Hatte Hans-Joachim Watzke also doch recht? Ließ sich an der Minimalreform des Jugendfußballs im vergangenen Jahr, die für weniger Leistungsdruck und mehr Entwicklung bei Kindern führen sollte, wieder einmal der Niedergang von Arbeitsmoral und Leistungsprinzip ablesen?
Sagt das alles "sehr viel über die deutsche Gesellschaft aus", wie Watzke meinte, "wenn wir Angst haben, dass ein Achtjähriger komplett aus dem Lebensgleichgewicht geworfen wird, weil er mal 5:0 mit seiner Mannschaft verliert"?
Das enttäuschende Abschneiden Deutschlands bei den Olympischen Spielen ruft zumindest bei vielen den Impuls hervor, die Ursache an vermeintlichen Wesensmerkmalen einer Generation festzumachen. Im Medaillenspiegel steht mit Rang zehn das schlechteste Abschneiden seit 1952. 13 Mal wurde Gold gewonnen, 33 Mal standen deutsche Athlet:innen insgesamt auf dem Podium.
Man sei "mit einem anderen Ziel in diese Spiele gestartet", sagte Olaf Tabor, Leistungssportvorstand beim Deutschen Olympischen Sportbund. "Platz fünf" hätte es gern sein dürfen. Die Lösung? Eine unabhängige Sportagentur für "Entbürokratisierung und Flexibilisierung sowie mehr Investitionen in den Leistungssport".
Auch die schnellste Frau Deutschlands, Gina Lückenkemper, die in der Frauenstaffel über 4x100 Meter überraschend Olympia-Bronze geholt hat, sieht im Hinblick auf die Bedingungen in Deutschland deutliches Verbesserungspotenzial. Sie selbst trainiert nicht hierzulande, sondern in den USA. Das sei "unbeschreiblich wichtig", sagte Lückenkemper im Interview mit dem "RND".
Dort könne sie mit dem weltweit "erfolgreichsten Sprinttrainer trainieren" und sich regelmäßig mit "Weltmeistern, Olympiasiegern, Weltrekordhaltern" umgeben. In Deutschland geht das nicht so einfach.
Sie würde sich wünschen, sagte Lückenkemper, "dass es in Deutschland mehr internationale Trainingsgruppen gibt". Hierzulande sei das aufgrund der Vergabe der finanziellen Mittel jedoch schwierig. Da die Bundestrainer über das Bundesinnenministerium gefördert werden, heiße es schnell, dass man mit internationalen Trainingsgruppen die Konkurrenz stärke.
"Nur wie sollen wir besser werden, wenn wir nicht mit den Besten der Besten trainieren und uns im Training nicht regelmäßig mit diesen Athleten messen können?", meint Lückenkemper. "Wir limitieren uns ein bisschen."
Sie würde sich wünschen, dass es für deutsche Athleten mehr Möglichkeiten in Deutschland gebe, damit sie für eine Leistungssteigerung nicht gezwungen sind, ins Ausland gehen zu müssen. "Das wäre ein großer Wunsch von mir und ich hoffe, dass sich da etwas tut in den nächsten Jahren."