Watson: Herr Teske, wann hatten sie das letzte Mal Kontakt zu Formel-1-Boss Stefano Domenicali?
Jorn Teske: Mit Stefano Domenicali persönlich ist es eine ziemliche Zeit her. Ich kann mich an das Gespräch bestens erinnern, nicht aber an den genauen Zeitpunkt. Aber: Nach dem Gespräch mit Herrn Domenicali standen wir noch diverse weitere Male in Kontakt mit der Formel 1. Da ist es aber üblicher, mit der zuständigen Direktorin für Promoter Relations zu sprechen. Dies ist eher wenige Wochen als mehrere Monate her.
Um eine der wichtigsten Fragen für deutsche Motorsportfans zu stellen: Wie sieht es aktuell aus mit einer Formel-1-Rückkehr des Hockenheimrings?
Natürlich haben wir als Hockenheimring ein riesiges Interesse an der Formel 1. Sie ist weiterhin die Königsklasse des Motorsports und gerade mit unserer Geschichte passt sie sehr gut und gehört auch hierher. Auch die Fans wünschen sich eine Rückkehr in den Formel-1-Kalender.
Wie wahrscheinlich ist so eine Rückkehr?
Das kann ich nicht seriös sagen. Weder zur Wahrscheinlichkeit, noch zu einem genauen Zeitplan. In den letzten Jahren ist es immer wieder an der finanziellen Situation gescheitert. Mit der Austragung war ein so großes Risiko verbunden, das wir nicht verantworten konnten. Wir können die gute, jahrelange Arbeit nicht durch ein vermeintlich defizitäres Formel-1-Rennen im Jahr gefährden.
Konkret geht es darum, dass die Rennstrecken hohe Antrittsgebühren zahlen müssen. Können Sie die Höhe verraten?
Sie liegt im zweistelligen Millionenbetrag. Genauer kann ich es nicht präzisieren. Aber: Das große Problem besteht darin, dass wir – als Hockenheimring – diese Antrittsgebühr durch den Ticketverkauf nicht refinanzieren könnten. Es wäre ein Minusgeschäft.
Was ist aus Ihrer Sicht die Lösung?
Wir sind darauf angewiesen, Partner ins Boot zu holen, die ebenfalls daran interessiert sind, die Formel 1 nach Deutschland zu bringen. Es geht dabei vor allem darum, dass das Risiko der hohen Antrittsgebühr auf verschiedene Schultern verteilt wird. Denn es kann nicht sein, dass alle Player an der Formel 1 verdienen wollen, nur die Rennstrecke macht ein Minus.
Solch ein Partner könnte 2026 Audi sein. Dann geht die deutsche Marke mit einem Team an den Start und könnte auch Interesse an einem Heim-Rennen haben.
Mit dem Einstieg kommt sicherlich Schwung in die Diskussion. Es heißt aber nicht automatisch, dass Audi finanzielle Defizite decken will – das wissen wir nicht. Es ist aber klar, dass dann gemeinsam an einer Formel-1-Rückkehr nach Deutschland gearbeitet werden soll.
In welcher Regelmäßigkeit kann man sich Gespräche mit der Formel 1 aktuell vorstellen?
Eigentlich immer dann, wenn sich auf einer der beiden Seiten etwas Grundlegendes ändert. Zu Covid-Zeiten war die Formel 1 darauf angewiesen, zentrale Strecken zu finden, die ein Rennwochenende professionell organisieren können. Da waren wir sehr eng. Aktuell ist die Lage aber klar.
Nämlich?
Unsere Situation ist unverändert. Wir brauchen Partner, um ein Rennwochenende wirtschaftlich tragfähig organisieren zu können. Aber aktuell ist der Druck nach einem deutschen Grand Prix groß, sodass die Formel 1 auf uns zugekommen ist und reden will. Es gibt Signale der Rennserie, dass so etwas in Zukunft denkbar ist. Es sind aber Signale. Nicht mehr und nicht weniger. Wenn sich das bewahrheitet, wird der Kontakt auch wieder intensiver.
Haben sich die Gespräche mit der Formel 1 durch die Übernahme durch Liberty Media 2017 verändert?
Am Anfang gab es die Hoffnung, dass ihnen die Traditionsrennstrecken enorm wichtig sind. Die Realität hat die neuen Besitzer aber eingeholt. Letztlich zählt das Sprichwort: "Money rules". Es gibt gerade in anderen Ländern viel Interesse an der Formel 1. Dort sind die finanziellen Defizite übrigens noch viel höher, aufgrund höherer Gebühren und weniger Zuschauereinnahmen. Wenn die Formel 1 von uns das fordern würde, was sie von den Bestzahlern bekommt, brauchen wir darüber gar nicht mal mehr nachzudenken.
Wie können sich diese Strecken trotzdem einen Grand Prix leisten?
Die jeweiligen Staaten sind bereit, das notwendige Geld für die Austragung als Länder-Marketing zu sehen. Diese Förderung gibt es in Deutschland nicht. Wir haben keinerlei politische Unterstützung, ohne die es auch weltweit einfach nicht geht.
Glauben Sie, das wird sich im Autoland Deutschland in Zukunft ändern?
Alle Rufe in Richtung Politik sind, über alle politischen Farben hinweg, verhallt. Selbst die Bemühungen der Stadt Hockenheim, als Gesellschafter des Rings in Richtung Landes- und Bundespolitik, die Formel 1 wieder zurückzuholen, sind ohne Ergebnis geblieben. Es ist politisch nicht opportun und ich sehe auch nicht, dass sich etwas ändern wird.
Frustriert Sie das?
Es frustriert mich schon, aber man muss sich der Realität stellen. Es ist eine Wettbewerbsungleichheit innerhalb der EU, in der andere Strecken staatlich unterstützt werden. Es ärgert mich aber auch, weil ein Formel-1-Wochenende auch Wertschöpfungen erzeugt. Einerseits kommen viele Touristen, andererseits trägt es auch zum Imagegewinn für die gesamte Region bei. Das wird bei der Formel 1 außer Acht gelassen. Bei anderen Sportereignissen, die längst nicht die Aufmerksamkeit haben, werden Millionenbeträge in Events gesteckt.
Im Frühjahr war im Gespräch, sich mit dem Nürburgring jährlich bei der Ausrichtung abzuwechseln. Wie steht es darum?
Da muss die Formel 1 zunächst für sich entscheiden, ob sie ein jährliches Rennen in Deutschland will. Danach müsste eine finanzielle Lösung gefunden werden. Wenn das alles steht, wären wir einer wechselnden Ausrichtung gegenüber sehr offen. Das sehen die Kollegen vom Nürburgring genauso. Aber: Wenn die Formel 1 nur alle zwei Jahre ein Rennen in Deutschland will, dann würde ich darum kämpfen, dass wir die ausgewählte Strecke sind.
Glauben Sie, wir würden die Debatte noch führen, wenn wir – wie vor einigen Jahren – sechs oder sieben deutsche Fahrer in der Formel 1 hätten?
Vielleicht wäre die Formel 1 etwas mehr im Fokus. Die Probleme wären aber trotzdem da. Wir hatten mit Sebastian Vettel einen vierfachen Weltmeister hier am Hockenheimring und auch da war es finanziell extrem schwierig bis unmöglich. Das ging nur durch eine Sondervereinbarung. Aber dafür muss auch wieder die Begeisterung aufkeimen.
Die sehen Sie aktuell nicht?
Auf die gesamte Formel 1 gesehen schon, aber nicht in Deutschland. Nach dem Wegfall von RTL als Free-TV-Sender sind die TV-Quoten dramatisch gesunken. Das muss erstmal besser werden und funktioniert nur mit einem guten, charismatischen, deutschen Piloten – besser noch zwei.
In der Zeit von Michael Schumacher zog die Formel 1 teilweise bis zu 15 Millionen Zuschauer vor die TV-Bildschirme. Ist dieses Niveau noch einmal zu erreichen?
Wir werden nicht mehr zu den Rekordzeiten von Michael Schumacher zurückkehren. Ich kann mir aber vorstellen, dass ein jüngeres Publikum gewonnen werden kann. Wir sehen bei unseren anderen Events auch, dass die Menschen an den Rennstrecken wieder jünger werden. Es wird nicht so schnell gehen, aber ich halte es für realistisch, wieder einen vollen Hockenheimring zu haben.