Fast elf Wochen des Wartens, 75 Tage des Stillstands: Am Freitag kehrt die 2. Bundesliga aus ihrer Sommerpause zurück. Maik Franz, der als Profi einst 40 Einsätze im Unterhaus gesammelt hat, ist direkt dabei.
Als Experte für Sport1 begleitet er am Samstagabend das erste Topspiel der Saison. Vor dem Start in die neue Spielzeit hat er mit watson über die Besonderheiten der Liga, die Aufstiegsfavoriten sowie Pál Dárdai als möglichen Hertha-Präsidenten gesprochen.
Watson: Maik, diese Woche startet die 2. Liga. Ist sie mal wieder die beste 2. Liga aller Zeiten, wie sie schon so oft beworben wurde?
Es ist auf jeden Fall eine überragende Liga. Die Zuschauerzahlen sind auf Bundesliga-Niveau. Wir können uns alle glücklich schätzen, eine solch gigantische 2. Liga zu haben. Darauf hat man als Fan doch Bock. Da hast du teilweise mehr Lust auf die Partien der 2. Liga als auf die der Bundesliga. Mit Superlativen kann man nur so um sich schmeißen.
Was macht die Liga so reizvoll?
Es sind viele Traditionsmannschaften, aber auch ein enormer Druck. Du hast sechs bis acht Teams, die aufsteigen können, wollen oder sogar müssen. Die wirtschaftlichen Möglichkeiten sind aber begrenzt, weshalb sie kreativ sein müssen. Ich finde es daher spannend, zu sehen, wer welche Transfers tätigt. Von Nürnbergs Transfers etwa bin ich beeindruckt.
Du klingst schon sehr begeistert, spielen wir trotzdem mal eben Wunschkonzert: Wie oder durch wen könnte die 2. Liga noch packender sein?
Ein oder zwei Mannschaften aus dem Osten wären noch schön. Dynamo Dresden gehört in meinen Augen als Traditionsklub in die 2. Liga. Es ist auch schade, dass Hansa Rostock abgestiegen ist.
Was sagt die Begeisterung rund um die 2. Liga im Umkehrschluss über die 1. Liga aus?
Jeder, der da spielt, steht da zu Recht. Manche Leute mögen sich über Klubs wie Heidenheim ärgern, aber die haben über Jahre einen guten Job gemacht und sich den Platz in der Bundesliga verdient. Aus Fansicht gäbe es natürlich spannendere Spiele, aber das kann man den gut arbeitenden Teams nicht vorwerfen. Vielmehr müssen sich Vereine wie der HSV, Schalke oder Hertha selbst hinterfragen.
Schalke startet am Samstagabend gegen Braunschweig in die neue Saison, Sport1 überträgt die Partie live, du bist als Co-Kommentator im Einsatz. Ist der S04 dieses Jahr besser aufgestellt als in der Vorsaison?
Mit Ben Manga hat Schalke jemanden, der ihnen helfen wird. Aber da ist in den letzten Jahren viel kaputtgegangen. Es ist schade, dass Schalke in der 2. Liga gelandet ist.
Wird Schalke ein Wörtchen im Aufstiegsrennen mitreden?
Die Mannschaft ist gut, aber das ist keine Übermannschaft, die durch die Liga marschiert. Sie werden zu den fünf oder sechs Teams gehören, die um Platz drei mitspielen werden. Im Schalker Stadion zu spielen, kann euphorisierend sein, es ist aber auch Druck.
Neben Ben Manga: Was stimmt dich bei Schalke noch positiv?
Sie versuchen es mit einer anderen Mischung, mit einer anderen Hierarchie, haben Qualität in ihren Reihen. Es wird aber interessant zu sehen sein, ob sie die letzte Saison einfach abschütteln können.
Da reicht Ben Manga nicht?
Du hast zwar einen neuen Verantwortlichen, der neue Energie reinbringt, aber zaubern können die Jungs auch nicht. Die großen Transfers sind auch nicht möglich, von daher muss Ben wie in Frankfurt in seine Zauberkiste greifen und drei, vier Juwelen herausholen, die keiner auf dem Schirm hat.
Mit Hertha BSC gehört auch einer deiner Ex-Klubs zu den Großklubs der Liga. Wie gut sind die Berliner aufgestellt?
Hertha hat in meinen Augen den qualitativ hochwertigsten Kader, muss aufsteigen. Sie haben auch die Rückendeckung der Fans, alle lieben den Berliner Weg, da gibt es eine Euphorie. Die Mannschaft kennt sich größtenteils, die Neuzugänge haben richtig Qualität. Sie haben eine gute Mischung aus Jung und Alt und sind daher der Aufstiegsfavorit, wenn der Kader so bleibt.
Eine Veränderung gab es auf der Trainerbank: Cristian Fiél hat Pál Dárdai ersetzt.
Es wird spannend, zu sehen sein, wie er die Mannschaft anführt. Er will Fußball spielen lassen, möchte hohes Pressing sehen. In Dresden und Nürnberg hat er viel mitgenommen. Als Trainer muss er nun den nächsten Schritt gehen und aufsteigen.
Welche Stolpersteine siehst du?
Die Frage ist, ob der Verein ruhig bleibt. Ich weiß, dass intern nicht alles rosarot ist. Zuletzt wurde schon kolportiert, dass Pál Dárdai Präsident werden und die aktuellen Verantwortlichen rausschmeißen möchte. Damit muss der Verein, damit muss das Team umgehen – ebenso mit dem Druck, hochgehen zu müssen.
Dárdai als Präsident – würde das denn passen?
Ich habe schon Präsidenten kennengelernt, die weniger geeignet waren. Wenn man in die Historie schaut, gab es einige Präsidenten, die auf den ersten Blick nicht alle Eigenschaften mitgebracht, dann aber trotzdem einen guten Job gemacht haben. Ich würde jedem erst mal eine Chance geben.
Wie stark siehst du die beiden Bundesliga-Absteiger Darmstadt und Köln?
Darmstadt sehe ich nicht im Aufstiegsrennen. Köln hat aktuell ein wenig Verletzungspech. Wenn die Jungs zeitnah zurückkommen, haben sie aber die individuelle Qualität. Mit Köln muss man rechnen, zumal der Klub im Winter nachlegen kann.
Wird Köln denn nachlegen müssen?
Mit dem KSC war ich mal vom ersten bis zum letzten Spieltag nie schlechter als Platz zwei. Köln hat genug Qualität im Kader, um so etwas zu ermöglichen. Das Selbstbewusstsein musst du nach der Vorsaison aber erst mal wieder aufbauen, dazu ist der Druck groß.
Anders als ihr damals hat der Effzeh aber weder Giovanni Federico noch Edmond Kapllani vorne drin.
Und vor allem haben sie keinen Maik Franz (lacht). Aber nein, Spaß beiseite.
Der Effzeh empfängt zum Auftakt direkt Ex-Trainer Steffen Baumgart und dessen HSV. Hätte es dieses Jahr ein besseres Eröffnungsspiel geben können?
Absolut nicht, das wird mega: Emotionen, Leidenschaft, Spannung, Flutlicht, da ist alles dabei. Jeder, der Fußball nur ansatzweise mag, wird vor dem Fernseher sitzen und es lieben.
Klappt es für den HSV im siebten Anlauf endlich mit dem Wiederaufstieg?
Irgendwann muss es mal klappen. Ich glaube aber nicht, dass sie auf einem der ersten beiden Plätze landen werden, dafür um den dritten Rang mitspielen. Es wird ein harter Weg.
Dabei haben sie mit Davie Selke und Robert Glatzel die nominell beeindruckendste Doppelspitze der Liga.
Du musst sie aber auch einsetzen können. Beim HSV fehlt mir der Unterschiedsspieler im Mittelfeld. Der Mann, der die Fäden zieht und die Stürmer in Position bringt. Reis, Meffert, Elfadli – das sind alles gute Spieler, aber es sind keine Offensiv-Raketen.
Butter bei die Fische: Wer geht am Ende hoch?
Hertha und Köln.
Und wer muss runter?
Ich schätze sie total und habe größten Respekt vor ihrer Arbeit, aber ich glaube nicht, dass sich Münster und Ulm halten können.