Wenn am Mittwochabend (18 Uhr) das DFB-Pokal-Viertelfinale zwischen Nürnberg und Stuttgart angepfiffen wird, treffen im Max-Morlock-Stadion zwei Sorgenkinder des deutschen Fußballs aufeinander.
Nürnberg steht in der 2. Bundesliga zwar auf dem 13. Tabellenplatz, hat aber nur drei Punkte Vorsprung auf Regensburg auf dem Relegationsplatz. In den kommenden acht Ligaspielen muss der "Glubb" aufpassen, nicht noch weiter unten reinzurutschen.
Stuttgart hingegen spielt zwar eine Etage höher in der Bundesliga, steht mit 20 Zählern und fünf Punkten Rückstand aufs rettende Ufer auf dem letzten Platz. Der erneute Abstieg in die 2. Liga droht, zu Wochenbeginn trennte sich der VfB von Trainer Bruno Labbadia und holte Sebastian Hoeneß.
Für beide Vereine ist das Pokal-Viertelfinale daher die Möglichkeit, mit einem Sieg für Aufbruchstimmung zu sorgen – gleichzeitig würden über drei Millionen Euro in die Vereinskassen fließen. Stuttgart stünde seit 2013 zum ersten Mal im Halbfinale. Nürnberg sogar erstmals seit 2007. Damals zogen die Franken ins Endspiel in Berlin ein, trafen dort ausgerechnet auf Stuttgart und besiegten den VfB 3:2 in der Verlängerung.
Einer, der das Spiel damals mit auf der Nürnberger Bank verfolgte, ist Martin Haltermann. Er war neun Jahre Pressesprecher des FCN, arbeitet seit 2010 in gleicher Position für den MSV Duisburg. An den Pokaltriumph hat Haltermann durchweg positive Erinnerungen.
"Für jeden, der so etwas miterleben darf, ist das ein unfassbarer Traum", erklärt er gegenüber watson und fügt an: "Damit durfte niemand rechnen - es war ein Traum, der für unfassbar viele Menschen in Erfüllung gegangen ist."
Dabei verlief der Nürnberger Weg ins Finale alles andere als einfach und souverän. In der 1. Runde zitterte sich der FCN gegen den damaligen Oberligisten Cloppenburg mit einem 1:0 weiter. Gegen die Zweitligisten Paderborn (2:1 n.V.) und Unterhaching (2:1 i.E.) wäre ein Ausscheiden der Franken ebenfalls möglich gewesen, genauso wie im Viertelfinale gegen Bundesligist Hannover (4:2 i.E.).
"Auf dem Weg nach Berlin hat es nur ein souveränes Spiel gegeben. Das war das 4:0 im Halbfinale gegen Frankfurt", schildert Haltermann die damalige Pokal-Saison. Gleichzeitig betont er, dass er es als normal erachtet, dass ein Pokalsieger ein bis zwei Zitterpartien erleben muss, bis er den Triumph feiern kann.
Bei einer Zitterpartie habe der damalige Torhüter Daniel Klewer in der Pause zur Verlängerung "ohne Ende Liegestütze gemacht", erklärt Haltermann. Weshalb, weiß der Pressesprecher bis heute nicht.
Auch eine weitere Kuriosität blieb ihm bis heute im Gedächtnis: "In Erinnerung wird immer die 119. Minute im Viertelfinale gegen Hannover bleiben, als Daniel Klewer für unseren Torhüter Raphael Schäfer eingewechselt wurde, um dann im Elfmeterschießen erfolgreich zu halten. Hätte, wäre, wenn – ist aber nicht schiefgegangen."
Einige Jahre später schaute sich Mike Büskens den Trick ab, wechselte im DFB-Pokal-Halbfinale mit Greuther Fürth gegen Dortmund kurz vor dem Ende der Verlängerung Ersatzkeeper Jasmin Fejzic ein. Das Problem: Dortmund schoss durch İlkay Gündoğan noch vor dem Elfmeterschießen den Siegtreffer. Fejzic sah dabei unglücklich aus. Der Ball klatschte vom Pfosten an seinen Rücken, ging dann ins Tor. Büskens bekam danach Häme ab.
Bei Nürnberg ging es 2007 allerdings bis zum Finale gut. Dort kam es zum Duell mit den Schwaben, die sich nur eine Woche vorher den Titel in der Bundesliga gesichert hatten. "Stuttgart war zwar Meister, aber wir hatten beide Ligaspiele mit 3:0 und 4:1 souverän gewonnen", erzählt Haltermann gegenüber watson. Von der Stimmung innerhalb der Mannschaft habe er in der Finalwoche allerdings nichts mitbekommen.
"Es war sehr viel Arbeit. Viele 16-Stunden-Tage mit mehrfachem Handyaufladen. Ich stand völlig unter Adrenalin. Die Stunde im Flugzeug am Tag vor dem Finale war pure Erholung, weil das Handy kurz aus war", sagt er nun knapp 16 Jahre später. Dabei hätte er viele Telefonate mit Journalisten und Medien geführt, gleichzeitig organisatorische Anfragen bearbeitet. "Es hat kein Ende genommen."
Auch am Finaltag hatte Haltermann noch zu tun, sprach kurz während des kurzen Anschwitzens am Morgen im Berliner Poststadion mit Hans Meyer – vermutlich um über anstehende TV-Interviews während der Übertragung zu sprechen.
"Die Mannschaft war auf dem Platz, ich stand mit Hans Meyer zusammen und er sagte: 'Was ist das für eine Bruchbude?' Ich habe ihn gefragt, ob er das Poststadion – das 2007 im Umbau war – nicht kennen würde. Da meinte er in seiner unnachahmlichen Art: 'Du weißt doch, ich komme aus der DDR. Ich kenne nichts, was im Westen ist.' Da habe ich eine kurze historische Exkursion gemacht und ihm erklärt, dass Nürnberg dort in der Vorkriegszeit Deutscher Meister geworden ist."
Laut Haltermann habe sich Meyer im Anschluss versichert, ob das stimme. Nachdem der Pressesprecher das bejahte, habe Meyer gepfiffen. "Dann hat er die Mannschaft herangerufen und die Spieler gefragt, ob sie sich nicht wundern, dass er in so einer Bruchbude trainieren lassen würde – um dann zu erklären, dass er den Platz mit Absicht ausgesucht hätte, weil Nürnberg hier schon einen Titel geholt hat."
Das Ergebnis danach ist Geschichte: Meyers Bluff war erfolgreich, Nürnberg gewann in der Verlängerung und holte seinen letzten Titel – bis heute.
Für die Feier selbst war Haltermann allerdings zu schlapp von der arbeitsintensiven Woche: "Ich war nicht lange da, war platt und bin eine Stunde durch das leere Berlin gegangen. Ich habe ein bisschen Ruhe gebraucht, weil nichts mehr ging." Dafür hat er allerdings besondere Erinnerungen an die Zeit nach dem Titelgewinn.
Der gebürtige Münsteraner berichtet stolz: "Ein paar Wochen nach dem Pokalsieg hat die Stadt im Rathaussaal eine wunderbare kleine Ausstellung mit dem Pokal organisiert. In den vier Wochen dieser Ausstellung war ich ein paar Mal mit der Familie und Freunden dort und musste jedes Mal Fotos mit Club-Fans machen, die mich erkannt haben. Das ist heute noch Gänsehautgefühl."
Noch immer habe Haltermann Kontakt zum Verein aus Franken. "Ich durfte auch so viele ältere Club-Spieler wie Dieter Nüssing, Reinhold Hintermaier oder Stefan Reisch und all‘ die anderen Legenden kennenlernen. Was für Herzens-Menschen – da lässt einen dieser Verein nicht los. Dem 'Glubb' werd‘ ich immer Glück und Erfolg wünschen – ohne, dass ich seriös beurteilen kann, wie das Spiel ausgehen wird", schildert Haltermann und macht dadurch klar, wem er Mittwoch die Daumen drückt.