Beim FC Bayern scheint der Lockdown trotz der Sonderrolle des Fußballs wohl langsam seine Spuren zu hinterlassen. Oder die vergangenen Titelfeiern haben die Verantwortlichen eine ganz andere Realität erleben lassen. Anders ist es nicht zu erklären, dass Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge am Samstagabend im "Aktuellen Sportstudio" ganz selbstverständlich erklärt: "Wir sind nicht arrogant."
Nun gut. Wenn er das sagt, muss es wohl so sein. Aber ein Rückblick auf die vergangenen Äußerungen lässt eigentlich nur einen ganz anderen Schluss zu.
Nach über einem Jahr der Pandemie hat Rummenigge immer noch nicht wirklich verstanden, wie er seinen Mund-Nasen-Schutz im Stadion richtig zu tragen hat. Wochenende für Wochenende sitzt der 65-Jährige zwar mit Maske auf der Tribüne, doch er schafft es nicht, dafür zu sorgen, dass sie seine Nase bedeckt. Beim Auswärtsspiel auf Schalke trug Rummenigge zwischenzeitlich eine Maske mit Sichtfenster für den Mund, die für Gehörlose entwickelt wurde, damit diese Mund und Mimik anderer Menschen erkennen können. Rummenigge begründete seine Wahl damit, dass er sie trug, weil seine Brille sonst immer beschlagen würde. Es wirkte dennoch eher so, als würde er die Masken-Diskussion ins Lächerliche ziehen wollen.
Geholfen hat es zudem eh nicht. Die Brille beschlug und er kehrte zur FFP2-Maske zurück, die er nun wieder regelmäßig unter der Nase trägt.
Als die Bayern Anfang Februar noch mitten in der Nacht nach dem Auswärtsspiel bei Hertha BSC vom Berlin-Brandenburger Flughafen BER zur Klub-WM nach Katar aufbrechen wollten, wurde ihnen die Starterlaubnis ein paar Minuten zu spät erteilt. Die Spieler mussten einige Stunden im Flugzeug bleiben, es war ein Zwischenstopp in München notwendig und die Anreise verzögerte sich um sieben Stunden. Klar ist das ärgerlich, doch die Akteure werden sicherlich nicht in der Economy Class gesessen und um Beinfreiheit gekämpft haben.
Ex-Präsident Uli Hoeneß nannte dies eine "Unverschämtheit der Verantwortlichen" und sah einen "Skandal ohne Ende". Karl-Heinz Rummenigge äußerte sich ähnlich: "Wir fühlen uns von den zuständigen Stellen bei der brandenburgischen Politik total verarscht. Die Verantwortlichen wissen gar nicht, was sie unserer Mannschaft damit angetan haben." Demut und Freude darüber, seinem Job in Zeiten der weltweiten Pandemie trotzdem ungehindert nachgehen zu dürfen? Fehlanzeige!
Für ihre enge Zusammenarbeit mit dem Wüstenemirat Katar wird der FC Bayern seit Jahren auch von den eigenen Anhängern kritisiert. Die Menschenrechtsverletzungen und unwürdigen Arbeitsbedingungen im Land sind seit Jahren bekannt, doch im "Aktuellen Sportstudio" begründete Rummenigge die Bedingungen damit, dass Katar ein junger Staat sei und dort "eine andere Kultur, eine andere Religion" herrsche. Für ihn sei es eine erhebliche Verbesserung, dass es dort nun einen Mindestlohn gibt. "Der Fußball kann die Welt nicht in Gänze verbessern", versuchte er auszuweichen. Verantwortung übernehmen sieht anders aus.
Nun gab es unter den Bayern-Verantwortlichen immerhin noch eine Person, die für den Verein reichlich Sympathiepunkte sammelte: Trainer Hansi Flick. Stets ruhig und zurückhaltend betrachtete er die Lage nüchtern und arrangierte sich mit den Gegebenheiten. Zumindest war das bis zu seiner Pressekonferenz am Valentinstag so. Dass ausgerechnet der 54-jährige Erfolgscoach den Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach als "sogenannten Experten" bezeichnete, war dann schon ziemlich fragwürdig. Immerhin haben sich beide inzwischen ausgesprochen, eine öffentliche Entschuldigung für seine Aussagen lieferte Flick aber nicht. Auch, dass Flick im Anschluss verwundert war, was seine Aussagen ausgelöst haben, zeigt nur in aller Deutlichkeit, dass es beim FC Bayern kein Problembewusstsein für die aktuelle Situation gibt.
Spannend ist zudem, dass sich die Spieler in dieser Sache gar nicht äußern. Viel mehr gehen Leistungsträger wie Joshua Kimmich und Leon Goretzka mit ihrer Stiftung #WekickCorona voran, sammeln Spenden in Millionenhöhe und versuchen, möglichst viele Menschen in dieser schwierigen Zeit zu unterstützen. Klar, auch die Bayern-Bosse spenden und versuchen, in der Gesellschaft zu helfen, doch mit ihren Aussagen schaffen sie es, jegliche Anerkennung dafür abzulehnen.
Eine gewisse Bodenständigkeit und Zurückhaltung würde auch den Bayern-Verantwortlichen gut zu Gesicht stehen. Dann würden auch neutrale Fans dem FC Bayern nicht fehlende Demut und Arroganz nachsagen.