Thomas Müller und der FC Bayern wollen in dieser Saison wieder das Champions-League-Finale in München erreichen. Bild: dpa / Gregor Fischer
Interview
Neuer Modus, mehr Teams, doch das Ziel für den FC Bayern bleibt gleich: das Champions League Finale erreichen. Auch wenn es im Klub bisher noch niemand so richtig ausgesprochen hat, gilt das auch als klares Ziel für Trainer Vincent Kompany und sein Team. Denn am 31. Mai 2025 findet wieder das "Finale Dahoam" in der Münchner Arena statt.
"Mit dieser Aussage war er vielleicht ein bisschen zu schnell."
Sebastian Kneissl über Bayern-Sportvorstand Max Eberl
Im Interview mit watson blickt Dazn-Experte Sebastian Kneissl auf den Auftakt der Bayern am Dienstagabend gegen Dinamo Zagreb, die Entwicklung unter Vincent Kompany und wie sich der Fußball durch den Modus verändert.
Watson: Sebastian, dass der FC Bayern am 31. Mai 2025 wieder das Champions-League-Finale im eigenen Stadion bestreitet, ist …
Sebastian Kneissl: … ein realistisches Szenario. Aber das lässt sich nicht pauschal in einem Halbsatzerklären und Achtung, jetzt kommt eine Floskel: Du brauchst einen gewissen Flow in diesem Wettbewerb und musst auch mal das gewisse Spielglück auf deiner Seite haben.
Zum Auftakt geht es für die Münchner zu Hause gegen Dinamo Zagreb. Ist das schon eine erste Portion Glück?
Zagreb ist mit vier Siegen, einem Unentschieden und einer Niederlage ordentlich in die Liga gestartet und hat nur vier Gegentore bekommen. Aber diese Treffer fielen immer nach einem gleichen Muster, das dem FC Bayern perfekt in die Karten spielen wird.
Wie sah das aus?
Es waren immer Läufe in die Tiefe von einem zentral-offensiven Mittelfeldspieler und da fallen mir drei, vier Spieler bei den Bayern ein, die genau diese Wege gehen. Daher ist es ein dankbarer Gegner.
Sebastian Kneissl begleitet die Champions-League-Spiele als Dazn-Experte. Bild: imago images / BEAUTIFUL SPORTS
Glaubst du, der Verein geht in dem Wissen um das Finale im eigenen Stadion anders mit der Champions-League-Saison um?
Du hast in dieser Saison einen Kader, der definitiv die Qualität hat, ins Finale im eigenen Stadion einzuziehen. Was gibt es denn Schöneres als Spieler? Das ist wie bei einem Cocktail, wo ein kleiner Tropfen das Getränk noch süßer macht und er noch besser schmeckt.
Und wenn man nicht mit einem Kater aufwachen will?
Wichtig ist, dass du die Zwischenziele mit der nötigen Konsequenz angehst. Thomas Müller hat in einem Interview gesagt, dass die Erinnerung an das "Finale dahoam" zur Motivation als Plakat in der Kabine hängen kann. Gleichzeitig ist wichtig, was auf dem Boden der Tatsachen passiert. Und das ist das nächste Spiel.
Das Champions-League-Finale 2012 in München verloren die Bayern gegen Chelsea im Elfmeterschießen.Bild: imago sportfotodienst / Stanley Gontha
Hilft es, dass mit Manuel Neuer und Thomas Müller schon zwei Spieler beim ersten "Finale dahoam" 2012 dabei waren?
Es hilft, wenn du weißt, wie sich das anfühlt. Dieses Gefühl, diese Vorfreude und dieses Elektrisierende kannst du an die Mannschaft weitergeben.
Watson ist jetzt auf Whatsapp
Jetzt auf Whatsapp und Instagram: dein watson-Update! Wir versorgen dich
hier auf Whatsapp mit den watson-Highlights des Tages. Nur einmal pro Tag – kein Spam, kein Blabla, nur sieben Links. Versprochen! Du möchtest lieber auf Instagram informiert werden?
Hier findest du unseren Broadcast-Channel.
Dein Dazn-Kollege Moritz Volz hat den aktuellen Kader der Bayern mit der Mannschaft verglichen, die 2020 zuletzt die Champions League gewonnen hatte. Stimmst du ihm zu?
Inhaltlich sind noch nicht alle bei 100 Prozent. Mir fehlt an der ein oder anderen Stelle noch das Gefühl für die neue Philosophie von Vincent Kompany und die entsprechende Umsetzung auf dem Platz. Von der Qualität, die alle Spieler abrufen können, stimme ich ihm aber zu.
"Seine Idee vom Fußball passt zum Klub und daher wirkt alles gelöster."
Sebastian Kneissl über den Stimmungsumschwung beim FC Bayern
Passt die neue Philosophie von Kompany besser zum Team als die von Thomas Tuchel?
Ja. Ich glaube, dass es von der reinen Spielphilosophie und auf die einzelnen Spieler runtergebrochen besser passt.
Warum?
Sie wollen gern Dominanz im Ballbesitz haben und schaffen es aktuell, mit ihrer Positionierung von zwei oder drei Spielern im Aufbau die Passwege kurzzuhalten. Zudem hast du Spieler, die entgegenkommen und in die Tiefe laufen, dadurch geht es nun deutlich besser und zielgerichteter nach vorn. Dieser Kader ist einfach darauf ausgelegt, möglichst viele Tore zu erzielen.
Was hat das für Auswirkungen auf Harry Kane?
Er wird davon profitieren. Kane ist ein Stürmer, der kurz kommt, sich am Spiel beteiligt und die Bälle verteilt. Die Jungs auf den Außen sollen die Linie runterballern und den Ball für ihn zurücklegen. Er kommt dann eher mit diesem zweiten Laufweg im Strafraum zum Abschluss.
Lothar Matthäus hat sogar schon einen "Klimawandel" im Klub ausgemacht. Dennoch ist der FC Bayern nicht dafür bekannt, ein ruhiges Arbeitsumfeld zu bieten.
Ich war von Beginn an überzeugt, dass Kompany und der FC Bayern zusammenpassen. Wenngleich es auch mich überrascht hat, dass sein Name bereits jetzt gehandelt wurde. Aber er versteht die Spieler, hat noch mit und gegen einige gespielt, seine Idee vom Fußball passt zum Klub und daher wirkt alles gelöster. Ich war viel mehr über einen Satz von Max Eberl überrascht.
Welchen?
Dass er nach einem Testspiel gesagt hat, dass jetzt auch Vincent Kompany diesen Erfolgsdruck des Vereins verspürt. Mit dieser Aussage war er vielleicht ein bisschen zu schnell. Denn eine Sache ist klar: Kompany muss Zeit bekommen, um sich reinzuarbeiten. Und das nicht nur in die Trainerposition, sondern er muss auch den ganzen Verein managen.
Kann er das?
Das Rüstzeug dafür hat er. Aber er braucht in der einen oder anderen Situation auch den Rückhalt. Aktuell habe ich das Gefühl, dass sie eine Einheit sind, jedoch werden auch Fragen von außen kommen. Passt das? An welchem Punkt der Entwicklung ist man? Und das wird laut, keine Frage. Darauf müssen sie sich einstellen. Und dann bin ich vorne mit dabei, Fragen zu stellen, weil ich einen gewissen Anspruch an diese Mannschaft habe.
Am zweiten Spieltag treffen die Münchner auswärts auf Aston Villa. Wie gefährlich ist diese Partie?
Ich glaube, da freut sich jeder Bayern-Spieler drauf, denn im Villa-Park herrscht eine außergewöhnliche Stimmung. Auch dort müssen wir die Bayern als Favorit einstufen, aber das ist definitiv das mögliche Stolperstein-Spiel.
Durch den neuen Modus lässt sich das Ergebnis im Rückspiel nicht wieder ausgleichen, dafür gibt es zwei Spiele mehr. Trainer und Spieler aus allen Teams haben diese zusätzliche Belastung bereits kritisiert.
Warum wird diese Mehrbelastung als Kritik gesehen? Es kann doch auch etwas Tolles sein, erst später in diesem Wettbewerb zu starten und einen Flow aufzubauen. Es kann gut sein, dass du am Anfang noch nicht richtig im Saft stehst und gegen ein oder zwei richtig gute Gegner verlierst. Dann ist deine Saison aber nicht vorbei, sondern du hast bis Januar Zeit, dein Momentum aufzubauen und trotzdem in die K.o.-Phase einzuziehen. Letztlich profitieren alle davon – zu Hause vor dem Bildschirm und auf dem Platz.
Vincent Kompany muss nicht nur den FC Bayern trainieren, sondern den kompletten Klub managen.Bild: dpa / Sven Hoppe
Welchen Einfluss hat der Modus auf den gesamten Wettbewerb?
Die Top-Teams werden natürlich wieder in den Top 8 vertreten sein. Aber spannender ist, was sich dahinter entwickelt. Die Teams brauchen eine vollkommen neue Herangehensweise.
Wie meinst du das?
Du musst das Thema Belastungssteuerung auf dem Schirm haben. Was ändert sich auch taktisch? Ich gehe zum Beispiel davon aus, dass die Trainer mehr und deutlich früher wechseln werden. Es bietet so viele verschiedene Bereiche, die für die Mannschaften, Spieler, Trainer und uns am Bildschirm neu werden. Das finde ich deutlich moderner und passender zum Standard des Sports.
Robert Andrich hat im Rahmen der Nationalmannschaft kritisiert, dass man bald alle zwei Tage spielen müsse.
Die Nachfrage ist da, also kann das durchaus sein. Aber dann müssen wir uns darüber unterhalten, die Kader größer zu machen und die Wechselkontingente zu erhöhen. Wenn wir in die Richtung mehr Spiele gehen, muss auch der Rest mitziehen. Wir können die Jungs da nicht durchschleifen.
Neben dem Körperlichen kommt die Belastung für den Kopf hinzu.
Das ist tatsächlich eine große Herausforderung. Der Körper und auch der Kopf brauchen 48 Stunden, um das Adrenalin aus dem Spiel zu verarbeiten und in die Entspannung zu kommen. Da gilt es, Maßnahmen zu ergreifen, aber das ist ein großes Thema. In dieser Hinsicht wird die Sportpsychologie nochmal einen anderen Stellenwert bekommen. Trotzdem sollte man es mit der Anzahl an Spielen nicht übertreiben.