Ist es tatsächlich #Die Mannschaft? Oder doch eher Unsere Mannschaft? Deine Mannschaft? Meine Mannschaft? Die Mannschaft derer, die gar keine wirklichen Fans sind? Oder einfach nur eine von vielen Mannschaften? Wie dem auch sei: Für mich ist die Zeit für die Abschaffung dieses PR-Claims überfällig!
In der Länderspielpause fällt die Aufmerksamkeit auf das neu formierte DFB-Team. Ich bin gespannt zu sehen, wie sich die nominierten Spieler gegen Israel (Samstag) und die Niederlande (Dienstag) bewähren und wie es dem neuen Trainerteam um Hansi Flick gelingen wird, eine neue Mannschaft für die anstehende Nations League und vor allem die Winter-WM in Katar zu formen.
Ob die Fans zurückkommen und dazu beitragen, den in den letzten Jahren verloren gegangenen Imageverlust auszugleichen, ist allerdings fraglich. Noch am Dienstag erklärte der DFB, dass über 4000 Tickets für das Spiel verfügbar seien.
Dessen ungeachtet: Bei so viel Neuem sollte es leicht fallen, endlich auch den alten PR-Claim "#DieMannschaft" abzuräumen und wieder ganz schlicht von der Deutschen Nationalmannschaft zu sprechen. Den alten Hashtag bringe ich allein mit der Weltmeister-Elf von Rio 2014 in Verbindung. Auch deshalb ist dieser Claim spätestens seit dem 27. Juni 2018, nach dem Vorrunden-Aus bei der WM in Russland, nicht mehr haltbar.
Seither wurde es schwierig bei Länderspielen mittelgroße Stadien zu füllen und zuletzt wurden die Karten sogar auf breiter Front verschenkt. Die Ursachen der Abwendung liegen auf der Hand: Die Fußballerinnen und Fußballer im Land haben die Strategie, die manche Journalisten "Bierhoffisierung" des Fußballs nennen, durchschaut: Es geht zuallererst um Kommerz und nicht um das Spiel an sich.
Diese überzogene Orientierung am Geld macht beim Nationalteam absolut keinen Sinn. Schließlich soll es unsere Mannschaft sein. Ein Team, zu dem jeder Fan eine emotionale Beziehung aufbauen kann. Auch wenn Vermarktung durchaus nützlich ist, sind deren Grenzen beim Erschaffen eines künstlichen Teamnamens überschritten. Soviel wissen wir aus dem kleinen Einmaleins der Fankultur und ihrer Pflege.
Dessen ungeachtet hatten im Juni 2015 Wirtschaftsstrategen des DFB den Claim #DieMannschaft als Markenzeichen der DFB-Elf eingeführt. Man blickte auf die Italiener, die ihre "Squadra Azzurra" und die Brasilianer, die ihre "Selecão" haben und suchte nach einem Namen mit vergleichbarem Wiedererkennungswert. Genauso, wie es Volkswagen und andere bedeutende Wirtschaftsunternehmen mit Ihren Produkten tun.
Mit solchen Claims lassen sich in der Wirtschaft Kunden gewinnen und möglicherweise manche von denen auch binden. Bei Fans haben PR-Phrasen eine ganz andere Wirkung. Sie wirken abstoßend und als Mogelpackung. Deshalb wenden sich Fans ab und suchen ihre Identifikationsfiguren woanders.
Wenn wir mehr Nähe, Authentizität und Bodenständigkeit im DFB suchen, dann wäre es mit Blick auf das Identifikationspotenzial der Nationalmannschaft konsequent, der Idee des neuen starken Mannes im Verband zu folgen: Hans-Joachim Watzke, seit kurzem DFB-Präsidiumsmitglied, läutete Anfang des Jahres im "Spiegel"-Interview das semantische Ende von "#DieMannschaft" ein: "Dieser Begriff ist mir zu abgehoben. Es ist respektlos gegenüber allen anderen erfolgreichen Mannschaften".
Als Konsequenz könnte das Ende des Claims als symbolträchtiges Startsignal für mehr Basis- und Fannähe im DFB fungieren.
Ob die begriffliche Kosmetik ausreichen wird, um die Nachfrage nach Tickets und Trikots der Nationalmannschaft anzukurbeln? Wie schaffen die DFB-Verantwortlichen mehr Identifikationsfläche für Fans? Hat der kommerzielle Zweig des DFB überhaupt noch Kraft für die Entwicklung von Helden und Idolen? Oder ist der Zug der ungebremsten Kommerzialisierung längst abgefahren?