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Wenn Neuseeland am frühen Donnerstagmorgen deutscher Zeit die Frauen-Weltmeisterschaft gegen Norwegen eröffnet, werden 48.276 Zuschauer im Eden Park in Auckland für die passende Atmosphäre sorgen.
Anschließend greift auch Co-Gastgeber Australien mit seiner Partie gegen Irland ins Turnier ein. Das Spiel musste aufgrund der hohen Ticketnachfrage sogar in die Finalarena "Stadium Australia" verlegt werden. Wie die Fifa mitteilte, seien alle 81.500 Tickets verkauft worden. Eine Woche vor Start verkündete der Weltfußballverband zudem, dass insgesamt bereits über 1,25 Millionen Karten verkauft worden seien.
Und trotz des Hypes: um dem Frauenfußball weiteren Aufwind zu verleihen, damit auch die nationalen Ligen davon profitieren, ist die Endrunde in Australien und Neuseeland wohl das Worst-Case-Szenario für den Frauenfußball.
Watson nennt vier Gründe, warum das so ist.
Angreiferin Svenja Huth hoffte bereits vor einigen Wochen auf kulante Chefs, die ihren Mitarbeiter:innen eine Möglichkeit einräumen, die Spiele der DFB-Elf zu schauen. Denn wenn das deutsche Team am Montagmorgen um 10.30 Uhr ins Turnier startet, ist ein Großteil der Menschen arbeiten.
Immerhin werden während des Turnierverlaufs in jedem Bundesland die Sommerferien gestartet sein, wodurch vor allem junge, begeisterungsfähige Fans die Spiele anschauen können. Ferienzeit bedeutet aber gleichzeitig auch, dass viele von dieser gerade wichtigen Zielgruppe mit ihren Familien im Urlaub sein werden – und so vielleicht wenig von der WM mitbekommen.
Doch nicht nur die Anstoßzeiten stellen potenzielle Zuschauer:innen vor eine große Hürde. Hinzu kommt der späte Zeitpunkt des Turniers mit Hinblick auf den Spielkalender des Männerfußballs.
In Deutschland beginnt die 2. Bundesliga an dem Wochenende, an dem die DFB-Elf ihr zweites Gruppenspiel gegen Kolumbien bestreitet. Dann werden sich zahlreiche Fußball-Fans wohl wieder ihren Heimatklubs zuwenden, statt das Turnier am anderen Ende der Welt zu verfolgen.
Noch ungünstiger wird es, wenn am 11. und 12. August die Viertelfinal-Spiele stattfinden und zeitgleich die erste Runde des DFB-Pokals der Männer.
Und auch das Finalspiel am 20. August überschneidet sich mit Anstoß um 12 Uhr mit den Spielen der Männer in der 2. Bundesliga um 13.30 Uhr. Und das ist kein exklusives Problem in Deutschland. Die Premier League und die spanische La Liga starten ebenfalls ab 12. August in die Saison.
Hier siehst du im Video: DFB-Star Laura Freigang spricht Klartext über ihre Teamkolleginnen.
Und auch für die Spielerinnen ist der internationale Rahmenterminkalender alles andere als optimal strukturiert. So hatten die Spielerinnen des VfL Wolfsburg zwischen ihrem letzten Pflichtspiel und dem Vorbereitungsbeginn mit dem DFB-Team ganze 17 Tage frei.
Sollte das deutsche Team tatsächlich ins WM-Finale am 20. August einziehen, bleiben den Spielerinnen bis zum Bundesliga-Auftakt am 15. September nicht mal vier Wochen zur Regeneration und Vorbereitung auf eine lange Saison.
Der Terminkalender der Frauen steht europaweit schon länger in der Kritik. Die Spiele werden wie im Männerfußball immer mehr, die Pausen kürzer. Durch die Corona-Verschiebungen müssen die besten Spielerinnen im Sommer mehrfach ohne Pause auskommen: EM 2022, WM 2023, Olympia 2024 und EM 2025.
Allein zu Beginn des Jahres fielen fünf der 20 besten Spielerinnen der Ballon-d'Or-Verleihung mit einem Kreuzbandriss aus. Seit 2022 kam es zu über 100 Kreuzbandverletzungen in den europäischen Top-Ligen.
"Ich denke, wenn es um Messi, Ronaldo oder Griezmann ginge, wäre wahrscheinlich viel mehr getan worden. Wir sind robuste Spielerinnen, die nicht allgemein stark von Verletzungen betroffen waren", sagtw die Torschützenkönigin der vergangenen EM, Beth Mead. Sie wird England genauso fehlen wie Kapitänin Leah Williamson.
Klar, der Frauenfußball muss weltweit wachsen und natürlich war bei der Vergabe des Turniers vor drei Jahren nicht klar, welche Euphorie das Turnier vor allem in Europa und Deutschland auslösen wird.
Doch es hätte allen klar sein müssen, dass Fußball zumindest in Neuseeland maximal eine Randsportart ist. Die Fifa verschenkte sogar 20.000 Karten für die Spiele in den vier Austragungsorten Auckland, Hamilton, Wellington und Dunedin. Bilder von Spielen vor halbleeren Rängen, die die WM wie ein Regionalliga-Spiel aussehen lässt, sind da vorprogrammiert.
Nationalspielerin Felicitas Rauch erklärte bereits vor einigen Wochen, dass sie sich in einem Zwiespalt befinden würde und das Thema Nachhaltigkeit auch innerhalb des DFB-Teams eine große Rolle spielt. "Dann spinnt man mal den Gedanken, ob es möglich und realitätsnah ist, so ein Turnier an einem Ort auszurichten", sagte sie im watson-Interview.
Australien ist ein verdammt großes Land. Deutschlands Gruppengegner Kolumbien hat "das große Los" gezogen und absolviert zwar zwei Spiele in Sydney, die letzte Partie gegen Marokko aber an der Westküste in Perth. Flugzeit: fünf Stunden.
In der Gruppenphase bleiben die Teams zwar noch in einem Land, aber ab der K.o.-Phase müssen sie zwischen den Ländern hin- und herfliegen. Und auch Co-Gastgeber Neuseeland ist nicht gleich um die Ecke. Ein Flug von Sydney nach Auckland dauert auch drei Stunden.
In Zeiten der Klimakrise und von täglich neuen Hitzerekorde in Europa ist das Turnier am andere Ende der Welt kein gutes Zeichen in Sachen Nachhaltigkeit. Doch dazu schweigt die Fifa. Stattdessen verweist sie darauf, dass in Stadien gespielt wird, die bereits existieren, was "die Kosten und die Auswirkungen auf die Umwelt minimieren" soll. Nach der WM in Katar, in der alles neu gebaut wurde, ist das allerdings nur ein kleiner Schritt nach vorn.
