann

Stieß das auf Gegenliebe?

Natürlich nicht. Ich musste eben ein paar Dinge mehr machen und können. Das klingt alles fürchterlich arrogant, aber ich hoffe, Sie können das nachvollziehen. Wahrscheinlich hat die Hälfte der Menschen abgeschaltet, wenn ich angefangen habe zu reden, das ist völlig okay. Aber sie können mir nicht vorwerfen, dass ich meinen Job nicht konnte.

Schauen Sie heute noch viel Fußball?

Wenn meine Frau am Sonntag ihre Ruhe haben will, weil sie selbst zu tun hat, und ich sehe, es spielt Real Madrid gegen Girona, klingt das erstmal uninteressant.

Aber?

Ich denke: Nächste Woche spielt Real gegen Atlético in der Champions League, sie werden sicherlich mit einer B-Elf spielen, aber ich bin als Experte im Einsatz. Also schaue ich mindestens mal eine halbe Stunde rein. Dann sehe ich Jung-Kollegen, die mich anstarren und fragen: "Das guckst du dir auch noch an?" Aber bitte: Das ist nicht genial, sondern ich halte das für selbstverständlich.

Sie sind beim Schweizer TV-Sender Blue noch als Experte im Stadion und Studio im Einsatz.

Genau. Heute klugscheißere ich im Vorfeld und im Nachhinein (lacht). Aber ich habe eher das große Ganze im Blick. Meine Vorbereitung ist nicht mehr ganz so detailliert.

Sie haben allein über 20 Champions-League-Endspiele kommentiert. Verblasst der Zauber irgendwann?

Als der Zauber zum ersten Mal verflogen war, habe ich aufgehört, zu kommentieren. Das habe ich mir als unumstößliches Gesetz selbst verschrieben. Wenn ich mit dem Gedanken: 'Ja, dann spielt halt. Ist mir doch Wurscht', irgendwo hingefahren wäre, hätte ich mir das nie verziehen.

Als Sie im ZDF-Sport angefangen haben, hieß der Wettbewerb noch Europapokal der Landesmeister. Wie denken Sie an diese Zeit zurück?

Wir waren Platzhirsche und es gab niemand anderen auf der Lichtung. Ich war mehr damit beschäftigt, die richtigen Spiele zu kriegen, weil ich der Meinung war, ich kann es besser als meine Kollegen. Irgendwann hat sich das alles geändert und ich habe das ZDF verlassen, als nur noch dreieinhalb Live-Spiele im Jahr mein Arbeitsnachweis waren. Ich mag das aber weder beweinen noch toll finden.

Mit der Umbenennung 1992 und dem aufkommenden Privatfernsehen kam auch langsam das große Geld in den Fußball.

Von dieser Marktentwicklung habe ich ganz persönlich profitiert, sowie die Klubs und Spieler auch. Mit dieser Grundsatzdiskussion, die manche auch heute noch in der romantischen Rückschau führen wollen, kann ich nichts anfangen. So viel schlechter ist es heute auch nicht, wenn ich gucke, welche Art Fußball gespielt wird.

Es ist eine andere Sportart.

Definitiv. In der ganz großen Bewertung rund um den aktuellen Fußball mit noch einem Spiel und noch einem Wettbewerb lohnt es sich, innezuhalten und sich zu fragen: Wie hält ein Körper das aus?

Karl-Heinz Rummenigge hat den Spielern die Schuld gegeben, weil sie und ihre Berater immer mehr Geld fordern würden. Daher bräuchte es mehr Spiele, um Geld zu verdienen.

Wie viel die Spieler verdienen, wird nicht entscheidend sein, sondern wie viel sie liefern können. Irgendwann wird die Belastung zu groß. Es sind aber zwei Welten, die aufeinanderprallen: eine organisch-medizinische und eine ökonomische. Ich verstehe das, aber da gerät der Fußball in eine Spirale, die nicht okay ist.

Wie stoppt man diese Spirale?

Das lässt sich nur über einen Salary Cap regeln. Ich bin überzeugt, dass eine Super League nach dem amerikanischen Prinzip mitsamt Draft-System kommen wird.

Ist das gut?

Das weiß ich nicht. Aber das olympische Motto "höher, schneller, weiter" wird im Fußball nicht mehr lang funktionieren.

Hat Ihnen der neue Modus der Champions League gefallen?

Ich war skeptisch, aber am Ende fand ich es ganz gut. Es gibt nicht mehr diese Langeweile der Gruppenphase. In 90 von 100 Fällen war schon bei der Auslosung klar, welche Teams weiterkommen. Jetzt musst du bis zum Schluss Leistung bringen. Das haben auch die Bayern gemerkt.

Durch den neuen Modus treffen der FC Bayern und Bayer Leverkusen bereits im Achtelfinale aufeinander. Zu früh?

Wir haben auch Real Madrid gegen Atlético Madrid. Ich glaube, die Uefa wird darüber nochmal nachdenken. Ich kann auch nicht nachvollziehen, warum man schon nach der Play-off-Runde den kompletten Turnierbaum bis zum Finale braucht.

Das Finale findet dieses Jahr nach 13 Jahren wieder in München statt. Schwebt die Debatte darum zu sehr über dem FC Bayern?

Ja. Wenn sie nicht die Champions League gewinnen, wird das die deutsche Meisterschaft entwerten. Ich habe das Endspiel 2012 kommentiert und weiß, wie traumatisiert die ganze Stadt war. In diesem Jahr ist das Finale im eigenen Stadion für die Bayern eine zusätzliche und massive Belastung.

Vorstandschef Jan-Christian Dreesen hat nicht vom "Finale dahoam", sondern vom "Titel dahoam" gesprochen.

Das hätte er anders sagen sollen. Sie wollen nichts anderes, als 2012 endlich zu reparieren. Aber wenn du etwas zu sehr willst, kann das auch lähmen.

Wie ist Ihnen der Tag nach dem verlorenen Finale 2012 in Erinnerung geblieben?

Ich bin morgens um neun durch die Stadt gefahren, die Sonne hat geschienen und an jeder Ecke saßen Menschen in tiefster Trauer, die vermutlich die ganze Nacht dort gesessen haben. Ich kann mich nicht erinnern, jemals gespürt zu haben, wie eine ganze Stadt zusammensackt, weil sie etwas so sehr wollte und es nicht bekommen hat.

Bayern gegen Leverkusen ist auch das Duell Musiala gegen Wirtz.

Ich sehe sie weder als ideales Duo in einer Mannschaft, noch sehe ich irgendeine Konkurrenz. Beim Wunsch der Bayern, beide in einer Mannschaft zu haben, sehe ich mehr Probleme als Lösungen.

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Musiala und Wirtz beim FC Bayern: Für Marcel Reif ist das keine gute Idee.Bild: imago images / Moritz Müller

Das müssen Sie erklären.

Abgesehen von ihrem enormen Talent sind es zwei komplett unterschiedliche Spielertypen. Wirtz kann etwas, das ich in diesem Alter noch nie gesehen habe. Abseits seiner individuellen Klasse kann er strategisch Fußball spielen. Er läuft mehr als andere und bestreitet mehr Zweikämpfe. Aber nicht, weil sie ihn jagen, sondern weil er sich sagt, dass er das für die Mannschaft leisten muss. Bei Musiala ist es eher: Knoten in die Beine des Gegners spielen und selbst Tore schießen.

Also waren Sie bei der EM kein Fan von "Wusiala"?

Das hat nur funktioniert, weil Wirtz auf die rechte Seite ausweichen musste. Wenn du ihm das heute sagst, nimmst du ihm zwei Drittel des Feldes. Und einem Musiala kannst du auch nicht sagen: "Du bleibst bitte nur in diesem Quadrat." Ich glaube, dass sie sich über die Füße rennen werden, aber wenn ich falsche liege, ist es ja umso besser.

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