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WM in Katar: Finnischer Profi-Fußaller kritisiert Fifa: "Gab viele leere Worte"

Riku Riski 9, HJK during UEFA Europa Conference League football match between HJK - Lask at the Bolt Arena on 16 September 2021 in Helsinki, Finland. Tomi H
Riku Riski spielt seit 2018 für HJK Helsinki. 2019 verzichtete er auf ein Trainingslager der finnischen Nationalmannschaft in Katar.Bild: www.imago-images.de / Tomi Hänninen
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Menschenrechte, Rassismus, Katar: "Hoffe, dass noch größere Stars darüber sprechen" – Finnischer Profi über Fußball und Politik

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Riku Riski ist finnischer Fußball-Profi und boykottierte bereits 2019 ein Trainingslager der Nationalmannschaft in Katar. Im Interview mit watson spricht er darüber, wie politisch der Fußball geworden ist.
24.03.2022, 11:5524.03.2022, 15:14

Am Donnerstag starten in Europa die Playoffs zur WM-Qualifikation. Für einige europäische Teams ist es die letzte Chance, sich für die umstrittene Weltmeisterschaft in Katar zu qualifizieren. Finnland hat sich nicht qualifiziert und wird das Turnier erneut verpassen. Dennoch positionieren sich finnische Fußballer immer wieder eindeutig und weisen auf die Missstände in Katar hin.

Im September 2021 schrieb Finnlands langjähriger Nationalmannschaftskapitän Tim Sparv einen Gastbeitrag im "Players Tribune". Unter der Überschrift "Wir müssen über Katar reden" kritisierte der heute 35-Jährige die Entscheidung, dass die Weltmeisterschaft im Wüstenemirat stattfindet.

Tausende Bauarbeiter starben beim Errichten der WM-Stadien, gleichzeitig kritisierte er die Menschenrechtslage vor Ort. Im gleichen Beitrag erzählte Sparv auch, wie er auf die Missstände in Katar aufmerksam wurde. Zunächst schrieb er, dass er "jahrelang geschlafen" habe.

"Es ist nicht immer einfach, so zu handeln oder zu sprechen, wie man wirklich fühlt. Es herrscht ein enormer Druck von außen."
Riku Riski über die Angst, etwas Falsches zu sagen

Im Januar 2019 wurde er aber für die Missstände sensibilisiert. Riku Riski, sein Kollege aus der Nationalmannschaft, weigerte sich, zu einem Trainingslager der finnischen Nationalmannschaft nach Katar zu fahren. Watson hat mit Riski über diesen Entschluss gesprochen und darüber, wie sehr der Fußball und der Sport allgemein inzwischen politisch aufgeladen wurden.

Watson: 2019 haben Sie ein Trainingslager der finnischen Nationalmannschaft in Katar boykottiert. Sie wollten die Missstände bei der Einhaltung der Menschenrechte und bei den Arbeitsbedingungen in Katar hervorheben. Sind Sie bei jedem politischen Thema, dass die Gesellschaft betrifft, so interessiert?

Riku Riski: Das würde ich nicht sagen. Natürlich verfolge ich die Politik und die Nachrichten generell. Aber dieses Thema war extrem wichtig für mich, weil es so eng mit dem Fußball verbunden war. Ich fand, dass ich etwas tun müsste. Aber in allererster Linie versuche ich, ein guter Fußballer zu sein.

Sie waren 29 Jahre alt, als Sie die Entscheidung trafen, das Trainingslager zu boykottieren.

Richtig. Und es ist auch wichtig zu erwähnen: Wenn ich zehn Jahre jünger gewesen wäre, wäre es für mich ein viel größerer Schritt gewesen, 'Nein' zu sagen. Vielleicht wäre es meine erste Reise mit dem Nationalteam gewesen. Das Alter spielt eine große Rolle.

Tim Sparv (obere Reihe, zweiter von rechts) und Riku Riski (vorne links) 2013 bei eime finnnischen Länderspiel 2013.
Riku Riski (vorne links, Nummer 11) 2013 bei einem finnnischen Länderspiel.null / imago images

Trotzdem würden sich nicht viele Spieler für einen Boykott eines Trainingslagers in Katar entscheiden. Es wirkt manchmal so, als ob Spieler Angst haben, über Politik zu sprechen. Sie könnten etwas Falsches sagen. Können Sie diese Angst nachvollziehen?

Absolut. Es ist nicht immer einfach, so zu handeln oder zu sprechen, wie man wirklich fühlt. Es herrscht ein enormer Druck von außen. Beispielsweise ist der Klub von einer Firma gesponsert, die eine bestimmte Meinung nicht mag. Aber ich glaube, dass es ein größeres Problem gibt.

Welches?

Die Entscheidung über einen Boykott sollte nicht von Spielern oder Athleten getroffen werden müssen. Es gibt Menschen, die entscheiden, wo solche Großevents stattfinden. Diese Entscheidungen aus der Chefetage müssen geändert werden.

Wollen Sie das nach Ihrer Karriere ändern und aktiv werden im finnischen Verband, in der Uefa oder der Fifa?

Möglicherweise, ja. Aber ich sage nicht, dass man nicht aktiv sein kann, während man spielt. Jeder Spieler hat das Recht, über Dinge zu sprechen, die er nicht mag. Aber man sollte nicht dazu gedrängt werden, etwas zu kommentieren, wenn man es nicht will. Das ist ein großer Unterschied. Tim Sparv ist ein großartiges Beispiel.

Warum?

Er hat schon immer über solche Dinge gesprochen, weil er es als wichtig erachtet. Ich bin mir sicher, dass auch andere Spieler diese Werte vertreten, sich dafür entschieden haben, nicht darüber zu sprechen. Auch das ist komplett in Ordnung.

Es sollte also akzeptiert werden, wenn ein Fußballer nicht über ein bestimmtes politisches Thema sprechen will. Andererseits: Wenn es ein Spieler will, sollte es möglich sein?

Es ist total verständlich, dass Fragen nach sportpolitischen Dingen gestellt werden. Und es ist auch gut. Aber am Ende hat kein Spieler oder Trainer Einfluss auf diese Entscheidungen. Was sie tun können? Ihr Meinung kommunizieren. Aber ich sehe eine interessante Entwicklung in den letzten zwei oder drei Jahren.

Welche?

Politik und Sport sind generell viel enger zusammengerückt. Es gibt nicht viele Menschen, die heutzutage sagen würden, dass Sport und Politik komplett voneinander getrennt sind.

"Immer mehr Menschen teilen diese Meinung und die Situation in Katar wird in den Zeitungen immer wichtiger."
Riku Riski darüber, dass Katar wegen der Menschenrechte und der Arbeitsbedingungen in der Kritik steht

Ein Politikum ist die Weltmeisterschaft. Katar steht wegen der Menschenrechte und der Arbeitsbedingungen der Bauarbeiter in der Kritik. Finnland wartet noch auf die erste WM-Teilnahme. Sind Sie in dieser Hinsicht ein wenig froh, dass Ihr Land nicht ausgerechnet in Katar das WM-Debüt gibt?

In dem Sinne vielleicht ja. Aber darüber habe ich eigentlich nicht nachgedacht. Ich sehe es als größeres Thema, das mehr als nur ein Team angeht. Aber natürlich träumt jeder in Finnland auch von einer Weltmeisterschaft. Es war bereits großartig, Finnland im vergangenen Jahr bei der EM zu sehen.

Werden Sie die Spiele bei der WM im Winter gucken?

Als ich mich gegen das Trainingslager entschieden habe, habe ich auch gesagt, dass ich mit dieser Weltmeisterschaft nicht in Berührung kommen werde. Das beinhaltet auch, dass ich die Spiele nicht gucke. Immer mehr Menschen teilen diese Meinung und die Situation in Katar wird in den Zeitungen immer wichtiger. Ich hoffe, dass das nur der Start ist und es einige gute Konsequenzen geben wird.

Was können Fußball-Fans noch machen, außer auf das Schauen der Spiele zu verzichten?

Aktiv sein und ihre Meinung laut sagen. Wenn viele Menschen sich hinter einer guten Sache versammeln, kann etwas geändert werden. Ich habe viel Druck auf die großen Sportverbände wie die Fifa oder das Olympische Komitee wahrgenommen. In der Zukunft wäre dadurch eine Entscheidung, wie sie für Katar getroffen wurde, kaum zu rechtfertigen.

Wenn man über Sport und Politik spricht, muss man gerade in den letzten Wochen auch über die Sanktionen gegen russische Athleten und Teams sprechen. Aufgrund des russischen Angriffskriegs dürfen viele international nicht mehr an Wettbewerben teilnehmen. Was denken Sie darüber?

Es ist interessant, wie viel Willen diese großen Verbände zu schnellen Entscheidungen haben, wenn sie es wollen. Es war nicht nur die Fifa, sondern auch Klubs, Ligen oder andere Organisationen, die den schrecklichen Krieg und Russlands Handeln verurteilt haben.

Ihre Aussage impliziert, dass diese Verbände in anderen Fällen auch lange gewartet haben.

Das stimmt. Es gab viele leere Worte über eine Veränderung. Ich habe das nicht geglaubt. Die Veränderungen kamen sehr langsam. Insgesamt ist es aber ermutigend, dass der Sport als Ganzes bereit ist, stark zu reagieren.

"Ich hoffe, dass noch größere Spieler und Stars Aktionen starten und über Menschenrechte, Rassismus oder andere wichtige Themen sprechen."
Riku Riski über die Hoffnung, dass sich noch mehr Stars zu wichtigen Themen äußern.

Nach dem Kriegsbeginn konnte man in Deutschland Angst spüren, weil er in Europa und nicht weit weg ist. Wie ist das in Finnland? Dort gibt es sogar eine Grenze zu Russland?

Es wird groß in der Öffentlichkeit diskutiert, aber ich möchte da nicht zu viel drüber sprechen. Natürlich weiß jeder um die Grenze zu Russland und fragt sich, ob es möglich ist, dass etwas Vergleichbares in Finnland passieren könnte.

Was haben Sie gedacht, als Sie ukrainische Sportstars gesehen haben, die in den Krieg zogen?

Für mich ist das undenkbar. Für eine lange Zeit war es unrealistisch, dass so etwas passiert, und jetzt ist es doch passiert.

Was können Fußballer oder auch Sportler generell bewirken, außer in den Krieg zu ziehen?

Nehmen Sie mich als Beispiel. Außerhalb Finnlands bin ich mehr oder weniger unbekannt. Durch die Entscheidung gegen das Trainingslager wurde über mich gesprochen. Das ist doch erstaunlich. Ich hoffe, dass noch größere Spieler und Stars Aktionen starten und über Menschenrechte, Rassismus oder andere wichtige Themen sprechen. Ich glaube, der Einfluss von Stars kann riesig sein. Ein gutes Beispiel ist Megan Rapinoe.

Die Kapitänin der amerikanischen Frauen-Nationalmannschaft.

Richtig. Sie ist sehr aktiv bei vielen Dingen und alles, was sie macht, erhält große Aufmerksamkeit in der Presse. Vor einigen Wochen haben die US-Frauen erreicht, dass sie das gleiche Geld gezahlt bekommen wie das Herren-Team. Ich bin sicher, dass da noch mehr kommen wird.

Das schließt auch ein, dass Fußballspieler für eine Sache aufstehen sollten und ihre Stimme erheben sollten. Vor einigen Minuten sagten Sie, dass es nicht der Job der Spieler ist, sich zu politischen Themen zu äußern.

Das meine ich auch so. Es ist nicht der Job von Spielern und sie sollten nicht dazu gedrängt werden. Aber Sportstars können etwas bewirken, wenn diejenigen, die wollen, auch aufstehen und für ihre Belange kämpfen.

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