
Die Anhänger von Borussia Dortmund machen deutlich, was sie von der Reform der Champions League halten. Bild: www.imago-images.de / imago images
Nah dran
In seiner wöchentlichen Kolumne schreibt der Fanforscher Harald Lange exklusiv auf watson über die Dinge, die Fußball-Deutschland aktuell bewegen.
13.05.2022, 19:2728.01.2023, 09:38
Nun ist es raus: Die Reform der Champions League bringt dem interessierten Fernsehzuschauer 64 Spiele mehr als bislang! Die Uefa-Bosse wittern in der Ausweitung das große Geld, denn mehr TV-Termine sollen entsprechend mehr Geld in die Kassen spülen. Wie das verteilt wird, ist noch unklar, denn dieser Tagesordnungspunkt wurde bei der Uefa-Sitzung am Dienstag auf einen späteren Sitzungstermin verschoben.
Die Teilnehmerzahl wurde auf 36 Klubs angehoben. Der neue Wettbewerb wird deshalb ab der Saison 2024/25 in einem angepassten Modus als Ligasystem mit 8 Vorrundenspielen pro Mannschaft gespielt. Danach geht es in die erste K.O.-Runde, für die sich die ersten acht Teams qualifizieren. Die Teams auf den Rängen neun bis 24 spielen in den Playoffs, um sich über diese Hintertür dann doch noch in das Achtelfinale einzuziehen.
Diese Eckdaten wurden am vergangenen Mittwoch in Wien verkündet. Dort tagte die mächtige Exekutive der Uefa und verabschiedete die Kernbestandteile ihrer Champions-League -Reform. Vorausgegangen war ein Jahr heftiger Proteste und Debatten, die sogar die Politik des britischen Parlaments und der EU-Kommission erreichten.
Das nun beschlossene Reformpaket folgt zwar weiterhin der vorherrschenden Logik des UEFA-Fußballs (Geldverdienen), fällt aber deutlich moderater aus, als die kommerzgetriebenen Reformideen, die vor einem Jahr angekündigt wurden.
Drei Dinge, die sich daraus ableiten lassen.

Fanforscher Harald Langenull / Uni Würzburg
Über den Autor
Harald Lange ist seit 2009 Professor für Sportwissenschaft an der Universität Würzburg. Er leitet den Projektzusammenhang "Fan- und Fußballforschung" und gilt als einer der bekanntesten Sportforscher in Deutschland. Der 53-Jährige schreibt und spricht täglich über Fußball, auch in seinem Seminar "Welchen Fußball wollen wir?"
Kritik der Fans an Uefa-Reformen erzielt Wirkung
Die Entwicklung des zurückliegenden Jahres muss aus fußballerischer Sicht als Erfolg gewertet werden. Dabei waren es vor allem die Fans, die vehement für die Werte des Sports eingetreten sind. So wortgewaltig und überzeugend, dass die Uefa Exekutive an mehreren Stellen sportpolitische Rückwärtsrollen auf sich nehmen musste.
Auch wenn mich das Ergebnis immer noch nicht überzeugt, so spendet doch der Erfolg des Fanprotests Zuversicht. Für mich wird anhand dieses Beispiels klar, dass sich Debatten und Protestaktionen lohnen. Die Basis hat mehr Macht als wir bislang glaubten!
Ich finde diese Einsicht auch insofern bemerkenswert, da Fanvertreter bislang keine politische Stimme in den Spitzengremien des europäischen Fußballs haben. Der von außen aufzubauende Druck kann also enorm viel bewirken. Es lohnt sich, diese Protestbewegung weiterhin aufmerksam zu begleiten.

Die Fans des FC Bayern protestierten beim Heimspiel gegen Stuttgart gegen die Champions-League-Reform.Bild: www.imago-images.de / imago images
Schere zwischen kleinen und großen Klubs bleibt
Allerdings ändert der bisherige Fanprotest an der zentralen Sinndimension des Kommerzfußballs gar nichts: Mit der Champions League lässt sich vortrefflich Geld verdienen. Die führenden Klubs der großen Ligen Europas können mithilfe der Einnahmen aus dem internationalen Geschäft ihre Vormachtstellung in den nationalen Wettbewerben sichern und ausbauen.
"Leidtragende sind die Teams, die keine Chance auf die Meistertitel und Champions-League-Qualifikation haben."
Leidtragende sind die Teams, die keine Chance auf die Meistertitel und Champions-League-Qualifikation haben. Daran gebunden, leidet auch der sportliche Wettbewerb. Schließlich wird die Kluft zwischen dem elitären Kreis der Topverdiener und dem fußballerischen Rest immer größer und somit wird das Rennen um die Meisterschaft immer langweiliger.
Super-League-Pläne lassen Reform gut erscheinen
Der Logik dieses Geldes folgend hatten die Bosse der Uefa bereits im letzten Jahr die Verkündung ihrer Champions-League-Reform geplant. Das Projekt geriet ins Stocken, denn es wurde vor allem von Fans, aber auch in der Politik heftig kritisiert. Neben der Aufblähung des Spielekalenders war vor allem die Einführung sogenannter Wildcards geplant. Sie sollten es den Top-Klubs Europas ermöglichen, auch im Falle der fehlenden sportlichen Qualifikation trotzdem teilzunehmen.
Aber die ironisch verklärte Spitze dieses Reformjahres lieferten dann im April 2021 die Bosse ausgewählter Top-Klubs um Real Madrid, dem FC Barcelona und Juventus Turin: Sie wollten gemeinsam mit neun anderen Teams aus Spanien, Italien und England auf eigene Rechnung spielen und die sogenannte Super League einführen. Losgelöst von der Aufsicht der UEFA und jenseits all dessen, was wir bislang unter sportlicher Qualifikation im Verbund mit den nationalen Ligen verstehen.

Englische Fans protestierten im April 2021 gegen die Super-League-Pläne. Bild: AP / Matt Dunham
Die Kritik auf diesen Schnellschuss aus der Kommerzecke kam vor allem in England zum Ausdruck. Ehemalige und aktive Spieler, Trainer und Fans liefen Sturm gegen dieses egoistische Unterhaltungsprojekt und selbst die britische Regierung befasste sich mit diesem Thema.
Die Debatte um die Super League war schnell Geschichte, das Projekt wurde innerhalb weniger Tage wieder auf Eis gelegt. Die hässliche Fratze des Kommerzfußballs hatte mit ausgewählten Bossen dieser Fußballklubs ganz neue Gesichter in den Mittelpunkt gerückt.
Mein Fazit: Die Bosse der UEFA agierten schlau im zurückliegenden Jahr, denn es war klar, dass sie sich mit ihren ursprünglichen Ideen genauso ins Abseits gespielt hätten wie die Initiatoren der sogenannten Super League.
Das "Erfolgserlebnis", nach dem sich Niko Kovač am Montagabend gesehnt hat, bekam er nur einen Tag später: Borussia Dortmund gewinnt das Playoff-Hinspiel gegen Sporting Lissabon mit 3:0. Dem Klub winkt nun der Einzug ins Achtelfinale.