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Israel-Krieg: Dudu Dahan erklärt, wie sich Fußball-Alltag in Israel verändert

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Im Sommer noch erlebte der israelische Fußball ein Hoch, die U21-Nationalmannschaft erreichte sensationell das EM-Halbfinale.Bild: IMAGO / Beautiful Sports
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Spielerberater Dudu Dahan: So hat der Krieg den Fußball-Alltag in Israel verändert

29.10.2023, 15:07
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Seit dem 7. Oktober ist in Israel alles anders. Beim Angriff der Hamas haben zahlreiche Israelis ihr Leben gelassen, viele wurden verschleppt. Diejenigen, die im Land zurückgeblieben sind, müssen in ihrem Alltag irgendwie damit klarkommen, dass ihre Welt plötzlich auf dem Kopf steht.

Das gilt auch für Dudu Dahan. Der 51-Jährige war früher Profifußballer, anschließend Trainer. Seit mittlerweile über 15 Jahren ist er Spielerberater, hat seine eigene Agentur. "Scoutpush" betreut 66 Spieler, 50 von diesen stehen in Israel unter Vertrag. Weil der Spielbetrieb momentan ruht, hat sich auch Dahans Alltag drastisch verändert. Watson hat mit ihm darüber gesprochen.

Als Spielerberater reist Dudu Dahan regelmäßig durch Europa.
Als Spielerberater reist Dudu Dahan regelmäßig durch Europa.Quelle: scoutpush

Watson: Herr Dahan, wie sieht Ihr Alltag in diesen schwierigen Zeiten aus?

Dudu Dahan: Alle helfen hier, wo sie nur können. Ich zum Beispiel unterstütze die Menschen in Krankenhäusern. Sowas habe ich vorher noch nie gemacht – weil wir noch nie in einer solchen Lage waren. Ich will meinem Land aber solidarisch zur Seite stehen. Zudem ist mein Sohn bei der Armee, deswegen muss ich hier sein.

Wie viel Zeit bleibt da noch, um Ihrer Tätigkeit als Spielerberater nachzukommen?

Zu dieser Jahreszeit ist in meinem Job weniger los, weil das Transferfenster geschlossen ist. Aber ich bin mit anderen Dingen beschäftigt. Ein paar meiner Spieler kicken außerhalb Israels. Ich erkläre ihnen, wie sie sich zu verhalten haben.

Wie sieht das aus?

Nicht in Panik verfallen, nicht zu viel posten, vorsichtig sein. Du weißt nie, wer auf dich wartet, wenn du nach Hause kommst. Ich spreche mit ihren Familien und Frauen. Ich musste jeden beruhigen.

Und wie sieht es bei Ihren Spielern aus, die in Israel unter Vertrag stehen?

Ich muss mit meinen arabisch-israelischen Spielern sprechen, ihnen erklären, wie sie sich zu verhalten haben. Sie sind in einer beschissenen Situation, weil alle gegen sie sind.

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Wieso?

Die Juden in Israel sind gegen sie, weil sie die Angriffe nicht verurteilt haben. Die Araber sind gegen sie, weil sie Israel nicht verurteilen. Sie stehen in der Mitte. Ich beruhige sie und gehe sicher, dass sie nichts Dummes machen – wie etwas zu posten. Wenn sie das machen, ist es zu spät, um sie zu retten.

"Ich beruhige sie und gehe sicher, dass sie nichts Dummes machen – wie etwas zu posten. Wenn sie das machen, ist es zu spät, um sie zu retten."

Das klingt nach einer Menge Arbeit.

Ja, tatsächlich habe ich gut zu tun. Viele Spieler rufen mich an und bitten um Hilfe. Ich betreue auch ein paar Ausländer, die Israel verlassen haben. Sie rufen mich aus dem Ausland an und haben viele Fragen: Was passiert hier? Wann können sie zurückkommen? Können sie überhaupt zurückkommen?

Wurde jemand Ihrer Spieler während des Angriffs der Hamas verletzt?

Es ist sehr schwer, eine Familie zu finden, die keine Verbindung zu verletzten oder entführten Personen hat. Von meinen Spielern ist aber zum Glück niemand verletzt.

Und wie sieht es in ihrem persönlichen Umfeld aus?

Es gibt einen ehemaligen Profi, gegen den ich früher gespielt habe: Lior Asulin. Er war mein Freund und wurde ermordet. Ein anderer Spieler, der früher Teil meiner Firma war, hat sein Bein verloren. Seine Freundin ebenso. Es ist unmöglich, niemanden zu kennen, der betroffen ist.

Sind Spieler mit der Bitte auf Sie zugekommen, ins Ausland transferiert zu werden?

Bei den nicht-israelischen Spielern gibt es einen, der mich um einen Transfer gebeten hat. Ich habe seiner Familie erklärt, dass es besser ist, abzuwarten. Für den Moment hat er auf mich gehört, aber du weißt nie, was morgen passiert.

Für die israelischen Spieler ist ein schneller Abschied ins Ausland hingegen kein Thema?

Niemand hat darum gebeten, die Solidarität ist zu groß. Bei all den schlechten Sachen, die dieser Krieg mit sich gebracht hat, ist dies das einzig Gute: Wir sind eins geworden. Kein links, kein rechts, wir sind einfach alle zusammen.

Gibt es denn israelische Spieler, die zurück in die Heimat wechseln wollen, um langfristig wieder näher bei ihren Familien und Freunden zu sein?

Ein Spieler hat darum gebeten, nach Israel zurückzukehren. Ich habe ihn überzeugt, das nicht zu machen.

Warum?

Er würde alles verlieren: seinen Vertrag, seinen Namen, sein Gehalt. Er kann hier nicht spielen oder trainieren. Er hatte Angst, in Europa zu bleiben, weil es so viele Demonstrationen gegen Israel gibt. Sein Klub hat ihm Security organisiert. Sie haben seinen Wohnsitz geändert und ihm einen Fahrer gestellt. Er ist jetzt entspannter.

"Er hatte Angst, in Europa zu bleiben, weil es so viele Demonstrationen gegen Israel gibt. Sein Klub hat ihm Security organisiert."

Sie haben die enorme Solidarität unter den Israelis angesprochen. Gibt es denn auch Spieler, die freiwillig zur Armee gegangen sind?

Menashe Zalka, der Kapitän von Hapoel Hadera, hat sich der Armee angeschlossen. Er ist ein normaler Spieler, aber ist über die Jahre mit dem Verein gewachsen und hat jetzt einen großen Namen. Wenn er das nächste Mal den Platz betritt, werden ihm alle salutieren. Alle hoffen, dass er für die Nationalmannschaft nominiert wird. Das wäre noch spezieller, weil er in Äthiopien geboren wurde.

Und andere Spieler?

Zwischen 18 und 21 muss man für die Armee arbeiten, daher sind dort auch viele Spieler. Aber in ganz verschiedenen Rollen.

Als Spielerberater arbeiten Sie in einem sehr internationalen Umfeld. Haben Sie beim Kontakt mit nicht-israelischen Personen Anfeindungen irgendeiner Art erlebt?

Nein, aber mich hat sehr viel Unterstützung erreicht. Über 200 Whatsapp-Nachrichten kamen bei mir an. Klubs, Spieler, Scouts, Berater – sogar einige Leute, mit denen ich seit Jahren keinen Kontakt hatte. Sie haben ihre Unterstützung, einen Zufluchtsort oder sogar ein Flugzeug angeboten. Der Support ist überwältigend. Für gewöhnlich sind die Menschen 50:50, bei diesem Krieg fühle ich aber die Unterstützung aller.

"Der Support ist überwältigend. Für gewöhnlich sind die Menschen 50:50, bei diesem Krieg fühle ich aber die Unterstützung aller."

Dabei gibt es auch viele Demonstrationen gegen Israel, auch hier in Deutschland.

Ich reise oft nach Deutschland und weiß, dass dort viele Muslime leben. Es wäre einfach für Deutschland, uns nicht zu unterstützen. Aber Deutschland steht seit über 60 Jahren hinter uns, der Kanzler unterstützt uns. Dafür sind wir sehr dankbar.

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